Ein Schiff muss her! Doch woher nehmen, wenn man keines stehlen kann? Ein waghalsiger Plan führt die kleine Mannschaft erst auf eine halsbrecherische Diebestour und kurz darauf mit einer Kanone (!) auf einem Floß auf hohe See. JUAN DER LANGE hat seine Leute überredet, ihm zu vertrauen und Beute versprochen. Das verlangt viel von den Halunken (und der einzigen Frau in der Mannschaft, die letztlich auch ein Halunke ist). Am Ende blicken alle auf das Wasser hinaus, warten auf Ebbe und hoffen das Beste. Es wäre gut für JUAN DER LANGE, wenn sein Plan Früchte trüge, denn die PIRATEN werden langsam ungeduldig…
Es waren einmal: PIRATEN! Über die Jahrzehnte hinweg hatten sie ihre unterhaltenden Auftritte in Popkultur. So richtig weg waren sie nie, und sie tauchten auf sämtlichen Weltmeeren auf. Eine zentrale Umgebung, wo sie, hauptsächlich, in Literatur und Film besonders gern gesehen waren, ist die von hier aus betrachtet überseeische Karibik. Dieser Knotenpunkt auf dem Weg von Europa an die Goldküsten Südamerikas mit den Besitzungen der spanischen Krone ist der weitläufige Schauplatz von JUAN DER LANGE. Dieser junge Mann möchte ein Pirat sein. Er hat seiner kleinen Mannschaft einiges versprochen, doch bisher war keine Beute in Sicht. Obendrein fehlt ihnen zum Piratendasein das Wichtigste: Ein Schiff!
ANTONIO SEGURA, der Autor, lässt seine Charaktere sozusagen bei Null beginnen. Und es stellt sich gleich zu Beginn die Frage, wie gelangt man an ein Schiff, wenn man nicht gerade in einem Hafen eines stehlen kann? Man kauft es und das Geld dazu verdient man sich zuvor mit einem Husarenstreich. Und viel Schweiß und Anstrengung. Der Leser verfolgt diesen kuriosen Plan, der auf einen einzigen Treffer setzt. Und darüber hinaus auch keine Versuche zulässt. Das reicht, um Spannung aufzubauen. ANTONIO SEGURA lässt es darauf nicht beruhen, denn die versammelte Mannschaft um JUAN DER LANGE ist punktgenau und perfekt zusammengestellt.
Das Titelbild verrät schon einiges über die Truppe, aber insgesamt ist es in der Geschichte noch um ein Vielfaches differenzierter. Auffallend betagt ist METHUSALEM, ein altgedienter Pirat, einbeinig, einäugig, doch von seiner Erfahrung her für die Truppe absolut unverzichtbar. Es gibt den FRANZOSEN, zwei Haudraufs, von denen einer der Vater der HÜBSCHEN KLEINEN ist. Hier gibt es Konstellationen, die erinnern an einen gallischen Stamm, ebenso finden sich Anleihen (oder Verbeugungen) bei klassischen Kinoabenteuern, in denen sich berühmte Piratendarsteller einen Namen machten. Entsprechend geht es durchaus ernsthaft zu, aber auch humorvoll (öfters) und familienfreundlich (meistens). Den Schurken sieht man ihre Schurkenhaftigkeit sogleich an, erst recht den anderen Piratenkapitänen wie dem HOLLÄNDER, der bei Widerworten kurzen Prozess macht.
Aber die Halunken sehen gut aus dabei! Zu verdanken ist das dem Zeichner JOSÉ ORTIZ, der hier eine Parade von Schurken abliefert und solche Gesichter aufs Papier zaubert, wie es die goldene Ära der Piratenfilme (als die Welt meistens schwarzweiß war) dem Zuschauer darbrachte. Die Comiczeichner aus Spanien brachten einen frischen realistischen Grafikstil in das Medium ein. JOSÉ ORTIZ, hierzulande mindestens noch mit HOMBRE bekannt, könnte technisch mit JORDI BERNET (TORPEDO) verglichen werden. Beiden ist zueigen, dass sie neben dem Realismus auch eine Spur Karikatur einfließen lassen. Die Figur des METHUSALEM ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Nicht zu echt, aber auch nicht zu abgedreht illustriert, um nicht in der Realität existieren zu können.
Kapitelweise, jeweils schön abgeschlossen, ohne den Gesamtfluss der Geschichte stark aufzuhalten, erzählt ANTONIO SEGURA vom Leben der PIRATEN und das beinhaltet natürlich eine gehörige Portion ACTION. Zu WASSER selbstverständlich, aber eben auch zu LANDE. Da gibt es die Kämpfe gegen ihresgleichen, auf dem SCHIFF. Da müssen Stürme bestanden und Wege durch Sumpfgebiet beschritten werden. Da droht eine Begegnung mit vermeintlichen Kannibalen unschön auszugehen. Da gibt es in einer Situation höchster Not noch Zeit für eine Spur ROMANTIK (die braucht ein PIRAT auch). Und ein Kollege von ROBINSON CRUSOE sorgt für Einlagen, die für besondere Abwechslung im PIRATENLLEBEN sorgen. Daneben aber, zum Beispiel in einem Kapitel das den Sklavenhandel thematisiert, wird auch es auch mal bitterernst.
Das alles ist von JOSÉ ORTIZ mit außerordentlich leichter Hand gezeichnet. Er führt den Leser nah an die Auseinandersetzungen, auf die Decks der Schiffe, die Strände, die Hafenstädte und die Spelunken sowie in die Dschungel. Das ist sehr lebendig, wie vor Ort skizziert und mit Tusche meisterhaft leicht hingeworfen. Kein Wunder, denn JOSÉ ORTIZ war auch ein Perfektionist darin, wenn es darum reine Schwarzweißzeichnungen abzuliefern. Hier muss er sich zugunsten der Kolorierung nur etwas zurücknehmen. Nicht ein Strich zu viel, keiner zu wenig und obwohl JUAN DER LANGE erstmals vor über 30 Jahren erschien, ist der grafische Stil immer noch modern.
PIRATEN kommen heutzutage viel zu kurz, da kommt die klassisch erzählte Geschichte um JUAN DER LANGE von ANTONIO SEGURA (Autor) und JOSÉ ORTIZ (Zeichner) gerade recht mit einer Neuauflage. Das Vermächtnis der beiden Comic-Künstler kann solche Comic-Leser, die sich für PIRATEN und HISTORISCHE SZENARIEN begeistern, ganz bestimmt einfangen. Jung, frisch und in einer Erzählweise, die gerade der heutigen Zeit sehr angepasst scheint. Klasse! 🙂
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