Eine ganz normale Familie. OWEN JOHNSON lebt in einer ganz normalen amerikanischen Bilderbuchnachbarschaft. Einfamilienhäuser rignsherum. Man kennt sich. Man hat familiäre Bindungen über mehrere Generationen. Man hat Freunde. Man lädt zum Gartenfest, zum Barbecue. OWEN JOHNSON hat sich gut im Leben eingerichtet. Er ist ein guter Vater, liebt seine beiden Kinder. Er verkauft Möbel, seine Frau ist Polizistin. OWEN JOHNSON genießt allgemein Respekt. Die Vergangenheit ist Vergangenheit. Aber vergessen kann er sie nicht. Denn auch jene Menschen aus besagter Vergangenheit haben ihn nicht vergessen. Obwohl derart viele Jahre vergangen sind und OWEN JOHNSON längst auf einem anderen Kontinent lebt.
Die Serie FIRE POWER von COMIC-IKONE ROBERT KIRKMAN geht in die zweite Runde. War der erste Teil eine Verbeugung vor den EASTERN der 1980er Jahre und gleichzeitig ein gelungenes ACTION-FEUERWERK, verändert er hier völlig das Setting und präsentiert fast einen Neuanfang, der auch ohne den ersten Teil stehen könnte. Denn ähnliche Ausgangssituationen gibt es häufiger im amerikanischen KINTOPP. Der von der Vergangenheit eingeholte Held muss sein neues Leben verteidigen. Hier ist ähnlich. Es beginnt schleichend mit dem Auftauchen eines Freundes von einst.
ROBERT KIRKMAN nimmt den Leser sachte mit auf die Reise dieses zweiten Bandes. Ein erster Kampf endet noch versöhnlich. Die nächste Attacke erfolgt ohne Vorwarnung, im eigenen Zuhause. Damit wendet sich alles, denn von nun an kann OWEN JOHNSON die Ereignisse nicht mehr aufhalten. ROBERT KIRKMAN spielt mit dem amerikanischen Vorstadtleben, auch den typischen Geschehnissen, mit denen ein COP tagtäglich umzugehen hat. Hier wird OWENS Frau ziemlich tough und wehrhaft präsentiert. Sie mag nicht ganz über die asiatischen Kampftechniken ihres Mannes verfügen. Doch sie kämpft mit harten Bandagen, überlegt, scheinbar furchtlos. Derart starke Paare finden sich in Geschichten selten. Eine erfrischende Neuerung (oder Ausnahme, ganz wie man will, es dürfte durchaus Schule machen).
Keine Bange! Trotz der Eingangsbeschreibung hagelt es reichlich Kämpfe. Je mehr die Handlung fortschreitet, wird den fantastischen Kämpfen eines asiatischen Kinos umso mehr gehuldigt. Natürlich sind solche Auseinandersetzungen geradezu übermenschlich. Nicht zuletzt verfügt OWEN JOHNSON, wie das Titelbild verrät und Kenner des ersten Bandes wissen, über die Gabe, Feuerbälle zu erzeugen. Es wird jedoch, dank ROBERT KIRKMANS ausgezeichneter Erzählweise, nicht einfach durch die Gegend gekämpft. Wegen der eingangs geschilderten familiären Befindlichkeiten wird es höchst dramatisch, weil keiner aus der vierköpfigen Familie unbetroffen bleibt.
CHRIS SAMNEE pflegt einen Zeichenstil, der auf den Punkt kommt. Seine in mancher Hinsicht reduzierten Grafiken weisen Parallelen zu einem frühen MIKE MIGNOLA auf (z.B. wie in FAFHRD UND DER GRAUE MAUSLING), als dieser zwar einem abgespeckten Zeichenstil frönte, aber immer noch detailreicher war als heute. CHRIS SAMNEE trifft sich mit seiner Arbeit aber auch auf Augenhöhe mit Zeichnern wie GABRIEL BÁ und TONY MOORE. Seine Technik könnte als Verschmelzung aus ihrer beider Stilistiken gedeutet werden. Es gibt durchaus die mit dünnen Strichen erzeugten Figuren in kleineren Ansichten oder solchen, die mit mehr Charakteren und Hintergründen versehen sind. Darüber hinaus wird er aber in Nahaufnahmen fetter im Strich, realistischer, während in der Verkleinerung Gesichter schonmal mangahaft entgleisen.
Familie? Dann ist alles eitel Sonnenschein. VON WEGEN! Die Kolorierung von MATT WILSON markiert gerade diese besonders normalen Tage mit Sonnenlicht. Der Rest des Abenteuers ist bald von Nacht und düsterer Flucht geprägt. Farbe trägt hier stark zur Stimmung bei. Das Kampftraining der Familie fällt, bei Tageslicht im heimischen Garten ausgeführt, heiter aus. Romantische Beleuchtung trifft das Augen, wenn OWEN JOHNSON und seine Frau sich einen schönen Abend in einem Restaurant gönnen. Aber, wie es heißt, der Schein trügt. Denn im selben Licht greift der Feind an. Was vorher anheimelnd wirkte, ist schließlich bloß die Ankündigung von Gewalt und Blut. Bricht erst echte nächtliche Stimmung herein, steigt auch die Spannung der handlung rasant an.
ROBERT KIRKMAN strickt gerne bestehende Regeln um, mischt neue Elemente hinzu und bastelt etwas Andersartiges. Ein Ergebnis davon ist der zweite Band von FIRE POWER, der es sich erlaubt, dank eines ordentlichen Zeitsprungs, wesentlich andere Wege zu gehen als sein Vorgängerband. Eindrücklich und mit Kameraauge von CHRIS SAMNEE und MATT WILSON in Szene gesetzt. Wer MARTIAL ARTS gemixt mit FANTASY und THRILLER mag, liegt hier goldrichtig! Top! 🙂
FIRE POWER 2: Bei Amazon bestellen.
Oder bei Cross Cult.