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Comic Blog


Donnerstag, 02. Januar 2025

WEIHNACHTSGESCHICHTEN VON MITTÉÏ

Filed under: Klassiker — Michael um 15:52

WEIHNACHTSGESCHICHTEN VON MITTÉÏEin Halunke betritt den kleinen Ort. Wir befinden uns irgendwann im Mittelalter, die Menschen sind gutgläubig, glauben noch an Zauberei und die Magie von Weihnachten. Ein guter Mensch ist er nicht, der Reisende und bei erster Gelegenheit wird ein Mann, der um ein paar Groschen bettelt, zurechtgewiesen und bedroht. Der Halunke will nichts hergeben, er will etwas einsacken und hat sich dazu einen Trick einfallen lassen. Doch dazu braucht er zwei Gesellen, die ihm helfen. In einer Kneipe findet er zwei Helfershelfer, doch die sind bereits ziemlich betrunken …

Es gibt ein paar klassische Comic-Zeichner, die gehören einfach in die Riege der Top-Künstler ihres Fachs. Einer davon ist JEAN MARIETTE alias MITTÉÏ. Für das Magazin TINTIN schuf er in den 1960er Jahren herzerwärmende Geschichten und Illustrationen sowie Comics zum Thema WEIHNACHTEN. Dazu entführte er gerne in mittelalterliche Vergangenheiten oder auch in literarische Umgebungen im Sinne der berühmten WEIHNACHTSGESCHICHTE von CHARLES DICKENS, der Weihnachtsmär schlechthin. Wenn sich MITTÉÏ jedoch im Umfeld seiner eigenen Epoche bewegt, weiß er aus meiner Sicht noch mehr zu gefallen und die geweckten Emotionen werden deutlich stärker angeschubst.

WEIHNACHTEN À LA DICKENS ist mein Favorit im hier gezeigten Potpourri von MITTÉÏs Einfällen. Es ist zugleich eine Geschichte, die am besten in unsere Zeit passt, da Armut, im Speziellen Kinderarmut, eines der großen Themen unserer Gesellschaft ist. Ein Lastkraftwagen mit einer großen Ladung voller Sachen, die Weihnachten schöner machen können, kommt in einer Winterlandschaft von der Straße ab und fällt einem kleinen Jungen sozusagen vor die Füße. Anstatt die Ware wieder einzusammeln, überlässt der Besitzer der Waren dem Jungen die komplette Ladung.

MITTÉÏs Arbeiten reichen, wie kurz angedeutet, weit über den normalen Comic hinaus. In großformatigen Illustrationen, aquarelliert, teils getuscht, teils ungetuscht, zeigt er die wunderbare Bandbreite seines Könnens, denn selbst hier variiert er, wandelt den Stil seiner Figuren oder Kulissen. Der WEIHNACHTSMANN ist natürlich ein beliebtes Motiv. Fliegt dieser gerade nicht über den nächtlichen Weihnachtshimmel, liefert er sich sogar auf verschneiter Piste ein Wettrennen mit einem Rallyerennwagen. Und ganz gleich welches weihnachtliche Thema MITTÉÏ sich vornimmt, stets gelingt es ihm, eine schöne, friedvolle Atmosphäre aufzubauen, herzlich, aber oft auch mit viel Humor. Ein Bild mit Weihnachtszwergen in einem (das gehört eben dazu) verschneiten Wald ist ein schönes Beispiel für diese Behauptung.

Darüber hinaus zeigt MITTÉÏ sein Wimmelbildtalent. Eingangs findet sich eine Illustration aus den 1990ern, im Innenteil greift er diese Technik einmal mehr auf. Welche Figur macht hier was, wohin sind sie unterwegs? Findet sich vielleicht jemand, der oder die aus bestimmten Publikationen her bekannt ist? (Ja, gibt es. Gut hinschauen!) Neben märchenhaft (wie in den Geschichten WEIHNACHTEN MIT DUDELSACK, HOLZSCHUHE FÜR CRYSTAL oder DIE DREI STILLEN MESSEN, um nur ein paar zu nennen), literarisch und modern wird es nie vollends gefühlsduselig oder übertrieben feierlich. Im Gegenteil: In DIE DREI STILLEN MESSEN wird ein sündiger Pfarrer dazu verdonnert, noch 300 Christmetten zu lesen, andernfalls ist der Himmel für ihn passé. MITTÉÏ setzt mehr auf das menschliche Element, genauer Mitmenschlichkeit, so zum Beispiel in WEIHNACHTEN UNTER DER BRÜCKE, wenn Obdachlose, die sowieso sehr unter dem Winter zu leiden haben, dennoch ein (halbwegs) schönes Fest erfahren.

Besonders interessant (auch ein wenig kurios) ist die Geschichte DER ROTE WEIHNACHTSBAUM. Ein Junge mit einer gewissen Form der Farbblindheit hat noch nie einen GRÜNEN Weihnachtsbaum gesehen. Das ist so lustig wie weihnachtlich und könnte glatt eine Episode (von vielen) aus dem Leben von JACKY sein. Das ist in seiner erzählerischen Einfachheit und gleichzeitigen emotionalen Effektivität ziemlich bewundernswert.

Nicht alle vom Meister MITTÉÏ selbst geschrieben (aber die meisten), doch komplett illustriert, in einer feinen, und beschaut man sich die Comic-Landschaft, immer noch zündenden Stilistik mit Vorbildcharakter. MITTÉÏ zeigt hier verschiedene Techniken und kann mit jeder überzeugen. Kurzgeschichten, größere und kleinere Grafiken bieten etwas für das Auge und, natürlich passend zur beschriebenen Jahreszeit, für das Gefühl. Für Sammler und ganz besonders für Comic-Freunde! Sehr schön!!! 🙂

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