Montag, 29. Januar 2024
Die Anlage scheint verlassen zu sein. Die amerikanischen Soldaten, die auf der Suche nach Vorräten und Material sind, haben nicht mit diesem Fund gerechnet. Bereits seit drei Jahren harren sie in dieser menschenfeindlichen Umgebung, einer Insel weitab vom Schuss, irgendwo in tropischen Gewässern, aus. Dinosaurier, eigentlich längst ausgestorben im Rest der Welt, trachten ihnen jeden Tag nach dem Leben. Der Fund einer hermetisch abgeriegelten Forschungsstation ist da ein großer Lotteriegewinn. Das Hochgefühl verflüchtigt sich bald, da sie merken, was sie da gefunden haben. Ersten Aufschluss geben einige noch intakte Bruttanks. Kurz darauf müssen sie leidvoll feststellen, dass sie nicht alleine sind …
FRANK CHO hat im Prinzip den FRANKENSTEIN-MYTHOS umgedeutet. SHANNA ist nichts anderes als ein Experiment unter der Prämisse, ob der Mensch Leben erschaffen kann. Okay, FRANK CHO ist Amerikaner und als solcher in der Unterhaltungsindustrie auch leicht dabei, irgendwelche Nazi-Forschungen als Ausgangspunkt zu nehmen. Damit wandelt er auf den Spuren von STEVEN SPIELBERG und seines INDIANA JONES, aber auch in den Fußstapfen von Comic-Charakteren wie DANGER GIRLS oder HELLBOY. Ein wenig kann SHANNA auch als eine Art weißhäutiger SHE-HULK umschrieben werden. Nicht umsonst hat die hier in einem Band zusammengefasste Miniserie den Zusatztitel THE SHE-DEVIL! Es gibt also durchaus Parallelen und eine gewisse Comic- oder Popkultur in die Richtung einer Geschichte um SHANNA.
Die Handlung ist streng umrissen, der Handlungsort eingeschränkt. Für die Charaktere heißt das in erster Linie: Kein Entkommen möglich! Jedenfalls nicht ohne Hilfe von außen. Mit SHANNA kommt die Hilfe von innen. Ähnlich wie ein TARZAN muss sie den Umgang mit Menschen erst lernen. Ein wenig Zivlisation, denn mittels ihrer Kraft und Geschicklichkeit weiß sie sich bereits gegen Monster durchzusetzen. Aber auch gegen übergriffige Männer. Das sind amerikanische Soldaten, die es auf dieses ferne Eiland verschlagen hat. JURASSIC PARK (und später JURASSIC WORLD) haben den Weg für DINOSAURIER neu geebnet. Ein starke Frau wie SHANNA braucht entsprechende Gegner. Deshalb hat sich FRANK CHO gleich zwei Spitzenpredatoren der Urzeit herausgepickt: den TYRANNOSAURUS REX und den VELOCIRAPTOR (und den gleich dutzendweise).
Hier wird mit ACTION nicht gekleckert, hier wird wirklich geklotzt. FRANK CHO, als Autor und Zeichner hier vertreten, ist nicht nur ein perfekter PIN-UP-KÜNSTLER, er ist auch ein ILLUSTRATOR vom Format eines TERRY DODSON. Man könnte seinen Stil einen idealisierten Realismus nennen. Alles ist noch etwas größer, schöner (sogar die Monster). Letztere werden neben SHANNA stark in Szene gesetzt und nicht gerade mit einem Weichzeichner. Hier werden Raubtiere, Fleischfresser, ins Zentrum der Handlung gerückt und natürlich kommt es auch zu Begegnungen zwischen den Sauriern, die sich hinter Leinwandszenen nicht zu verstecken brauchen. Aber besonders beeindruckend ist es natürlich, wenn sich SHANNA in bester TARZAN-Manier den Sauriern stellt (besonders gegen einen T-REX). Unter dem Strich ist das bestes B-MOVIE-ACTION-COMIC. Bedeutet: Hirn ausschalten, Spaß haben.
Ein COMIC-ACTION-Abenteuer von FRANK CHO, einem Illustrator, der zur ersten Garde seiner Zunft gehört, gleichauf mit Leuten wie JIM LEE, DAVID FINCH oder TERRY DODSON. Ein weiblicher TARZAN trifft auf JURASSIC PARK. Fights der Extraklasse, ultrafiese Saurier zuhauf und eine Handlung wie Achterbahnfahrt von Anfang bis Ende. Spitzenmäßige Grafiken! 🙂
Nur noch Second Hand erhältlich.
Donnerstag, 18. Januar 2024
Ein kleiner Junge hat einen großen Traum. Spät in der Nacht bastelt er an seiner Rakete, die ihm nicht einmal bis zur Brust reicht. Aber sie soll hoch hinauf, so weit wie irgend möglich. Er hat die Maße, das Gewicht, den Treibstoff berechnet und nun scheint der richtige Zeitpunkt gekommen, der Point Of No Return. In seinem Zimmer finden sich viele Hinweise auf seine Interessen und Träume. Modelle aus der Fliegerei, doch viel mehr zeigen die Raumfahrzeuge der NASA. Solche, die es bis zum MOND geschafft haben oder solche, die einen regelmäßigen Flugbetrieb in den Orbit gestatteten, das SPACE SHUTTLE. Der Junge schleicht sich aus dem Haus, immer noch mitten in der Nacht, denn seine Ambitionen (das sind sie für ihn, nicht bloß ein Hobby) werden nicht gern gesehen. Auf einem Hügel angelangt, wird die kleine Rakete in Stellung gebracht, ein Streichholz entzündet die Lunte und dann…
LARGO WINCH bedeutete von Anfang an, als Comic-Leser einen Thriller in den Händen zu halten, der mit internationalem Flair spielt. LARGO-WINCH-Erfinder, der Autor JEAN VAN HAMME legte die Figur zunächst als Romanhelden an, bevor ein Comic-Charakter aus ihm wurde. Inzwischen hat JEAN VAN HAMME den Stift, sprichwörtlich, an seinen Autorennachfolger ÉRIC GIACOMETTI übergeben, der das gesamte LARGO-WINCH-Universum hervorragend verstanden hat und die Mischung aus Agenten- und Actionszenarien, Hochfinanzdramen, Familiengeschichten und amorösen Abenteuern perfekt fortführt. So auch im 24. Band, DAS GOLDENE ZENTIL.
Die Zeiten von Begriffen wie DIE OBEREN ZEHNTAUSEND haben sich längst überlebt. Geld ballt sich noch viel mächtiger, wie es der Leser von den besonders extravaganten Milliardären in den Nachrichten oder den Boulevardmagazinen verfolgen kann. In diesem Bereich ist DAS GOLDENE ZENTIL angesiedelt. JAROD MANSKIND ist im vorliegenden Thriller einer jener Milliardäre, die das Abenteuer der Menschheit ins All vorantreiben wollen, sozusagen die letzte halbwegs unberührte Spielwiese für reiche Menschen. Und ganz so, wie sich in den (echten) Nachrichten für den Leser anhören mag, wenn von Siedlungen auf dem MARS fabuliert wird, so ist die Wirkung auch hier: Könnte, ja. Braucht man’s? Hm. Na, der Mann ist reich, lasst ihn reden und wir klatschen.
Bisher – und dieses Rezept wird hier fortgeführt – hat sich LARGO WINCH immer vor der Kulisse der realen Welt bewegt, Szenarien oder Ideen weiter erzählt. Mancher Leser fragt sich vielleicht, ob einem brisant reichem Menschen etwas Ähnliches widerfahren kann wie zu Beginn von DAS GOLDENE ZENTIL (der Fortsetzung zu Band 23, HINTER DER KARMAN-LINIE). Wer aber einen Blick auf die Schicksale solcher (echter) Charaktere wirft, stellt fest, wie leicht selbst jene in fremdbestimmte oder selbst gewählte Schwierigkeiten kommen, deren Verlauf oft thrillertauglich ist. So viel zum starken INTRO dieses ABENTEUERS, ohne die SPOILER auszupacken. 🙂 Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass ÉRIC GIACOMETTI die verschachtelte Erzählweise eines JEAN VAN HAMME mit unterschiedlichen Handlungssträngen so versiert wie respektvoll aufgreift und umsetzt.
Mit PHILIPPE FRANCQ ist der langjährige LARGO-WINCH-Zeichner am Start, der dafür bekannt ist, feinlinige, äußerst fragil wirkende Bilder zu gestalten, in denen es vor Details manchmal geradezu wimmelt. Manche Zeichner würden eine Gebirgskette, einen Fluss, einen Wald oder auch eine Skyline mit wenigen Strichen hinwerfen, erst recht, wenn sie wirklich nur Kulisse sind und der Fokus der Szene ganz woanders liegt. Bei PHILIPPE FRANCQ verhält es sich nicht so. Hier werden Felsspalten und – absätze herausgearbeitet. Bei Veranstaltungen muss noch der Gast in der hintersten Reihe als Mensch erkennbar sein (und das ist superwinzig). In langjährigen Computerzeiten ist eine Arbeit in solchen Dimensionen natürlich kein Problem mehr. Dass sich jemand die Mühe macht, diese Einzelheiten so herauszuholen, aber schon.
PHILIPPE FRANCQ geht entsprechend in die Technik hinein. Obwohl die Geschichte mit dem Weltraum zu tun hat, sind die grafischen Knaller hier nicht zu finden. Die finden teils mehr in der Luft statt (vor allem im finalen Run gibt es eine starke Sequenz, die ich sonst so noch nirgendwo gesehen habe und verdammt dramatisch ist). Hubschrauber heißt das Zauberwort. Hier kann PHILIPPE FRANCQ vom Leder ziehen, während er ansonsten immer auf der Suche nach der perfekten Kameraeinstellung für eine Szene ist (und diese auch stets findet).
Ein LARGO-WINCH-Abenteuer ist ein verlässlicher Thrillerkracher. ÉRIC GIACOMETTI (anstelle von LARGO-WINCH-Erfinder JEAN VAN HAMME) begleitet als nicht mehr ganz neuer Szenarist Band 24, DAS GOLDENE ZENTIL, und führt LARGO WINCH alles andere als sprichwörtlich in ungeahnte Höhen. Die Charaktere besitzen (wie sich für die Reihe gehört) Tiefe, sind greifbar, gerade so, damit Sympathie oder Antipathie für den Leser funktionieren. PHILIPPE FRANCQ ist als Comic-Illustrator nach jahrzehntelanger Tätigkeit so versiert, dass man als Comic- Thriller-Fan nur noch genießen muss. Empfehlenswert! 🙂
LARGO WINCH 24, DAS GOLDENE ZENTIL: Bei Amazon bestellen.
Oder bei Schreiber und Leser.
Donnerstag, 04. Januar 2024
Willkommen in Amerika! Der Erste Weltkrieg ist vorüber. Die Welt wankt erneut, diesmal unter der Weltwirtschaftskrise. In dieser Zeit will eine junge deutsche Rennfahrerin eine großartige Leistung vollbringen, eine WELTUMRUNDUNG mit dem AUTOMOBIL. SIGRID HASSLER hat Glück, sie findet einen Sponsor für ihre kühne Idee und ebenfalls ein Fahrzeug für die lange Reise, einen ADLER STANDARD 6. Die Fahrt beginnt in Deutschland, führt ein vergleichsweise kurzes Stück nach LE HAVRE, wo das Fahrzeug in einen Dampfer nach NEW YORK verfrachtet wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die Reise alles andere als störungsfrei und richtige Schicksalsschläge lassen nicht lange auf sich warten. Und das ist erst der Anfang…
Basierend auf den echten Leben der CLÄRENORE STINNES (1901-1990) und ihrer wahrhaftig stattgefundenen Weltumrundung per Automobil von 1927-1929 haben sich ERIK ARNOUX (Autor, Storyboard) und DAVID MORANCHO (Zeichner, Farben) daran gemacht, ein Szenario zu entwerfen, das den Leser fast 100 Jahre zurückwirft, in eine Zeit, da die Moderne bereits im folgenden düsteren Zweiten Weltkrieg durchzuschimmern beginnt. Aber vorerst ist da nur ein Schimmer. Die einen gehen in einer Aufbruchsstimmung auf, die anderen hängen einer grauenhaften Vergangenheit nach, teils aus Selbstmitleid, teils aus Hass, teils aus beidem. Wieder andere in der deutschen Heimat sehen in einer Frau, die es wagt, in einem Automobil um die Welt zu reisen, ein perfektes politisches Aushängeschild. Das ahnt SIGRID HASSLER aber nicht.
Für sie steht das ABENTEUER im Vordergrund und der Wunsch, am Steuer eines Automobils zu sitzen. Von der POLITIK merkt sie, sobald sie losgefahren ist, erst einmal nichts. ABENTEUER jedoch bekommt sie ziemlich bald, mehr als ihr lieb ist. Denn für SIGI geht es um Leben und Tod. ERIK ARNOUX praktiziert einen kleinen Serientrick zu Beginn der Geschichte. Er springt mitten hinein, in einen besonders gefährlichen Moment, bis zu einem bestimmten Punkt, an dem der Leser (oder vergleichsweise im Stream der Zuschauer) angefixt ist, und hüpft dann an den Anfang, um zu zeigen: Wie konnte es so weit kommen? Das funktioniert hier ebenfalls, denn der Kontrast zwischen der abenteuerlichen Sequenz und der Ausgangssituation ist immens. Spätestens jetzt weiß der Leser, dass für SIGRID HASSLER alias SIGI nicht nur ein Abenteuer startet, sondern dass sie ebenso einen regelrechten Weltensprung hinlegt.
Der Kontrast könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite ein winterliches Berlin, Drama und Action auf der Rennstrecke, ein wenig Nachtclubflair und einiges mehr. Auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten von Amerika, aufgeteilt in den modernen Osten und den Westen, der noch mit einem Bein in der wilden Ecke steht, Lynchjustiz eingeschlossen. Das ist von DAVID MORANCHO großartig in Szene gesetzt. Wer ein Comic-Freund von historischen Szenarien ist, wird sich über die optische Abwechslung freuen. Durch den Lebensweg von SIGRID HASSLER alias SIGI entsteht ein breiter Bilderbogen, der nostalgisch anmutet, aber keineswegs sentimental ist oder etwas glorifiziert.
Der Auftakt der Geschichte, in Deutschland, ist mehr ein Prolog, denn ERIK ARNOUX und DAVID MORANCHO wissen höchstwahrscheinlich, dass Vorweltkriegsszenarien in den letzten Jahren sattsam abgehandelt wurden und ein Blick über den großen Teich (und später die Weltreise) für den Leser weitaus interessanter ist. So fällt die Gewichtung eindeutig zum amerikanischen Abenteuer hin aus. Und hier findet ein weiterer Trick statt (kein neuer, der aber schon häufiger funktioniert hat und so auch jetzt): Eben befand sich SIGI noch in einer zivilisierten Umgebung, (wo eigentlich mehr die Bürokratie das Heft in die Hand genommen hatte) und plötzlich herrscht Willkür vor. Da entsteht sehr rasch Spannung, auch eine, die sich über die gesamte Länge der Geschichte hält.
DAVID MORANCHO pflegt einen grafisch federleichten Realismus, der nichts in falschen Schatten versteckt. Haltungen, Perspektiven, Gesichter, Mimik werden penibel ausgeführt, jedes Bilddetail ist erkennbar und deutlich. Auffallend ist, dass DAVID MORANCHO gerne mit Farbstimmungen zu arbeiten scheint, nicht nur, wenn es eine bestimmte Tages- oder Nachtzeit abzubilden gibt. Desweiteren verwendet er gerne sanfte Farbtöne. Hier knallt einem nichts entgegen. Das Farbenspiel versucht einen historischen Eindruck zu imitieren, wie eine verblassende Fotografie oder ein Film. Teilweise ist die Anspielung sogar klar zu sehen, zum Beispiel wenn in kurzen Abrissen die Folgen der Weltwirtschaftskrise in bräunlich kolorierten Grafiken abgehandelt wird (SIGI hat einen Fotografen dabei, der ihre Reise dokumentieren soll, demzufolge ist die optische Darstellung sehr gut eingefügt).
Für Freunde historischer Abenteuer in der Neuzeit, als die Welt auf einem Kipppunkt stand, in der westlichen Zivilisation noch nicht alles auf der gleichen Höhe rangierte. In dieser Epoche wagt sich eine junge Frau, SIGRID HASSLER alias SIGI, mit Fotografen auf die langwierige und gefährliche Reise rund um die Welt, mit dem Automobil. Abwechslungsreich und feinfühlig von ERIK ARNOUX erzählt, feingliedrig und realistisch von DAVID MORANCHO illustriert. Sehr schöner Serienauftakt! 🙂
SIGI 1, OPERATION BRÜNNHILD: Bei Amazon bestellen.
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