Es nicht so, als hätte sich der Killer noch nie versteckt gehalten. Und Einsamkeit war noch nie sein Problem. Er agiert gern allein, auf sein Ziel konzentriert. Das schätzen seine Auftraggeber an ihm, ist es doch eine Art Erfolgsgarantie. Aber so weit vom Schuss von allem, in einer winterlichen Landschaft, in einem Haus, dessen nächste Nachbarn irgendwo verborgen zwischen den schneebedeckten Höhen und Tiefen zu finden sind (und nicht gefunden werden möchten), war der DER KILLER lange nicht. DER KILLER findet diese Menschen in seiner Umgebung, er registriert sei, hält sich jedoch fern, obwohl alles nach einer unbarmherzigen Tragödie aussieht und andere sich vielleicht einmischen würden.
Manche Versuche, sich vom Leben fern zu halten, sind zum Scheitern verurteilt, wenn das Leben, genauer andere Menschen, nach Auswegen suchen und diese zwangsläufig den eigenen Weg kreuzen. In diesem Fall, den Weg des KILLERS. Hier sind es zwei Kinder, die in sein Haus einbrechen. Ihren Häschern entronnen, suchen sie nach einem Versteck. DER KILLER ist vorläufig bereit, ihnen in ihrer Verzweiflung das Versteck zuzugestehen. Denn, was wäre die Alternative?
Diese Überlegung überlässt MATZ, der SZENARIST, dem Leser. Nach allem, was der Stammleser vom KILLER weiß (und der Gelegenheitsleser sich bereits an diesem Punkt denken kann), bleiben nicht viele Möglichkeiten. Zumal DER KILLER durch seine Auftraggeber ein gewisses Handicap hat, weil er im Sinne einer überordneten Gerechtigkeit arbeitet. Will man es so umschreiben. Andere würden sagen: Er killt im Regierungsauftrag, weil er ansonsten selbst von der Bildfläche verschwindet. Auf die eine oder andere Art. Seine Auftraggeber sind nicht zimperlich und wissen (und besonders) eine öffentlichkeitswirksame Auftragserfüllung zu schätzen.
Das ist die eine Seite des KILLERS, die MATZ dem Leser zeigt. Letztlich ist es die Seite, die DER KILLER auch seinem Umfeld offenbart. Die andere Seite ist der sezierende Blick. Diesen legte er schon oft an den Tag, seine Sicht auf die Welt. Hier erreicht er einen Höhepunkt, einen Mix aus Philosophie, Psychologie und beruflichem Scharfsinn. Und nach und nach zieht er den Leser (wieder einmal, nicht immer und nicht grundsätzlich) auf seine Seite. Plötzlich erscheinen die Ziele seiner Aufträge gerechtfertigt, scheint es einen moralischen Anstoß zu geben, der alles, auch Mord als Rache und Prävention, an Vergeltung tolerieren lässt.
LUC JACAMON ist und bleibt der Comic-Zeichner von DER KILLER. Es gibt viele Comic-Helden (oder nennen wir sie Hauptfiguren). Viele sind mit einem markanten Äußeren gekennzeichnet, besitzen eine auffällige Versehrtheit, einen Tick oder ähnliches. Es macht sie unverwechselbar und lässt sie aus der Masse herausragen. Ganz anders DER KILLER. JUC JACAMON hat eine Figur geschaffen, die untertaucht, verwischt, unscheinbar ist. Deren Markenzeichen eine Brille ist. Wahrscheinlich würde so jemand gänzlich in der Menge verschwinden, sobald die Sehhilfe abgesetzt wird. Ansätze hiervon sieht der Leser, wenn DER KILLER seine Aufträge vorbereitet und sich so verhält wie manch anderer, als Tourist, Passant. Fast ein robotisches Aussehen, deren Mimik selten Emotion verrät.
Das macht den KILLER auch zur Leinwand, zur Projektionsfläche (wie es neudeutsch heißt). Die Erzählweise, Off-Text und Bildwahl, machen kein Geheimnis daraus, dass dieser Effekt gewünscht ist. Dem KILLER nicht nur über die Schulter schauen, sondern sich mit ihm identifizieren. Aber nicht mit der Barachialgewalt des Action-Kinos, sondern leise, behutsam, Schritt für Schritt, bis die Grenze überschritten ist und das Vorgehen des KILLERS sogar gutgeheißen wird. MATZ ist als Erzähler ein schlauer Fuchs!
LUC JACAMON lässt darüber hinaus die Bilder sprechen. Was sehen wir, was sieht DER KILLER? Da gibt es, wie in den Texten, auch etwas zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn etwas normal wirkt und dennoch eine Bedrohung spürbar ist, ohne dass diese sich direkt einordnen oder benennen lässt. Das unterstreicht die Unvorhersehbarkeit der Handlung, auf die sich DER KILLER auch stets aufs Neue einzustellen hat.
Starker vierter Band, fast ein Neustart innerhalb der SECRET AGENDA. Eine sehr düstere Episode, obwohl sie anfänglich nicht so erscheinen mag. Der Leser wird hier ausdrücklich gefordert, das Kopfkino springt an. Ein fieser Trick von MATZ, wieder aufs Feinste von LUC JACAMON illustriert. Ein perfekter Comic-Thriller! 🙂
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