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Comic Blog


Freitag, 17. Februar 2023

CÉZEMBRE 2 – FREIE LUFT

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:16

CÉZEMBRE 2 – FREIE LUFTDie Wochenschaunachrichten sind in schwarzweißen Bildern gehalten. Ton haben sie nicht. Trotzdem sind die Jungen neugierig darauf, was sie gleich sehen werden. Dezember 1939. Es ist ihnen verboten, den Projektor alleine zu benutzen. Aber sie riskieren es. Die Bilder zeigen ihnen den deutschen Überfall auf Polen. Moderne Technik trifft auf verzweifelte Gegenwehr. Doch ein altmodische Kavallerie hat gegen Sturzkampfbomber keine Chance.

SAINT-MALO, August 1944. Die deutsche Besatzung ist unter Druck. Amerikanische Streitkräfte rücken weiter vor. Ein Glück für die Bevölkerung der französischen Küstenstadt, sollte man meinen. Aber die Bombardierung der Alliierten fordert viel von der Franzosen. Persönliches Leid, persönliche Verluste. Wer sich in französischen Augen schuldig gemacht hat, muss öffentliche Demütigung fürchten. Wer sich als Frau mit Deutschen eingelassen hat, wird geschoren und zur Schau gestellt. Manche wolle lieber die Flucht ergreifen und einen Weg zur Insel Jersey suchen, wo die Wehrmacht immer noch die Stellung hält.

CÉZEMBRE hat natürlich Kampfgeschehen, aber viel mehr noch hat es Drama, Drama, Drama. Menschen sehen ihr Hab und Gut verbrennen. Deutsche Soldaten sind verblendet genug zu glauben, sie könnten die amerikanischen Streitkräfte besiegen oder immerhin zurückschlagen. Dabei sind es die immer häufigeren Angriffe amerikanischer Flugzeuge, die sie eines Besseren belehren sollten. NICOLAS MALFIN, als Autor und Zeichner gleichermaßen für CÉZEMBRE verantwortlich, beleuchtet hier die Endphase der Befreiung von SAINT-MALO, basierend auf historischen Fakten. Der redaktionelle Teil im Anhang gibt hier textliches Begleitmaterial und Originalfotografien zur Vertiefung der Geschehnisse.

Der große Kampf, Vormarsch und Schlacht um SAINT-MALO, ist der Rahmen für mehrere Einzelschicksale, die sich teils kreuzen, teils unabhängig voneinander stattfinden. Während die Hoffnung wächst, weil sogar Paris zwischenzeitlich befreit wurde, ist eine der Hauptfiguren, Francoise, noch mitten im Gefecht und in höchster Gefahr. Und ausgerechnet ein Verräter könnte zu ihrer Rettung beitragen. NICOLAS MALFIN erzählt seine Geschichte außerordentlich dicht. Hier wird kein Platz, kein Wort, kein Bild verschenkt. Die Dramaturgie lässt keine Zeit zum Luftholen. Das ist hier ist ein echter Page-Turner!

Dennoch entsteht zu keiner Zeit der Eindruck, NICOLAS MALFIN habe den historischen Ereignissen seinen eigenen Stempel aufgedrückt. Hier ist nichts drüber oder extrem actionlastig inszeniert. Wer hier eine Art Kriegsfilmästhetik vergangener Art (wie z.B. DIE BRÜCKE VON ARNHEIM, DER ADLER IST GELANDET) oder von neueren Versionen (wie z.B. DUNKIRK, IM WESTEN NICHTS NEUES) sucht, der sucht vergebens. Hier menschelt es im besten Sinne, teilweise bis zur allerletzten Sekunde. Echtes Drama kann eben nur von echten Charakteren getragen werden.

NICOLAS MALFIN ist hierzulande hauptsächlich durch GOLDEN CITY bekannt, einem Science-Fiction-Szenario, angesiedelt in nicht allzu ferner Zukunft. Seine grafischen Fähigkeiten bei der Darstellung zukünftiger Architektur und Technologie steht außer Frage. Da war es natürlich spannend zu sehen, wie er mit historischen Formen umgeht, städtischen Strukturen, Schiffen, Flugzeugen und anderem Beiwerk zu Erzählung des Dramas. Gleich die allererste Doppelseite kündet von einer intensiven Beschäftigung mit der vorliegenden Thematik. Eine weitläufige Ansicht von SAINT-MALO und seiner Hafenanlagen, der vorgelagerten Inseln zeigt, wie sehr das Gelände mit der Geschichte zwangsläufig verwoben ist. Angriffe, Verteidigung, Fluchten, Einzeldramen können keiner klaren Front folgen.

Im großen Ganzen entstehen viele kleine Schauplätze, in denen es keine Ruhe gibt. (Stichwort: Page-Turner) NICOLAS MALFIN ist prädestiniert mit seinen Gestaltungfertigkeiten, dieser Handlung eine Form zu geben. Allgemein sind seine Bilder überaus fein, zerbrechlich wirkend, angelegt. Die tatsächlichen Vorgaben, Kulissen, Technik und Gerät, Uniformen, Waffen, Landschaftszüge sind penibelst gezeichnet. Darüber hinaus ist es gespickt mit Details, seien der Flüchtlingstreck mit diversen Habseligkeiten, das Innere einer Kapelle mit der Abbildung eines Heiligen oder die deutschen Artilleriestellungen (um nur ein paar Beispiele zu nennen). Die Bilder von NICOLAS MALFIN sind ein Garant für eine fesselnde Atmosphäre, die viele Entdeckungen bietet.

Ein spannender, dramatischer und einfühlsamer Abschluss des Zweiteilers CÉZEMBRE. Perfektionistisch gestaltet, mit kinematografischem Blick. Toll. NICOLAS MALFIN darf sich gerne öfter an eigens geschriebene Projekte wagen. 🙂

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Samstag, 04. Februar 2023

DAS PIN-UP DER B-24 – Band 2 – NOSE ART

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:11

DAS PIN-UP DER B-24 - Band 2 – NOSE ARTGLENN BAXTER musste eine Bruchlandung in der Wüste hinlegen. Kurz danach betritt er ein weiteres Flugzeugwrack: ALI-LA-CAN, den B-24-Bomber, den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Erinnerungen werden heraufbeschworen. Und mehr noch, sie erwachen geradezu zum Leben, denn im Inneren des Wracks, von der Wüste wie konserviert, hat jemand die Kriegsgeschichte der drei Freunde, allesamt Besatzungsmitglieder von ALI-LA-CAN, aufgemalt. Bis zum heutigen Tag hat GLENN BAXTER nichts von diesen Bildern gewusst.

Man stelle sich vor: Es existieren Erinnerungen an eine Vergangenheit, die Freuden, die Leiden. Es finden sich sogar Erinnerungsstücke, die das Ganze zu zementieren scheinen. Doch plötzlich gibt es Hinweise, schließlich Beweise, dass so manches anders war, sehr bitter sogar und dass eine sehr böse Geschichte hinter allem zu finden ist. GLENN BAXTER hat im Zweiten Weltkrieg den Absturz seines B-24-Bombers überlebt. Aber ihm fehlen Details. Lange hat er nach dem Wrack des Flugzeug in der libyschen Wüste gesucht. Der Fund bringt ihm aber zunächst kein Glück, den er legt eine zweite Bruchlandung hin, 15 jahre später (siehe auch Band 1).

Die Erzählung aus Band 1, DAS PIN-UP DER B-24, ALI-LA-CAN, wird im zweiten Teil nahtlos fortgesetzt. Einmal mehr steht das Leben von GLENN BAXTER auf des Messers Schneide. JACK MANINI, verantwortlich für Text und Farben, entführt seinen Helden von Gegenwart in die Vergangenheit und verdeutlicht so, wie sehr sich die Ereignisse aus dem Krieg in GLENN BAXTER eingegraben haben. Bei aller Tragik ist sofort erkennbar, dass GLENN BAXTER offensichtlich nie wieder eine solche Freundschaft erlebt hat wie mit seinen Kameraden an Bord des Flugzeugs. Hinzu kommt die Liebesgeschichte der drei Piloten mit drei Krankenschwestern. JACK MANINI festigt diese Ereignisse auch für den Leser, nur um kurz darauf den Vorhang vor der verborgenen Wahreit zu lüften.

Die Erzählung von JACK MANINI steht insgesamt für Abwechslung und für ein dauerhaftes Anziehen der Spannungsschraube, nicht im Thriller- Sinne, sondern das Drama erfährt immer weitere Details, so dass in Kern die Figur des GLENN BAXTER immer durchsichtiger, menschlicher, greifbarer wird. Das ist bereits klasse. Grafisch verfeinert MICHEL CHEVEREAU diese Erzählung und steuert so ein wichtiges Element bei. Es ist der Wechsel der Zeiten, Vergangenheit und Gegenwart, Krieg in den 1940ern, Gegenwart zum Ende der 1950er Jahre, der einen beständigen optischen Reiz ausmacht. Dazu kommen vereinzelte grafische Brüche bei der Darstellung eines Notizbuches, Erinnerungen sowie der spätere (kurze) Sprung sogar in den Beginn der 1960er Jahre und ein völlig anderen Standort.

Das ist die Seite der Optik. Die andere Seite ist die Vielzahl der Charaktere, zu der auch das Flugzeug (Spitzname ALI-LA-CAN) gezählt werden darf. Zentriert ist natürlich GLENN BAXTER, der in gleich zwei Varianten auftritt. Einmal in der (relativ unbeschwerten, trotz Krieg) Vergangenheitsvariante, andererseits der von den Erinnerungen gezeichnete (fast schon gepeinigt) GLENN BAXTER, dessen Konstitution nach seinem zweiten Absturz in der Gegenwart immer weiter abnimmt. Die Charaktere sind allesamt höchst individuell angelegt und optisch, wie ich finde, ein wenig aus der Zeit gefallen. MICHEL CHEVEREAU bietet dem Leser keine Helden an, wie sie aktuell (häufig) die Leinwände bevölkern, sondern orientiert sich mehr an den Stars von einst. Gesichter, die auffallend einer Epoche oder einem künstlerischen Jahrzehnt zuzuordnen sind.

MICHEL CHEVEREAU arbeitet mit einer heimlichen Hauptdarstellerin. Zwar ist die B-24 namentlich genannt (im ersten Teil sogar mit Spitznamen im Untertitel), aber es leuchtet erst nach und nach ein, wie wichtig das Flugzeug ist. Es ist optischer Erinnerungsanker sowie ein zentraler Schauplatz der Geschichte. Man sieht sie zuerst als technisches Wunderwerk (ist für alles, was Menschen in die Luft befördern kann), später als zerfallenes Wrack in der Wüste. Und zu allen Gelegenheiten ist sie eine Bühne (und ein Schutzengel, der in einer Situation versagte, ein Element, das JACK MANINI genial mit seiner Geschichte verwoben hat).

Ein Drama, weniger eine Kriegsgeschichte. Es ist eher eine Geschichte über Menschen, die zufällig in den Krieg geraten und vor Herausforderungen gestellt werden, die ihnen alles abverlangen, was sie charakterlich zu bieten haben. Typische Kriegsszenen sind zu vernachlässigen. Ich mag die ruhige Erzählweise, die sich steigernde Tragik, die Spannung, die mit dem Lüften der Geheimnisse immer eine Stufe höher steigt. MICHEL CHEVEREAU trägt die von JACK MANINI erzählte Geschichte wunderbar mit seinen Bildern. Wenn den Gesichtern ihre jeweilige Emotionalität abzulesen ist, kann man nur sagen: Mission erfüllt! (In allen Belangen.) 🙂

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