Montag, 22. August 2022
Na, es ist Recherche, kein Einbruch, was FRANKA da auf die Beine stellt. Außerdem erwischt sie niemand und was bekanntlich keiner weiß … Sie ist geschickt. Eine Armbrust, eine Harpune, ein gezielter Schuss und schon ist ein Seil gespannt. FRANKA kann, ohne den Boden zu berühren und ohne gesehen zu werden, den gesamten Laden durchqueren. Doch schließlich braucht sie dennoch ein Versteck. Eine Ritterrüstung! Das ist die Lösung. Flink schlüpft sie in das metallene Ungetüm hinein. Nur um kurz darauf festzustellen, dass sie gefangen ist und vorerst nicht entkommen kann …
FRANKA arbeitet als Sekretärin im KRIMINALMUSEUM. Der Alltag wird mit kleinen Aufträgen, Hausaufgaben, so nennt es der Chef, interessanter. Da sich im Museum allerhand Kuriositäten befinden, soll FRANKA sich eine Armbrust ansehen, die für die Sammlung angeboten wurde. Das ändert nichts an der Tatsache, dass im KRIMINALMUSEM auch echte Polizeiarbeit geleistet wird. Und die ist nicht ungefährlich. Das erfährt FRANKA schnell am eigenen Leib.
Mit DAS KRIMINALMUSEUM schickte HENK KUIJPERS 1974 eine Heldin ins Comic-Rennen. Diese war aber noch nicht die Hauptfigur, als die sie heute, Jahrzehnte später, bekannt ist. Es gibt noch keinen deutlichen Fokus auf eine Figur, vielmehr verteilt HENK KUIJPERS die Handlung sorgfältig auf mehrere Charaktere. In der Folge setzt HENK KUIJPERS diese Figuren wie in einem Slapstick-Abenteuer ein. Je mehr es sich zum Finale zuspitzt, desto mehr kommt der Stein ins Rollen, desto mehr Chaos entsteht. Die Handlung schlägt hierbei ein scharfes Tempo an.
In DAS MEISTERWERK baut HENK KUIJPERS das FRANKA-Abenteuer schon anders auf. Hier gibt es vom Start weg eine eindeutige Zentrierung auf die Person von FRANKA. Insgesamt ist das Szenario ruhiger, was vielleicht auch daran liegen mag, dass es aus der Stadt hinaus aufs Land geht. Man fühlt sich ein wenig ältere Kinderhörspiele erinnert (plus eine Prise MISS MARPLE), in denen ein wenig die heile Welt zerbröselt. Aber eben nur ein wenig. Anfangs, das zeigt sich hier schön, war FRANKA noch nicht ganz so waghalsig. Ein zweites Aber: HENK KUIJPERS liebt es bereits hier, unterschiedlichste Orte in einer Geschichte miteinander zu verbinden, gerne auch in Rückblicken.
DAS GEHEIMNIS DES GEISTERSCHIFFS. Die Veröffentlichung dieses zweiteiligen Abenteuers startete 1977 in der EPPO, die Albumveröffentlichung startete 1979. FRANKA insgesamt startete noch früher. Trotzdem gibt es hier bereits Abenteuer, mit all ihren Haken und Wendungen, der besonderen Kintopp-Action, wie sie in den 1980er Jahren so populär werden sollte. HENK KUIJPERS legt in der zweiten Hälfte des Abenteuers (Untertitel: DIE RACHE DES FRACHTSCHIFFS) vermehrt Wert auf technische Gimmicks (wie Flugboote, Schiffe, Dschunken, Hubschrauber, ein Schiffswrack und vieles mehr). Abwechslung ist her Trumpf. Über Wasser, in der Luft, unter Wasser, exotisch schiffbrüchig. HENK KUIJPERS hält das Publikum in Atem, könnte man sagen.
Wer FRANKA bisher nicht kannte und den Band aufschlägt, wird sofort sehen, dass hier etwas anders ist. HENK KUIJPERS hat seine FRANKA über die Jahre weiterentwickelt und einem modernen Frauenbild angepasst. Anfangs ist FRANKA noch überaus putzig, körperlich sind die alle Figuren nocht sehr cartoon-orientiert. FRANKA hat Kulleraugen und wirkt nicht gerade wie ein ACTIONSTAR (der sie später bei vielen Gelegenheiten noch sein wird). Geblieben ist jedoch ihr Hündchen, BARS, und, ganz wichtig, gibt es bereits Ansätze des späteren wohl bekannten Wimmelbild-Looks. Denn HENK KUIJPERS liebt Kulissen in seinen Szenen. Neben der eigentlichen Handlung gibt es immer noch was zu entdecken.
Die Kolorierung arbeitet mit bonbonbunten Farben, setzt aber häufig einen dominierenden Farbton oder ein Farbthema ein. Das ist notwendig, denn die Zeichnungen von HENK KUIJPERS sind im besten Sinne fragil zu nennen. Manchmal sind die Figuren etwas püppchenhaft und wirken mitunter, je nach Charakter, als habe jemand aus dem echten Leben Pate gestanden. Denn hier werden die Figuren sofort einprägsamer, deutlicher, mit stärkerem Profil ausgestattet.
Ein schöner redaktioneller Teil im Vorfeld der hier versammelten vier Abenteuer rundet die erste GESAMTAUSGABE ab. HENK KUIJPERS zeichnete das erste FRANKA-ABENTEUER am Küchentisch und musste, wenn das Essen anstand, sein Arbeitsmaterial beiseite räumen. Aus diesem provisorischen Arbeiten hat sich bislang nicht nur ein professioneller Comic-Zeichner entwickelt, auch FRANKA kann auf 25 Alben zurückblicken. Eine echte Erfolgsgeschichte also!
Einerseits einer der wenigen Klassiker in der Comic-Landschaft, andererseits eine Serie, die sich kontinuierlich weiterentwickelt hat. In der ersten Gesamtausgabe entsteht nicht nur eine interessante Figur, man merkt schnell, dass HENK KUIJPERS von Ausgabe zu Ausgabe an FRANKA feilt. Feine Abenteuer für Jung und Alt im besten Sinne. Tolle Aufarbeitung der ersten vier Geschichten! 🙂
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Sonntag, 14. August 2022
Ein längst vergangener Krieg wirft weite Schatten in eine düstere Zukunft. Selbst die FESTEUNG DER EINSAMKEIT, der Rückzugsort von SUPERMAN, ist nicht davon verschont geblieben. Gemeinsam mit einer alten Bekannten und wieder gewonnenen Freundin, CHEETAH, macht sich DIANA alias WONDER WOMAN auf PEGASUS auf den Weg in den hohen Norden, ins ewige Eis. Abertausende Skelette, Relikte des Krieges, füllen die Flächen rings um die kristalline Festungsstruktur. Wie damals liegt der Schlüssel vor der Tür, so schwer, dass nur SUPERMAN ihn aufheben konnte. Und WONDER WOMAN, doch die hat noch lange nicht ihre vollen Kräfte zurück …
Ab in die dritte und vorletzte Runde der apokalyptischen SAGA um WONDER WOMAN: Die Heldin vergangener Tage geht den Geheimnissen um den Untergang der Menschheit auf den Grund. Die Lösung gefällt ihr nicht, schockiert WONDER WOMAN. Und die Lösung dürfte für den Leser sehr überraschend kommen. Da ist es umso genialer von DANIEL WARREN JOHNSON (Autor, Zeichner), einen Präsentator zu wählen, der fast emotionslos die Tragik der Geschichte enthüllt.
Rückblende. Hier entwickelt DANIEL WARREN JOHNSON einen der gnadenlosesten Kämpfe in der DC-Comic-Geschichte. (Und es hat verdammt viele gegeben, gerade in der jüngeren Vergangenheit, denn die Brutalität hat in der Superhelden-Branche gehörig zugenommen.) Inmitten dieses Gemetzels gestattet sich DANIEL WARREN JOHNSON einen Moment der Cartoon-Komik, der bleibt aber ein klitzekleiner Ausrutscher. Als wolle er sagen: Hey, Leute, alles halb so wild. Nehmt das hier nicht ganz so ernst.
Das wäre wünschenswert, denn das letzte Bild, passend zum theatralischen Auftreten WONDER WOMANS, wird ganzseitig ausgeführt. Die Rückblende zeigt keinen einfachen Kampf. Sie zeigt den Höhepunkt und das Ende eines Krieges. Es zeigt den Wahnsinn während der Schlacht, und es zeigt die Erkenntnis über den Wahn danach. Es zeigt, wie etwas zerbricht, wenn die eigenen Kräfte und die Vorgehensweisen in keiner Weise kontrolliert werden. Das ist eigentlich für einen Comic wieder viel zu ernst.
An der Qualität der Bilder gibt es nichts zu rütteln. DANIEL WARREN JOHNSON als Zeichner (und MIKE SPICER als Kolorist) halten es weiterhin ein wenig rebellisch, etwas punkig. Es finden sich Manga-Anleihen ebenso wie Stilistiken, die dem Zeichenstift eines GUY DAVIS (ALS DIE ZOMBIES DIE WELT AUFFRASSEN) entsprungen sein könnten. Darüber hinaus (das finde ich immer sehr gut) bekommt der Leser im Album auch das, was sich grafisch bereits auf dem Titelbild sehen lässt. Da ist Aufwand, ein gutes Auge, eine dramatische Seitenaufteilung. Da geht es auch mal ohne Worte zur Sache.
Starker dritter Band, perfektes Timing, gruselige Enthüllungen. Das Niveau wird gehalten, die Geschwindigkeit ist zügig, ohne Längen. Ein Weltuntergangsszenario, das es nach wie vor in sich hat! 🙂
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Samstag, 06. August 2022
KILLTOWN. 1964. Lohngelder. Eine Kleinstadt. Ein Weg hinein, auf demselben Weg wieder heraus. Über den State Highway 22. Polizei. Bewaffnete Wachen. Eine Telefonzentrale. Ein kurzes Zeitfenster, um den Job zu erledigen. Ein begrenzte Anzahl von Leuten kann es schaffen. Wenn alle den Anweisungen und dem Plan folgen. PARKER kann den Ärger riechen. Je mehr Leute mitmachen, desto mehr Fehler können passieren. PARKER überlegt. Es sind alles Profis. Wenn nur GROFIELD nicht dabei wäre. Der ist zwar auch ein Profi. Aber auch ein Frauenheld. Und ganz im Gegensatz zu PARKER weiß er nicht, wann es besser ist, die Finger von Frauen zu lassen …
PARKER ist der Prototyp eines Gangsters. Wortkarg. Misstraurisch. Fokussiert. Professionell. Effizient. PARKER tötet, wenn er muss. Wenn er befürchtet, ansonsten ans Messer geliefert zu werden. PARKER arbeitet deshalb nicht mit Zivilisten. Das sind die, die keine Gangster sind und nicht zur Polizei gehören. Als Profi will er andere Profis um sich herum. Davon gibt es eine ganze Reihe. Gelingt ein Coup und war die Zusammearbeit zufriedenstellend, kann sich ein Team schon mal für weitere Gelegenheiten zusammenfinden. Während der Planung und Ausführung eines Coups gibt es eine Regel: Keine Frauen. Die lenken nur ab. Anschließend jedoch sind sie höchst willkommen.
KILLTOWN lautet der Titel der ersten Geschichte. Zuerst wird dem Leser erklärt, wie der Raubüberfall richtig ablaufen soll. Die Planung ist penibel, die Leute sorgfältig ausgewählt und die meisten machen wirklich einen professionellen Eindruck. DARWYN COOKE arbeitete grafisch mit einem minimalistischen Stil, der verlangte, dass ein Charakter mit wenigen Strichen und Formen einzufangen war. So gelingt der Sprung in die 1960er Jahre hervorragend. Wer also bereits den ersten Band gelesen hat, wird hier wieder perfekt abgeholt.
Ja, es gibt Dialoge, die der Informationsvermittlung dienen. Aber hier erfüllen sie auch den Effekt des Stimmungsaufbaus. Wo gibt es Spannungen? Wer tanzt aus der Reihe? Wo passen Charaktere überhaupt nicht zueinander? Wo – na, lieber Leser – geht der Coup zuerst den Bach runter? Die Dialoge sind außerdem entkernt, auf das Nötige reduziert, ebenso wie es die Bilder, die Charakterköpfe sind. Und hier zeigt sich eine weitere Stärke der Geschichte – neben der straffen Erzählung. Manches funktioniert ohne Worte und ist trotzdem eingängig, spannend. Selbst Gesichter bieten Lesestoff. DARWYN COOKE wusste, wie Mienen auf einen Blick erfassbar werden.
ICH BIN DIE DRITTE LEICHE LINKS. Die zweite Geschichte ist farblich nicht nur anders unterlegt als KILLTOWN (ein helles Blaugrau anstelle eines kühlen Oranges), sie bietet außerdem ein völlig anderes Szenario. Im Gegensatz zum ersten Abenteuer ist hier der Coup bereits gelaufen und PARKER befindet sich auf der Flucht. Auf eben jener sucht er Zuflucht in einem Vergnügungspark, außerhalb der Öffnungszeiten. Wir befinden uns in BUFFALO, NEW YORK im Jahre 1969, Ort der Handlung: FUN ISLAND.
Allein gegen alle. So könnte ein Untertitel heißen. Ein besonderer Unterschied zum ersten Thriller: Hat der Leser PARKER zuvor noch als umgänglichen Charakter kennengelernt, wenigstens im Rahmen seines Gangsterumfeldes, agiert PARKER nun als derjenige, der er im Kern seines Wesens ist. Ein eiskalter Killer. Eine zahlenmäßige Übermacht lässt ihn nicht verzagen. Das Gelände wird genutzt, um den Feind zu bekämpfen. Zu Beginn nutzt er jeden Vorteil, er ist derjenige, der jagt. Im weiteren Verlauf wird er zur Beute, die sich erbittert wehrt.
Nein, PARKER ist nicht nett. Dennoch, und das ist der Kniff an der Sache, einerseits von DARWYN COOKE (Adaption), andererseits von RICHARD STARK (Autor der Vorlage). PARKER ist ein Mörder. Aber der Leser wird zum Mitfiebern gezwungen. Ganz anders als bei späteren Helden, die zwar auch Leute umlegten und immerhin Cops waren.
Die kantigen Züge PARKERS passen toll zu dieser Figur, zu DARWYN COOKE seine ganz eigenen Entwürfe angestellt hat. Gemäß der Ära, in der die PARKER-Geschichten handeln, hat sich DARWYN COOKE an altgedienten HOLLYWOOD-Schauspielern bedient. STEVE MCQUEEN taucht lediglich einmal als MUSTERSKIZZE auf und könnte eine prima Vorlage sein, hätte DARWYN COOKE mit einem BURT LANCASTER in seinen besten Jahren nicht die absolut perfekte Blaupause gefunden. Dessen Züge bricht DARWYN COOKE letztlich in seinen unverwechselbaren Zeichentrickstil herunter.
Eine Auswahl von Zeichnungen, die für Ausgaben von illustrierten Romanen genutzt werden sollten, zeigen deutlich, dass DARWYN COOKE es auch ausgefeilter angehen lassen konnte und wie penibel komponiert manches Bild war. Tolle Einblicke in den Schaffensprozess eines Ausnahmekünstlers. ED BRUBAKER, BRUCE TIMM und SCOTT DUNBIER erinnern sich außerdem in einem Gespräch an ihre Erfahrungen mit DARWYN COOKE.
Eine Kurzgeschichte, MORGEN, UND MORGEN, UND DANN WIEDER MORGEN (eine GROFIELD-STORY) kurz vor dem redaktionellen Teil rundet den Prachtband ab, der gleichzeitig die Werke von DARWYN COOKE um PARKER abschließt. Hier kommt wieder der erwähnte ED BRUBAKER ins Spiel. Gemeinsam mit SEAN PHILLIPS gestaltet er die Kurzgeschichte um eine der Nebenfiguren aus KILLTOWN. Das Künstler-Duo ist hierzulande bekannt durch SLEEPER und CRIMINAL, also erfahren in Sachen Thriller. Sie liefern ihre Arbeit als eine Art Verbeugung vor der Arbeit DARWYN COOKES ab. Gelungen, ja, detailfreudiger auf jeden Fall, aber bei weitem nicht so prägnant.
Eine großartige Zusammenstellung. Wie es schon im ersten Band der MARTINI EDITION der Fall war, präsentiert auch die zweite Ausgabe die abschließenden Werke DARWYN COOKES über den KILLER und BERUFSGANGSTER namens PARKER (geschaffen von RICHARD STARK). Ich behaupte, ein Leser kann merken, ob ein Comic-Künstler von einem Thema begeistert war. Hierin dürfte DARWYN COOKE aufgegangen sein. Das Ergebnis ist erste Klasse! Wer toughe Gangster-Geschichten mag, findet hier ein echtes Urgestein des Themas, im besten Sinne in einer Reihe mit Krimis aus der Schwarzen Serie Hollywoods. Empfehlenswert! 🙂
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