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Comic Blog


Dienstag, 07. September 2021

FEAR AGENT 3

Filed under: SciFi — Michael um 12:48

FEAR AGENT 3Gerade haben sich HEATH HUSTON und sein russischer Kumpel noch mit außerirdischen Kreaturen herumgeschlagen. Der Kampf gegen diese wie riesige Insekten aussehenden Monstren endete mit einem gewaltigen BLACKOUT. Das Erwachen war kein böses, eher ein seltsames. Plötzlich war da DER WILDE WESTEN. Menschen halfen ihm. Ein junge Frau päppelt ihn auf, verarztet ihn. Badet ihn. Und versucht ihn dann zu ersäufen …

Helden ist der Undank ein Lohn. Davon wusste schon TOWN MARSHAL WILL KANE (GARY GOOPER in 12 UHR MITTAGS) ein Lied zu singen. Und HEATH HUSTON, der FEAR AGENT, weiß es ebenfalls. Doch manchmal entscheidet sich das Schicksal anders und reagiert freundlicher als angenommen oder befürchtet. HEATH HUSTON landet im WILDEN WESTEN. Nicht ganz der WILDE WESTEN, der ihm von der ERDE her bekannt ist. Außerirdische COWBOYS gab es dort weniger (oder gar nicht). Aber HEATH HUSTON ist bereit, über dieses Detail hinweg zu sehen. Alles dort fühlt sich nach einer zweiten Chance an. Einer Chance an der Seite seiner geliebten Frau.

Blick zurück nach vorn. Wer ist HEATH HUSTON? Wann? Und wie viele? Es ist faszinierend, wie RICK REMENDER, Autor und mitunter auch Layouter von FEAR AGENT, mit den Gefühlen und Wünschen seiner Hauptfigur spielt, welche Realitäten und Zeitebenen er ihr zur Verfügung stellt, um sich fein und immer wieder ungewöhnlich zu entfalten. RICK REMENDER zeigt dem Leser hier, wie ein HEATH HUSTON sein könnte, wenn das Schicksal ihm eine neue Chance gibt. Und er zeigt, was ein HEATH HUSTON anstellt, der sich einen Deut um eine zweite Chance schert. Das wäre schon Stoff genug für ein Abenteuer. Was aber geschieht, zwei solche HEATH HUSTONS aufeinandertreffen?

Wie in den vorangegangenen Bänden besteht auch der dritte aus zwei Storylines, nämlich ICH GEGEN MICH und AUS DEM SCHRITT. Diese SPACE PULP SOAP ist deswegen so bemerkenswert, weil sie von Anfang an nicht auf ein Setting gesetzt hat, sondern direkt klar machte, dass in FEAR AGENT eine Geschichte nicht den üblichen Regeln folgt, sondern diese beugt und bricht, wo und wie es spannungs- und überraschungsfördernd ist. RICK REMENDER kann inzwischen auf ein reichhaltiges Comic-Portfolio zurückschauen. Vieles von ihm erschien bei MARVEL, IMAGE COMICS und DARK HORSE, aber auch anderweitig können Action-Fans auf ihn gestoßen sein, so zum Beispiel mit der Comic-Serie (und inzwischen auch Fernsehserie) DEADLY CLASS.

HEATH HUSTON ist einer dieser Charaktere, die irgendwann Amok laufen. Könnte man meinen. Die Voraussetzungen sind (reichlich) vorhanden. Die eigene Welt verloren. Ein komplettes anderes Volk ausgelöscht und das nicht richtig verarbeitet. Den Rest des Universums gegen sich. Die eigene Frau auch. Die Tochter ebenso. Und irgendwie trachtet ihm gefühlt sowieso jeder nach dem Leben. Warum also nicht den anderen zuvorkommen? Aber vorher noch zur Flasche greifen, ein wenig Selbstmitleid einstreuen und der eigenen Verzweiflung nachhängen. RICK REMENDER hat, objektiv betrachtet, vor dem Hintergrund des dritten Bandes, nicht gerade eine Sympathiefigur geschaffen. Trotzdem bleibt man als Leser bei HEATH HUSTON, denn der FEAR AGENT ist vor allem eines nicht. Er ist KEIN AUFGEBER.

RICK REMENDER ist ein Erzähler mit Blick für viele, viele Einzelheiten. Verweise in die Vergangenheit werden verarbeitet. Wechsel von Zeitebenen und Orten sind bei ihm Programm. Seine Serien sind nichts für Späteinsteiger. Man muss als Leser von Anfang an dabei sein. Die Rahmenhandlung im zweiten Teil des Bandes, AUS DEM SCHRITT, unterstreicht diese These. HEATH HUSTON ist alt geworden. Zeitreisen können einen menschlichen Körper über Gebühr beanspruchen (siehe auch Titelbild). Und sich dem Suff zu ergeben, macht es nicht besser. Aber als Leser leidet man mit HEATH HUSTON, einem Mann, der buchstäblich alles verloren hat. RICK REMENDER zeigt noch mehr. Denn der Glaube an einen solchen Zustand kann trügerisch sein. Tatsächlich kann man(n) noch mehr verlieren.

Ein Großteil der Zeichnungen entfällt auf TONY MOORE, sein Kollege MIKE HAWTHORNE übernimmt den Rest und gleichzeitig den leicht derben, anarchischen Zeichenstil, der gleichzeitig den Realismus mitnimmt und andererseits sich keine Grenzen auferlegen will. So ergeben sich organische, pulsierende Seiten, immer neu strukturiert. Als Leser gewinnt man den Eindruck, als nutze TONY MOORE (und MIKE HAWTHORNE) jedes dramatischen Thema, um eine neue Note in den Bildern anzuschlagen, FEAR AGENT optisch neu zu erfinden.

Starke SPACE OPERA mit vielen düsteren Untertönen, wie ein Tarantino mit Brecht gewürzt und einer Spur Wayne, einer Prise Pilcher (für die Liebe und die Familienszenen). Ein Page-Turner zweifellos allein schon wegen seiner packenden Geschichte. Optisch eine tolle Arbeit, weil es Spaß macht zu sehen, wie TONY MOORE eine Comicfigur prägt (und auch genüßlich durch die Mangel dreht). Würde mich nicht wundern, wenn eine Verfilmung von FEAR AGENT eines Tages bei einem Streamingdienst auftaucht. 🙂

FEAR AGENT 3: Bei Amazon bestellen.
Oder bei Cross Cult.

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