Die magische Reise von KÖNIGIN OLWYN und CAPTAIN ROOK geht weiter. ROOK betrachtet es weiterhin als ihre Aufgabe, die verzauberte KÖNIGON OLWYN zu beschützen. OLWYN hat sich in einen dunklen TIGER mit leuchtend blauen Streifen verwandelt. So weit, so verwunschen. Die Welt von ISOLA meint es nicht gut mit seinen Bewohnern, am wenigsten mit solchen, die heimatlos und besitzlos umherstreifen. OLWYN und ROOK finden kurzzeitig freundliche Aufnahme, machen sich jedoch bald wieder auf die Reise.
So ließe sich annehmen, dass den beiden ungleichen Gefährten auch ein weiteres Mal Glück beschieden ist. Weit gefehlt. Damit ist die Strähne vorüber. OLWYN und ROOK (insbesondere sie) machen einen großen Schritt Richtung Verderben. Denn sie haben eine Begegnung mit einer Frau, die nur vordergründig helfen will. Zu diesem Zeitpunkt verändert sich der Lauf der Handlung völlig. Aus einer furchtsamen Reise voller Entbehrungen wird ein Psychodrama, Magie inklusive, aber teilweise aus einer Perspektive, die zumindest für CAPTAIN ROOK ein wenig Sicherheit verspricht.
BRENDEN FLETCHER und KARL KERSCHL, die beiden Autoren von ISOLA, wandeln auf den Spuren von HÄNSEL UND GRETEL (Märchen allgemein) sowie CONAN. Im Kern geht es um die Hexenbegegnungen der Geschwister sowie des Barbaren. Beides wirkt zunächst einladend, friedlich und ist doch nichts anderes als eine geschickt eingefädelte Falle von jemandem, der sein einmal eingewickeltes Opfer nicht mehr ziehen lassen will. Aus unterschiedlichsten Gründen. Hier kommt das Psychodrama ins Spiel. Denn nicht jede HEXE hat schlichte Motive wie einen abartigen Hunger am Start. BRENDEN FLETCHER und KARL KERSCHL haben das Grundthema für ihre Zwecke konsequent weiterentwickelt, es dichter gesponnen, noch packender und, aus Sicht der Akteure, auswegloser.
In der ersten Hälfte, die übrigens auch den Neueinsteiger in die Geschichte mitnimmt, lernt man als Leser die Welt von ISOLA etwas besser kennen. Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung sind verbreitete Gefühle und werden nicht nur von KÖNIGIN OLWYN und CAPTAIN ROOK verinnerlicht. Verwandlungen sorgen für Leid (somit ist die KÖNIGIN als verzauberter TIGER nicht alleine mit ihrem Schicksal). Lebensfreundliche Gefilde sind schwer zu finden in einem Umfeld aus Halluzinationen und Lügen.
KARL KERSCHL ist nicht nur Autor, er ist auch als Zeichner an Bord. Im Verbund mit MSASSYK ist außerdem die Kolorierung entstanden. Neben einer ungewöhnlich aufgebauten Fantasy-Geschichte, die sich zwar einiger gängiger Bruchstücke des Genres bedient, darüber hinaus andere Wege beschreitet, ist der andere herausragende Aspekt die grafische Gestaltung von ISOLA.
Die Optik bietet Stimmungen, die sich toll auf den Leser übertragen und so wortlos Teile der Geschichte beisteuern. Dazu gehören selbstverständlich die Gefühle der beiden HELDINNEN, die Einsamkeit verschiedener Gegenden, sogar der Wahnsinn der GEGENSPIELERIN. Stilistisch ist KARL KERSCHLS Strich zwischen Anime und Disney-Look einzuordnen. Er beherrscht den Trick, etwas putzig aussehen zu lassen, ebenso wie einen starken Realismus mit höchst individuellen Zügen seiner Charaktere. All das lässt er in CAPTAIN ROOK wirken. Eine junge Frau, die tough und verletzlich gleichermaßen über die gesamte Länge daher kommt. Situationen für unterschiedlichste Gefühle gibt es reichlich.
Eine überaus plastische Kolorierung macht aus ISOLA ein regelrechtes Kinoerlebnis. Outlines werden weitestgehend vorne klassisch in schwarz gesetzt. In den Hintergründen sind sie meist Ton in Ton ausgeführt. So entsteht ein Kulisseneindruck. Unschärfe hier und dort, natürlich eine deutliche Reduzierung von Details verstärken die Plastizität. ROOK und OLWYN bewegen sich hauptsächlich durch die Natur: Felsenkulissen, Wald, einfache Landschaften, eine Hütte, ein Schuppen. Sonstige Umgebungen, wie sie aus der klassischen High-Fantasy her bekannt sein mögen, gibt es hier nicht. (Und man vermisst sie auch nicht.) Die Blickführung des Lesers ist ruhig und konzentriert auf ein jeweils bestimmtes Bild. Je gewichtiger eine Szene, umso größer das Bild, manchmal sogar eine komplette Seite.
Frauen haben hier das Sagen. Männer sind in dieser Geschichte nebensächlich, austauschbar. Man vermisst in dieser Fantasy den typischen Haudrauf oder Zauberer nicht. Gewalt existiert, wird aber nicht ausgewalzt. Nicht selten wird es der Fantasie des Lesers überlassen, darüber, was geschehen könnte (oder geschehen wird). Statt es zu sehen, erlebt der Leser, wie ROOK oder OLWYN darauf regieren.
Starke Fortsetzung. Ein Fantasy-Abenteuer mit Fokus auf zwei Frauen in einer Fluchtsituation. Immer nah dran, gefühlvoll und gleichzeitig spannend erzählt. Überragend illustriert von KARL KERSCHL und MSASSYK, ein Fest fürs Auge! Sahne! 🙂
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