Ein Virus hat zugeschlagen. Die Menschheit hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Jegliche Maßnahmen zur Bekämpfung und zur Eindämmung sind gescheitert. Ein Subtyp der Vogelgrippe ist auf die menschliche Spezies übergesprungen. Vögel sind zu Hassobjekten geworden. Wer sie antrifft und die Möglichkeit hat, tötet sie und verbrennt die Überreste. Mittlerweile sind die letzten überlebenden Menschen weit verstreut, Misstrauen hält die kleinen Gruppen streng getrennt. Im Jahre 2030 hat sich eine Gewöhnung an die Situation eingestellt. Wer sich keinen Zufluchtsort erschlossen hat, streift umher. So wie der ehemalige Soldat JAN und sein Lauf- und Transportroboter MAGARIT …
Wir leben im Zeitalter der Endzeitszenarien. Es mag damit zu tun haben, dass an so vielen Ecken der Welt immer noch (im übertragenen Sinn) Brände lodern und Menschen zu Millionen leiden. Kriege, Klimakatastrophen und nun globale Pandemien schüren die Fantasien. Oft wurden weite Sprünge in die Zukunft unternommen. KALTE SONNE nimmt sich, von jetzt an gerechnet, gerade einmal neun Jahre Zeit dafür. Ort der Handlung: das gebirgige Grenzgebiet von Frankreich Richtung Schweiz in der Nähe von Chamonix.
Das Titelbild gibt einen Vorgeschmack. Ein Mann allein mit seinem Roboter, stets auf der Hut vor Tieren, zu Land und aus der Luft, und anderen Menschen. Fast eine Art moderner Ötzi. JEAN-PIERRE PÉCAU, der Autor, trifft die Stimmung in der verschneiten Gebirgswelt der Alpen und den Erinnerungesfetzen JANS sehr dicht. Letztere bieten einen guten Ausgleich zur Einsamkeit nach der gezeigten apokalyptischen Atmosphäre. Eine Robinson-Crusoe-Stimmung wird auf Dauer etwas schwierig, mitunter beklemmend. Es gehört mindestens ein Freitag dazu, hier in Form von MAGARIT, dem Roboter. Der ist zwar sprachtechnisch etwas eintönig, dafür wird er von JAN gerne mal ausgiebig beschimpft. Ein Verhalten, das MAGARIT mit einem stoischen POSITIV quittiert und sich nicht weiter darum schert, wenn es sich nicht um echte Befehle handelt.
DAMIEN, der Illustrator, zeichnet kantige Charaktere, gut erkennbar herausgearbeitet. JAN, die Hauptfigur ist eine Mischung aus Clint Eastwood und Vincent Cassel. Meist mürrisch, finster dreinblickend, auf seine Aufgabe konzentriert. DAMIEN hat Zeichnungen und Farbgestaltung gleichermaßen übernommen. Die Striche sind häufig skizzenhaft gesetzt, teils fett ausgeführt. Das genügt. DAMIEN hat einen feinen Blick für das Nötigste. Das bringt die Geschichte für das Auge des Lesers gut voran. Action, von der es neben einer guten Charakterbeschreibung reichlich gibt, lebt von einer exakten Darstellung (Fahrzeuge, Umgebung etc.) und einer abwechslungsreichen Perspektive.
Farblich hält es DAMIEN klar, realistisch, einfach. Und wieder muss festgestellt werden, dass es genügt. Nichts wird an farblicher Tiefe vermisst. Kolorierte Grundstimmungen grenzen einzelne Szenen oder Sequenzen voneinander ab. So sind JANS Erinnerungen an die Auflösung der menschlichen Zivilisation in einem ocker-bräunlichen Farbspiel gehalten. Wer häufiger Comics liest, findet das Farbspiel und diese Technik öfter vor. Die Überleitungen zu den Erinnerungen fallen meist kurz aus. In der Regel geht JAN schlafen und wird von seinen Alpträumen aus dem Untergang gequält.
Ein europäischer Handlungsort für ein Endzeitszenario. Auf Realismus bedacht. Präzise erzählt, ruhig, auf den Punkt gebracht. Die Zeichnungen vermitteln die Einsamkeit der Berge, in denen dennoch stets eine Bedrohung vorhanden ist. Schön von JEAN-PIERRE PÉCAU und DAMIEN umgesetzt. Ein feiner Science-Fiction-Thriller. Für Fans des Genres sehr lesenswert. 🙂
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