Mal darf es nach Mord mit anschließendem Selbstmord aussehen. Mal darf es ein Unfall mit anschließender Fahrerflucht sein. Mal darf es spektakulär sein, nachrichtentauglich, mit dem Absturz eines Hubschraubers über einer Innenstadt. DER KILLER ist vielseitig, eine Handschrift schwer erkennbar. Abseits des Berufslebens sucht er die Ruhe. Er geht mit Frau, Sohn und Schwiegervater im Dschungel auf die Jagd. Oder verbringt seine Zeit mit seinem Sohn am Strand. DER KILLER will für seinen Sohn alles das, was ihm so nie vergönnt war. Bereits jetzt, weiß der Kleine mehr, als DER KILLER in diesem Alter wusste. Und den Rest? Bringt der Vater dem Sohn bei, wenn dieser etwas älter ist. Eben alles, was nötig ist.
Ja, DER KILLER ist zweifellos ein Philosoph. Oder wenigstens jemand, der andauernd Fragen stellt und sogar Teilantworten kennt und abliefert. Aber er hat sich mit dem System abgefunden, will es zu seinen Gunsten nutzen und verbiegen, damit nicht nur er, sondern auch jene, die ihm die einzige Familie sind, die er je nach seinem Verständnis besessen hat, Schutz und Wohlstand genießen können. Allen voran sein Sohn. Ja, DER KILLER hat auch ein paar echte Werte, die mit denen der übrigen Menschheit vereinbar sind. Ob er das nun so mag oder oder nicht.
Es hat sich einiges getan in der Welt des KILLERS. In Südamerika abgetaucht, hat es ihn nicht lange im Verborgenen gehalten. Die Arbeit ruft, zwickt. Das süße Nichtstun ist nichts für den KILLER. Prompt bringt ihn seine erneut aufgenommene Tätigkeit in Bedrängnis. Denn jemand macht den KILLER zum Spielball in einem internationalen Hickhack um viel, viel Öl. Doch ehe der KILLER das merkt, steckt er bereits viel zu tief drin und er muss beweisen, ob er schlauer als die übrigen Spieler ist.
MATZ hebt den KILLER auf das nächste Level. Es ist eine Sache, ein Ziel auszubaldowern und es schließlich zu töten. Es ist eine andere Sache, wenn die Figur zu einem Pokerblatt in einem Spiel von sehr viel mächtigeren Menschen und Institutionen wird. DER KILLER ist von einer wundersamen Kaltschnäuzigkeit beseelt. Aber als Figur, fast schon der typische Bauer in einem Schachspiel, droht er fast zwischen den staatlichen Akteuren zerrieben zu werden. Bis eine Wende erfolgt, die der Leser, auch aus den bisherigen Leseerfahrungen der Serie heraus, nicht vorhersehen konnte. DER KILLER wird dadurch sichtbarer für sein Umfeld. Ein Fehler, den ein KILLER eigentlich nicht begehen sollte. Doch, wie erwähnt, wo der Wohlstand lockt, fallen alte Prinzipien mitunter schnell über Bord.
Es ist ganz gleich, in welchem der letzten Jahrzehnte oder in diesem der Politikinteressierte die Zeitungsmeldungen verfolgt, Nachrichten diverser Sender anschaut. Südamerika und seine nähere Umgebung, ganz vorne dabei KUBA, sind fast schon ein Synonym für soziale Missstände, Korruption, Rebellionen, Aufstände, Staatsstreiche, Drogenkartelle, Morde jeglicher Couleur und vielem Grauenhaften mehr. Deshalb ist die Geschichte von MATZ nicht nur enorm leicht zugänglich, sie ist wirkt auch sehr real, eher wie eine Story, die nach jahrelanger Recherche von Journalisten im Stile der PANAMA PAPERS ans Licht geraten sein könnte. Wenn Venezuela, wie so oft in den Nachrichten gepredigt, dank seiner Ölvorkommen eines der reichsten Länder der Erde sein könnte (und es trotzdem nicht ist), will man die Geschichte hier sofort glauben. Am Ende mordet der KILLER aus einem ganz einfachen, denkbar überwältigenden Grund: So reich zu sein, ohne fürchten zu müssen, dass jemand fragt, woher das Geld stammt.
Ich mag es, wie DER KILLER sich entwickelt, wie er zwischen den Welten wandelt. Einerseits Familie, andererseits eine Liebschaft. Wie er seine ätzende Kritik loswird und sich nicht zu schade ist, sich ein Riesenstück von dem Kuchen zu schnappen, den er so gerne in seine Zutaten zerteilt. Und wie er letztlich auch mal Angst zeigt. Weil eine Kugel abfeuern zu können, einen Menschen zu töten, eben nicht die absolute Macht bedeutet. Absolute Macht vernichtet ganze Länder. Und auf dieses Parkett begibt sich DER KILLER nun zum Tanz.
LUC JACOMON präsentiert uns als Comic-Künstler Szenen, die eines Leinwand-Thrillers würdig sind. Er gewährt dem Leser den selben Blick durchs Zielfernrohr, den DER KILLER hat. Fängt den Leser erst einmal atmosphärisch in der Nacht ein, versetzt ihn in die Szenerie, beobachtet mit ihm die Tötung eines Ziels. Liest nebenbei von der Kaltblütigkeit des KILLERS und erfährt auch die Menschenverachtung, mit welcher DER KILLER zu Werke geht. Die Gedanken, Abrisse des Weltgeschehens, des KILLERS werden von Bilderfolgen begleitet, die an Nachrichtenprogramme oder Wildlife-Sender erinnern. Er legt sich auf keinen Seitenaufbau fest, strukturiert mal klein, verteilt mal hektischer, je nach Actionszene zerreißt er für den Eindruck von Geschwindigkeit auch mal die eigens entworfene Struktur.
Einmal, während eines kanadischen Ausflugs, werden die Farben kälter, wintergemäß, ansonsten spiegeln die warmen Farben den südamerikanischen Kontinent wider. Eine unaufdringliche, aber stetige Hitze, elegant, fürs verwöhnte Comic-Auge hervorragend.
Nebenfiguren gibt es. Und zwei fallen besonders auf. DER KILLER hat einen Freund, kaum glaubhaft, aber wahr. MARIANO, von Hause aus einem Drogenkartell zugehörig, herzlich, großmäulig, charmant, intelligent, Frauenheld, weltmännisch und kaltblütig. MARIANO zeigt, was dem KILLER alles fehlt. Wie professionelles Morden die Menschlichkeit nicht gleich mit abtötet. Klingt seltsam, hier passt es zusammen. KATIA ist die andere Seite der Medaille. Sie ist die Frau im Geschäft. Hier eröffnet sich für den KILLER ein Blick in jenes Leben, das ihm eine Frau an die Seite gestellt hätte, die mit der alltäglichen Gefahr umgehen könnte. Ein Mischung aus BOND-GIRL und BONNIE (die ihren persönlichen CLYDE sucht). Alles in allem von MATZ perfekt auf die Geschichte und den KILLER abgestimmt.
Stark erzählt, so dass man es von der ersten bis zur letzten Seite in einer Tour durchlesen muss. Ein Thriller mit Tiefgang, realistischem Anspruch. MATZ erzählt, als wäre er ein Sohn im Geiste von HITCHCOCK und TARANTINO. Dank LUC JACAMO filmisch illustriert. Ein perfekter, mitreißender Thriller. 🙂
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