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Comic Blog


Sonntag, 28. Juni 2020

EIN AFFE AM HIMMEL 2 – HOLLYWOODLAND

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:19

EIN AFFE AM HIMMEL 2 - HOLLYWOODLANDUND ACTION! Die Jagdflugzeuge schrauben sich in den Himmel. Jeder der beiden Piloten ist darauf aus, den anderen vor die Maschinengewehrläufe zu bekommen. Die deutsche Fokker Dr. I (Dreidecker) wird getroffen, Feuer bricht aus, und die Flugmaschine geht in den Sturzflug über… Gott sei Dank ist der Weltenkrieg vorüber und HARRY nur der Pilot in einem Hollywoodfilm. HARRY ist gut in seinem Job. Wenigstens insofern, dass es ihm gelingt, aus jeder Aufnahme, und sei sie noch so schwierig, mit dem Leben davon zu kommen. Aber HOLLYWOODLAND hat noch mehr zu bieten. Abseits der Kameras blüht das Leben. Partys werden gefeiert. Das Verbrechen spielt in TINSELTOWN ebenfalls eine Rolle. Das muss HARRY sehr bald feststellen, als er sich mit dem Starlet CLARA PALMER einlässt…

HOLLYWOOD ist sein eigener Mikrokosmos. Das alte HOLLYWOOD, sozusagen in jenen Tagen, als die Bilder noch laufen lernten, ist zu einem MYTHOS geworden. Große Namen aus jenen Tagen haben sich ins kollektive Gedächtnis der Cineasten eingebrannt. In jene Anfangstage entführt uns ETIENNE WILLEM mit seinem 2. Band von EIN AFFE AM HIMMEL mit dem bezeichnenden Untertitel HOLLYWOODLAND. Um seine Helden darzustellen, hat sich ETIENNE WILLEM für einen Weg entschieden, den schon andere, aber nicht sehr viele Künstler vor ihm genommen haben. Seine Darsteller sind Tiere.

Wenn Tiere menschliche Rollen spielen, entstehen manchmal wahnwitzige Situationen. ETIENNE WILLEM setzt natürlich seine tierischen Figuren so ein, dass bei dem Leser bei Ansicht der jeweiligen Gestalt entsprechende Assoziationen zum Charakter entstehen. Da lassen sich trefflich die Erwartungen erfüllen, aber auch täuschen. Das Spektrum in der Tierwelt ist breit gefächert, und ETIENNE WILLEM greift genüßlich an allen Ecken und Enden zu. Wer allein bei den Dreharbeiten im Filmstudio (an denen HARRY und LUMPY teilnehmen) genau hinschaut, sollte einmal versuchen zu zählen, wie viele verschiedene Tierarten er entdeckt.

ETIENNE WILLEM trifft nicht nur das Äußere der jeweiligen Art, er trifft auch den Charakter, den wir (der Mensch) ihr gerne fabelmäßig anheften. Darüber hinaus, und das hat mich überrascht, kann er einen Menschen in ein Tier übersetzen, mit sofortigem Wiedererkennungseffekt. Das funktioniert natürlich relativ leicht bei CLARA PALMER (die die HOLLYWOOD-STANDARD-BLONDINE gibt). Bei historisch interessanten Figuren wie PRÄSIDENT ROOSEVELT und dem mittlerweile fast schon mystisch geheimnisvollen schwerreichen HOWARD HUGHES funktioniert es noch besser.

Es sind sehr organisch gezeichnete Figuren, die nicht konstruiert wirken. Sie nehmen sich Raum, ETIENNE WILLEM nimmt den Leser sehr nah heran, hautnah, bis an die Nasenspitze sozusagen. Darüber hinaus ist die Atmosphäre und das Ambiente wunderbar zeitgemäß getroffen. Bei der Eingangsszene musste ich sofort an den Film TOLLKÜHNE FLIEGER mit ROBERT REDFORD denken. Die Flugszenen sind legendär und ähnlich denen, die HARRY hier absolviert. Vielleicht sind sie von ETIENNE WILLEM als wohl begründete Hommage gedacht.

Daneben gibt es die Story über… nein, wird nicht verraten. Aber es ist eine Geschichte, in der auch SAM SPADE um die Ecke kommen könnte. Ein Geheimnis soll nicht vor der Zeit in andere Hände geraten. Eine Hatz beginnt, es gibt Tote, Helden setzen ihr Leben ein, um andere Leben zu retten. Das ist schwungvoll erzählt und inszeniert, ganz so eigentlich, wie man es als Cineast aus Filmen jenes Zeitabschnitts erwarten würde. Vordergründig spannend, zur Abmilderung mit ein wenig Slapstick gewürzt. In einer Nebenrolle tritt zusätzlich ein Star jener Ära auf, ganz im Stil moderner Erzählweisen des Kintopps, wenn Überraschungsgäste dem Zuschauer (hier Leser) einen Aha-Moment entlocken. Allerdings, das muss auch festgestellt werden, dürfte es in diesen Tagen nicht mehr allzu viele Comic-Leser geben, die sich mit dem alten HOLLYWOOD auseinandergesetzt haben.

Zum guten Schluss noch einmal zu den Zeichnungen von ETIENNE WILLEM. Auffallend (und sehr schön anzuschauen) ist der leichte und dennoch sehr exakte Tuschestrich. Besser noch ist die Kolorierung, möglicherweise eine Mischtechnik, in jedem Fall aber ein toller Look, sehr weich, warm, leuchtend. Hier bleibt das Auge gerne dran.

Ein feine zweite Episode von EIN AFFE AM HIMMEL. Locker flockig erzählt, schön ausgestalteten Hauptfiguren, einer perfekten Illustrationstechnik, die mit vielen Details ein echt altes (teils romantisiertes) HOLLYWOOD-Feeling herstellt. Richtig tolle Detektiv- und Abenteuerunterhaltung von ETIENNE WILLEM. Den muss man als Comic-Fan im Blick behalten. 🙂

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Freitag, 05. Juni 2020

DER KILLER – GESAMTAUSGABE 2

Filed under: Thriller — Michael um 17:46

DER KILLER - GESAMTAUSGABE 2Mal darf es nach Mord mit anschließendem Selbstmord aussehen. Mal darf es ein Unfall mit anschließender Fahrerflucht sein. Mal darf es spektakulär sein, nachrichtentauglich, mit dem Absturz eines Hubschraubers über einer Innenstadt. DER KILLER ist vielseitig, eine Handschrift schwer erkennbar. Abseits des Berufslebens sucht er die Ruhe. Er geht mit Frau, Sohn und Schwiegervater im Dschungel auf die Jagd. Oder verbringt seine Zeit mit seinem Sohn am Strand. DER KILLER will für seinen Sohn alles das, was ihm so nie vergönnt war. Bereits jetzt, weiß der Kleine mehr, als DER KILLER in diesem Alter wusste. Und den Rest? Bringt der Vater dem Sohn bei, wenn dieser etwas älter ist. Eben alles, was nötig ist.

Ja, DER KILLER ist zweifellos ein Philosoph. Oder wenigstens jemand, der andauernd Fragen stellt und sogar Teilantworten kennt und abliefert. Aber er hat sich mit dem System abgefunden, will es zu seinen Gunsten nutzen und verbiegen, damit nicht nur er, sondern auch jene, die ihm die einzige Familie sind, die er je nach seinem Verständnis besessen hat, Schutz und Wohlstand genießen können. Allen voran sein Sohn. Ja, DER KILLER hat auch ein paar echte Werte, die mit denen der übrigen Menschheit vereinbar sind. Ob er das nun so mag oder oder nicht.

Es hat sich einiges getan in der Welt des KILLERS. In Südamerika abgetaucht, hat es ihn nicht lange im Verborgenen gehalten. Die Arbeit ruft, zwickt. Das süße Nichtstun ist nichts für den KILLER. Prompt bringt ihn seine erneut aufgenommene Tätigkeit in Bedrängnis. Denn jemand macht den KILLER zum Spielball in einem internationalen Hickhack um viel, viel Öl. Doch ehe der KILLER das merkt, steckt er bereits viel zu tief drin und er muss beweisen, ob er schlauer als die übrigen Spieler ist.

MATZ hebt den KILLER auf das nächste Level. Es ist eine Sache, ein Ziel auszubaldowern und es schließlich zu töten. Es ist eine andere Sache, wenn die Figur zu einem Pokerblatt in einem Spiel von sehr viel mächtigeren Menschen und Institutionen wird. DER KILLER ist von einer wundersamen Kaltschnäuzigkeit beseelt. Aber als Figur, fast schon der typische Bauer in einem Schachspiel, droht er fast zwischen den staatlichen Akteuren zerrieben zu werden. Bis eine Wende erfolgt, die der Leser, auch aus den bisherigen Leseerfahrungen der Serie heraus, nicht vorhersehen konnte. DER KILLER wird dadurch sichtbarer für sein Umfeld. Ein Fehler, den ein KILLER eigentlich nicht begehen sollte. Doch, wie erwähnt, wo der Wohlstand lockt, fallen alte Prinzipien mitunter schnell über Bord.

Es ist ganz gleich, in welchem der letzten Jahrzehnte oder in diesem der Politikinteressierte die Zeitungsmeldungen verfolgt, Nachrichten diverser Sender anschaut. Südamerika und seine nähere Umgebung, ganz vorne dabei KUBA, sind fast schon ein Synonym für soziale Missstände, Korruption, Rebellionen, Aufstände, Staatsstreiche, Drogenkartelle, Morde jeglicher Couleur und vielem Grauenhaften mehr. Deshalb ist die Geschichte von MATZ nicht nur enorm leicht zugänglich, sie ist wirkt auch sehr real, eher wie eine Story, die nach jahrelanger Recherche von Journalisten im Stile der PANAMA PAPERS ans Licht geraten sein könnte. Wenn Venezuela, wie so oft in den Nachrichten gepredigt, dank seiner Ölvorkommen eines der reichsten Länder der Erde sein könnte (und es trotzdem nicht ist), will man die Geschichte hier sofort glauben. Am Ende mordet der KILLER aus einem ganz einfachen, denkbar überwältigenden Grund: So reich zu sein, ohne fürchten zu müssen, dass jemand fragt, woher das Geld stammt.

Ich mag es, wie DER KILLER sich entwickelt, wie er zwischen den Welten wandelt. Einerseits Familie, andererseits eine Liebschaft. Wie er seine ätzende Kritik loswird und sich nicht zu schade ist, sich ein Riesenstück von dem Kuchen zu schnappen, den er so gerne in seine Zutaten zerteilt. Und wie er letztlich auch mal Angst zeigt. Weil eine Kugel abfeuern zu können, einen Menschen zu töten, eben nicht die absolute Macht bedeutet. Absolute Macht vernichtet ganze Länder. Und auf dieses Parkett begibt sich DER KILLER nun zum Tanz.

LUC JACOMON präsentiert uns als Comic-Künstler Szenen, die eines Leinwand-Thrillers würdig sind. Er gewährt dem Leser den selben Blick durchs Zielfernrohr, den DER KILLER hat. Fängt den Leser erst einmal atmosphärisch in der Nacht ein, versetzt ihn in die Szenerie, beobachtet mit ihm die Tötung eines Ziels. Liest nebenbei von der Kaltblütigkeit des KILLERS und erfährt auch die Menschenverachtung, mit welcher DER KILLER zu Werke geht. Die Gedanken, Abrisse des Weltgeschehens, des KILLERS werden von Bilderfolgen begleitet, die an Nachrichtenprogramme oder Wildlife-Sender erinnern. Er legt sich auf keinen Seitenaufbau fest, strukturiert mal klein, verteilt mal hektischer, je nach Actionszene zerreißt er für den Eindruck von Geschwindigkeit auch mal die eigens entworfene Struktur.

Einmal, während eines kanadischen Ausflugs, werden die Farben kälter, wintergemäß, ansonsten spiegeln die warmen Farben den südamerikanischen Kontinent wider. Eine unaufdringliche, aber stetige Hitze, elegant, fürs verwöhnte Comic-Auge hervorragend.

Nebenfiguren gibt es. Und zwei fallen besonders auf. DER KILLER hat einen Freund, kaum glaubhaft, aber wahr. MARIANO, von Hause aus einem Drogenkartell zugehörig, herzlich, großmäulig, charmant, intelligent, Frauenheld, weltmännisch und kaltblütig. MARIANO zeigt, was dem KILLER alles fehlt. Wie professionelles Morden die Menschlichkeit nicht gleich mit abtötet. Klingt seltsam, hier passt es zusammen. KATIA ist die andere Seite der Medaille. Sie ist die Frau im Geschäft. Hier eröffnet sich für den KILLER ein Blick in jenes Leben, das ihm eine Frau an die Seite gestellt hätte, die mit der alltäglichen Gefahr umgehen könnte. Ein Mischung aus BOND-GIRL und BONNIE (die ihren persönlichen CLYDE sucht). Alles in allem von MATZ perfekt auf die Geschichte und den KILLER abgestimmt.

Stark erzählt, so dass man es von der ersten bis zur letzten Seite in einer Tour durchlesen muss. Ein Thriller mit Tiefgang, realistischem Anspruch. MATZ erzählt, als wäre er ein Sohn im Geiste von HITCHCOCK und TARANTINO. Dank LUC JACAMO filmisch illustriert. Ein perfekter, mitreißender Thriller. 🙂

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