Bedrängt, gejagt, verfolgt durch die Zwänge und Brutalitäten einer Diktatur gerät ein junges Mädchen aus ihrer behüteten Welt geradewegs auf den Weg der Kriminalität. Ihr Name: SHANIA RIVKAS. Tochter eines akademisch ausgebildeten Elternpaares. Eines Nachts bricht der KGB, der sowjetische Geheimdienst, ins Heim der Familie ein. SHANIA kann entkommen und wird, begünstigt von einem glücklichen Zufall, von einem alleinstehenden Jugendlichen, ANTON SERGEJEWITSCH GRIWENKO, gerettet. Angeleitet von dem jungen Mann, der sich zu einem großen Bruder auswächst, lernt sie ohne Eltern auf den Straßen zu überleben. Stehlen wird essenziell. Und SHANIA gelingt es, darin eine hohe Professionalität zu erlangen. Bis sie eines Tages eine schicksalshafte Begegnung hat.
Der Belgier JEAN VAN HAMME ist einer der erfolgreichsten europäischen Comic-Autoren. Einzeltitel wie DIE BLUTHOCHZEIT, Serien wie WAYNE SHELTON, LARGO WINCH, XIII oder THORGAL haben hierzulande viele Fans gewonnen. Die Comic-Vorlagen brachten auch Verfilmungen z.B. wie von DIE BLUTHOCHZEIT hervor (dt. Kinofilm mit ARMIN RHODE, UWE OCHSENKNECHT). Eine Übersicht seiner Veröffentlichungen (hier ist nur ein kleiner Teil) macht schnell ein Hauptgenre deutlich: THRILLER. Hier macht JEAN VAN HAMME kein anderer Autor etwas vor. Er entwickelt sehr gerne ausgefeilte Hauptcharaktere, aus einem frühen, jungen Stadium an, strickt an sehr detailierten Lebensläufen und macht diese Figuren für Leser ungeheuer genau nachvollziehbar.
JEAN VAN HAMME hat innerhalb des Genres seine speziellen Felder ausgemacht. Dazu gehören die HOCHFINANZ, INTERNATIONALE POLITIK, SPIONAGE und fremde LÄNDER quer über den gesamten Erdball. Insofern passt die Figur der späteren LADY S sehr gut in die erzählerischen Interessen von JEAN VAN HAMME. SHANIA RIVKAS bewegt sich in eben jenen Gebieten, perfekt ausgestattet mit einem ADOPTIVVATER, der als BOTSCHAFTER der VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA tätig ist.
JEAN VAN HAMME versteht sich auf zweierlei. Einerseits versteht er sich darauf, eine Geschichte geradlinig voranzutreiben, andererseits verschachtelt er dicht, gerne auch mal mit Rückblicken versehen. LADY S will nicht nicht einfach so heruntergelesen werden. Hier ist auch Aufmerksamkeit gefragt. Die Spannung ist häufig psychologischer Natur im Spiel der Charaktere zu finden. Action gibt es in der ersten GESAMTAUSGABE von LADY S, aber keinesfalls als Selbstzweck und sie ist auch nicht mit jenem HOLLYWOODBLOCKBUSTER-FLAIR behaftet wie z.B. bei einem WAYNE SHELTON.
SHANIA RIVKAS bildet als Charakter ein Paradebeispiel einer modernen, toughen, jungen Frau. Bestens bewandert auf dem politischen wie auch diplomatischen Parkett kann sie sich dank ihres Hintergrundes ebenfalls ihrer Haut erwehren. Was nicht allzu oft nötig ist. Dafür ist weitaus häufiger Fingerspitzengefühl gefragt. Kein Wunder, sind doch BRÜSSEL, WASHINGTON, LANGLEY Orte des Skalpells, nicht des Hammers (was so mancher seit Januar 2017 wahrscheinlich nicht mehr so sieht). Comic-Zeichner, die mit JEAN VAN HAMME zusammenarbeiteten, stehen meist für starke realistische Bilder. Mit PHILIPPE AYMOND verhält es sich ebenso.
Als Illustrator geht er bei seinen Figuren mit der gleichen Detailverliebtheit wie sein schreibender Kollege JEAN VAN HAMME zu Werke. Jede Figur ist nach Möglichkeit ein Unikat, zumindest jene, die etwas zu sagen haben. (Bei Komparsen ist das Ganze etwas zu vernachlässigen.) Wer zum Beispiel die Arbeiten von CHRISTIAN DENAYER (WAYNE SHELTON) oder PHILIPP FRANCQ mag, kann rein optisch bedenkenlos zugreifen. LADY S bewegt sich auf jeder Seite in einer realen Welt, aber anders als in anderen Serien von JEAN VAN HAMME, bewegt sie sich nicht immer an besonders exklusiven oder exotischen Orten. An den meisten Orten könnte ebenso gut OTTO NORMALVERBRAUCHER um die Ecke kommen. Und es passt so: Wenn ein z.B. gewöhnliches BRÜSSELER HAUS zur Todesfalle werden kann, fühlt man sich als Cineast an FRANTIC erinnert. Eine Klettertour über innerstädtische Häuserdächer ist und bleibt ungewöhnlich.
Perfekt, routiniert, durchweg spannend. JEAN VAN HAMME ist einfach ein Garant für tolle Thriller-Unterhaltung. LADY S bedeutet für den Leser eine femininere Art des Spionage-Thrills, ohne oberflächliche Kloppereien (die auch bei weiblichen Actionstars zum Pflichtprogramm gehören). Hier ist eher wie in modernen dicht erzählten Serien AUFPASSEN Trumpf. Das gefällt mir sehr gut! Nicht zuletzt wegen der technisch versierten Illustrationen von PHILIPPE AYMOND. 🙂
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