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Comic Blog


Donnerstag, 09. Mai 2019

PARIS 2119

Filed under: SciFi — Michael um 17:42

PARIS 2119PARIS im Jahre 2119. Die Welt hat sich in eine Richtung entwickelt, die einst von vielen Menschen, Wissenschaftlern, Intellektuellen befürchtet worden ist. Es regnet. Es ist schmutzig. Es herrscht totale Überwachung mittels implantierter Chips. Kleine Drohnen fliegen überall herum und beobachten das Geschehen. Echtes Reisen ist verpönt. Man reist per TRANSCORE. Körper werden übermittelt. Das geht rasend schnell. Es ist sicher. Es wird benutzt, ohne einen einzigen Gedanken an irgendwelche Risiken zu verschwenden. TRISTAN sieht es nicht gern, wenn seine Freundin CHLOÉ das System benutzt …

Eine Dystopie. Was mag geschehen, wenn Menschen und ihre millionenhaften Reisen tagtäglich quer über den Erdball das System Natur an den Rand des Zusammenbruchs und darüber hinaus treiben? ZEP, verantwortlich für Szenario und Storyboard, hat den Faden weitergesponnen und mit TRANSCORE eine Abhilfe kreiert, die durchaus an das gute alte BEAMEN erinnert. Aber wie es genau funktioniert, scheint niemand zu wissen. Zu sehen, wie in der guten alten Fernsehserie mit CAPTAIN KIRK, ist es jedenfalls nicht. TRANSCORE ist Reisen in einer BLACKBOX.

ZEP hat die Gegenwart konsequent weitergesponnen. Lässt man außen vor, wie die TRANSCORE-Technik funktionieren soll, ob es jemals solch leistungsstarke Rechner geben wird, die ein derartiges technisches Wunderwerk ermöglichen, ist der Rest der gezeigten Gesellschaft nicht sehr unrealistisch. Die Vereinzelung, Individualisierung ist auf die Spitze getrieben. Kleine trockene Zonen ragen wie Lichtungen aus den Schlechtwetterstadtteilen inmitten von Paris heraus. Die Stadt selbst ist nach einhundert Jahren erkennbar. Wahrzeichen stehen noch zwischen modernen, neueren Segmenten, riesig und, zieht man Rückschlüsse aus den beleuchteten Fassaden, augenscheinlich übervölkert.

Modisch, das dürfte entsprechenden Enthusiasten sauer aufstoßen, hat sich nicht viel getan. TRISTAN, der Held der Geschichte, ist kleidungstechnisch der Vergangenheit verfallen, und alle anderen dürften heutzutage kaum anders von einem JEAN PAUL GAUTIER eingekleidet werden (wenn er einen vergleichsweise modetechnisch mutlosen Tag hat). Interessanter sind da schon die kleinen Helferlein, die eindeutig unterseeisch inspiriert daher kommen, beziehungsweise fliegen. Teils schwirren sie großartig herum, teils finden sich tatsächlich simulierte Fische in der Luft. Ein HAI wirkt gar wie eine Hommage ein ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT 2. Und so wie ZEP diese Zukunft konstruiert, wirkt sie wie eingefroren. Der Menschheit scheinen neue Ideen abhanden gekommen. Denn dort, wo es sich nicht als relativ SCHÖNE NEUE WELT präsentiert, dominieren die SLUMS die Szene.

ZEP zeichnet sich neben der Handlung für das STORYBOARD verantwortlich. Die Geschichte driftet aus der Enge, dem persönlichen Eindruck immer mehr in die Weite, auf das große Ganze. Mochte man sich zu Beginn noch mit dieser Welt im Kleinen anfreunden, verliert sich dieser Wunsch zusehends, je mehr sich die Sequenzen außerhalb des schönen Scheins abspielen. DOMINIQUE BERTAIL (Zeichner) und GAETAN GEORGES (Farben) gestalten diese Welt in einem Stil, dem ein wenig der alte MOEBIUS anhaftet. Ein wenig ätherisch, etwas MATRIXHAFT anzuschauen sind die Menschen, die etwas auf sich halten.

Wird es in den Slums düster, verliert sich das gute Aussehen. Wo Drogen das Leben bestimmen, versacken die Menschen unter einem geistigen Leichentuch. Das PARIS der Zukunft ahmt asiatische Zustände kleiner Schlafboxen nach. Der Dauerregen wirkt wie ein Trauerflor über dieser Welt im Stillstand. Die HANDARBEIT mit TUSCHE und AQUARELLFARBEN steht der durchweg stimmigen Atmosphäre von Anfang bis Ende sehr gut zu Gesicht. Man ist als Leser bereits nach den ersten fünf Seiten eingefangen (und froh, wenn die Düsternis, wenn auch nur kurz, durch eine aseptische Helligkeit abgelöst wird).

Stimmungsvoll, manchmal märchenhaft, verwunschen bildet PARIS 2119 keine wünschenswerte (aber sehr gut konstruierte) Zukunft ab. Es ist eine, die abschreckt, erschreckt, erschreckend konsequent weitergesponnen wurde. Sehr schöne Illustrationen gehen mit einer fein erzählten, leicht tragischen Geschichte Hand in Hand. Klasse! 🙂

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Oder bei Schreiber und Leser.

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