Dienstag, 26. März 2019
Die Männer werden krank! Und nur die Männer! BARBARA GORDON alias BATGIRL und die BIRDS OF PREY, nämlich HUNTRESS und BLACK CANARY können zunächst nur hilflos zusehen. Die Seuche, die sich über GOTHAM CITY ausbreitet, scheint medizinisch nicht aufzuhalten zu sein. Ein Verbund von Frauen lehnt sich gegen die Oberhoheit der Männer auf. Ausrottung lautet das Mittel. Aber sie haben die Rechnung ohne die Frauen in Kostümen gemacht. Neben den BIRDS OF PREY finden sich noch andere verkleidete Heldinnen und weibliche Ganoven, die sich eine Welt ohne Männer nicht vorstellen mögen: CATWOMAN, POISON IVY, HARLEY QUINN, WONDER WOMAN, BATWOMAN, GOTHAM GIRL sogar LOIS LANE und AMANDA WALLER geben sich streitsam.
Eine ungewöhnliche Bedrohung führt zu einem ungewöhnlichen Bündnis. Frauen beiderseits des Gesetzes treten gegen eine fanatisch verblendete Gruppierung an, die im wahrsten Sinne des Wortes für ihre Ziele über Leichen geht, sehr viele Leichen. JULIE BENSON und SHAWNA BENSON wandeln auf den Spuren von Y – THE LAST MAN, nur mit ungekehrten Vorzeichen. Ein ausgeklügelter Angriff bedroht die eine Hälfte der Menschheit, mit GOTHAM CITY als Ausgangspunkt.
Das hat ein wenig etwas von einer SATIRE, denn so oft sich die Frauen des DC-Universums mit männlichen Ganoven herumgeschlagen haben, hatten sie (so gut wie) nicht den Drang, diese Männer vom Angesicht der Erde zu tilgen. Der Mehrteiler (der einer kurzweiligen Eingangsgeschichte folgt) ist denn auch komischerweise mit dem Titel MÄNNERGRIPPE überschrieben, einem Krankheitsbegriff, der darauf verweist, wie schwer es der männliche Teil der Schöpfung mit seinen Wehwehchen manchmal nimmt. Allerdings fällt der Originaltitel, MANSLAUGHTER, deutlich martialischer aus. Angesichts der Spitzen, in die sich die Geschichte schlussendlich hineinsteigert, ist es eigentlich auch passender, denn die beiden Comic-Autorinnen lassen es ordentlich krachen und schaffen ein richtig schönes, endzeitlich anmutendes Szenario.
ROGE ANTONIO kann seine grafische Nähe zu Mangas nicht verleugnen. Ist der Rest auch deutlich amerikanisiert, sind die spitzen Gesichter ein bekanntes und zugleich gelungenes Vermächtnis. Die getuschte Linie ist sehr klar, der Blick wird fein gelenkt, nichts stört. Wer einen anderen Vergleich sucht, findet diesen durchaus in den neueren Zeichentrickumsetzungen, wenngleich hier die Details höherwertiger und zahlreicher ausfallen. MARCELO MAIOLO übernimmt die Farbenpracht, häufig mit einem starken Rotanteil, symbolhaft für die nächtliche Beleuchtung, außerdem passend zur Weltuntergangsstimmung der Handlung. Diese wird durch ein paar Verweise an ein besonders düsteres Kapitel des Mittelalters noch mehr geprägt.
MARCIO TAKARA zeichnet ein vergnügliches Übergangsabenteuer, in dem es die BATGIRL UND DIE BIRDS OF PREY nach PARIS verschlägt. Vor ÖKO-TÖDLICH, so der Titel, zeichnet MARCIO TAKARA noch die erste Episode, GESCHICHTSSTUNDE. Beide Male sind die Heldinnen an für die Abenteuer ungewöhnlichen Orten. Zum einen im alten EUROPA, zum anderen mitten in der Wildnis, wo kostümierte Helden eher selten anzutreffen sind (Lagerfeuerromantik inklusive).
DER KREIS SCHLIESST SICH, der zweite Mehrteiler in diesem Band, treibt die drei Heldinnen ziemlich in die Enge. Es wird höchst persönlich, tragisch, familiär. Ob BATGIRL, HUNTRESS oder BLACK CANARY, jeder der drei jungen Frauen muss hier Federn lassen. Ganz nebenbei gibt sich noch GREEN ARROW die Ehre, allerdings als Mann in die zweite Reihe verbannt (ähnlich wie im Mehrteiler MÄNNERGRIPPE). Auf dieser Ebene wissen die Heldinnen noch mehr zu gefallen als in eher großen, fast schon episch zu nennenden Kämpfen. Zumal JULIE BENSON und SHAWNA BENSON jeder einzelnen des Trios tolle Charakterstudien auf den Leib schreiben.
In höchstem Maße gelungen, in der zweiten Hälfte ganz besonders, überwiegend von ROGE ANTONIO illustriert (die beiden Mehrteiler). JULIE BENSON und SHAWNA BENSON haben den drei Heldinnen hier ein klasse Profil verliehen und gleichzeitig die nächtliche Welt von GOTHAM CITY sehr dicht und stark bereichert. 🙂
BATGIRL UND DIE BIRDS OF GREY, MEGABAND 2, GOTHAMS TÖCHTER: Bei Amazon bestellen.
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Links:
https://www.instagram.com/rogeantonio/ (ROGE ANTONIO auf instagramm)
Samstag, 16. März 2019
Im Nachtlager der Konföderierten begegnet man dem Ende des Krieges gegen die Union mit Unverständnis, Unglauben. Einer, der nur darauf gewartet hat, dass der Krieg endlich zu Ende ist und er nach Hause gehen kann, wird als Deserteur gefangen genommen und zurückgebracht. CAPTAIN RALTON hat kein Mitleid mit dem Mann, der sich in seiner Verzweiflung immer wieder auf das Ende des Krieges beruft. Seiner Meinung nach gab es nichts mehr zu desertieren, wo sich keine Armeen mehr gegenüber stehen. CAPTAIN RALTON sieht das anders. In einem ungleichen Säbelduell tötet er den Mann ohne einen Funken Gnade …
Eine düstere Familiengeschichte, erdacht von einem Autor, der sich mit bitterbösen, bitterkomischen Geschichten einen Namen gemacht hat: ALEJANDRO JODOROWSKY. Eine Mutter, drei Brüder und ein dunkles Vermächtnis stehen im Kern der beiden hier in der ersten Gesamtausgabe von BOUNCER zusammengefassten Westernabenteuer: EIN DIAMANT FÜRS JENSEITS und DIE GNADE DER HENKER. Auf der anderen Seite steht Comic-Künstler FRANCOIS BOUCQ, hierzulande durch seine Illustrationen zur Thriller-Reihe DER JANITOR bekannt; einige Jahre vorher schon startete BOUNCER (zu Deutsch: Rausschmeißer), den FRANCOIS BOUCQ in bester Westernmanier im Stile eines JEAN GIRAUD oder COLIN WILSON illustrierte.
Den Leser erwartet ein moderner, harter, nach allen Seiten mitleidloser Western im Stile neuerer Serien wie DEADWOOD oder HELL ON WHEELS. Hier wird nichts romantisiert. Ein Haufen der Leute, die den Wilden Westen unsicher machen, sind raue Gesellen. Zynismus, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Gewaltorgien sind an der Tagesordnung. Nur ein toter Feind ist ein guter Feind. Der amerikanische Bürgerkrieg ist gerade erst zu Ende und hat das Land für viele weitere Jahrzehnte abgrundtief geprägt. Eine Horde ehemaliger Soldaten der Konföderation bahnt sich ihren Weg durch das Land mit Mord, Raub und Vergewaltigung. Da erwacht in ihrem Anführer RALTON der alte Hass auf seinen Bruder BLAKE.
Vor Jahren entzweiten sich drei Brüder in Habgier über einen ganz besonderen Diamanten, das KAINSAUGE. HABGIER offenbart sich in diesem Stein als eines der beiden Hauptmotive der beiden Geschichten, die man getrost auch als Doppelfolge bezeichnen kann. RACHE ist das zweite Motiv. Denn ein Junge musste den Mord an seinen Eltern beobachten. Nach einer ungewöhnlichen Lehrzeit sinnt er darauf, die Killer zur Strecke zu bringen. BOUNCER, so viel sei verraten, ist der Lehrmeister des Jungen. Einarmig zwar (wie auch auf dem Titelbild zu erkennen), schleppt er dennoch gleich drei Knarren mit sich herum. BOUNCER ist ein Mann, der alles andere als aufgegeben hat. Und genau diese Lektion erteilt er dem Jungen.
Großartige Szenen: Ich habe in keinem anderen Western-Comic noch keinen besser inszenierten Postkutschenüberfall gesehen als hier (in der Episode DIE GNADE DER HENKER). Einerseits ist es schon schwierig genug, auf vernünftige Weise Rasanz, Geschwindigkeit in Comics darzustellen. Dies mit einer Kutsche und rennenden Pferden zu schaffen, gleichzeitig die Dramatik der Verfolgungsjagd und des kommenden Überfalls einzufangen, ist eine wirkliche Kunst. Kurz darauf, in einer regnerischen Szene eingefangen, wird es schmutzig wie in einem Italowestern.
FRANCOIS BOUCQ hat die Atmosphäre eines Westerns toll eingefangen. Auf der Basis der von ALEJANDRO JODOROWSKY erzählten Geschichte (man glaubt fast, der Autor habe nie etwas anderes gemacht), entfaltet sich stellenweise ein echtes Spektakel. Ein Überfall auf einen Eisenbahnzug und die erwähnten Lehrstunden in Sachen WIE WERDE ICH EIN KILLER sind kinoreif. Die Szenen in Räumen, einer Schule, im Saloon sowie auf den Straßen einer Westernstadt bestechen durch die detailverliebte Gestaltung und, das muss ganz dringend hervorgehoben werden, eine sehr intensive Farbgebung.
BEN DIMAGMALIV und NICOLAS FRUCTUS sind die beiden Spezialisten, die BOUNCER ins beste Licht tauchen. Hier werden nicht nur tageszeitspezifische Farben aufgetragen, oder solche Szenen gestaltet, die sich in der Dämmerung oder bei der Beleuchtung von Petroleumlampen abspielen, hier wird auch bewusst Stimmung erzeugt. Wenn der Junge seine ermordeten Eltern im Licht der untergehenden Sonne findet oder eine Schießerei mit einer geradezu blendend strahlenden Farbgebung untermalt wird, damit eine heldenhafte Tat (aus der Sicht des agierenden Helden) noch hervorgekehrt wird, haben die beiden Koloristen mehr als alles richtig gemacht.
Ein harter WESTERN von ALEJANDRO JODOROWSKY und FRANCOIS BOUCQ. JODOROWSKY ist über das Medium Comic hinaus als Autor bekannt und hat, meiner Meinung nach, hier eine seiner besten Geschichten abgeliefert. Eng mit dem Genre verflochten, extrem nah an den Charakteren, dem historischen Hintergrund und dem Land, was diese Menschen prägt, ist ein fühlbar plastischer WESTERN entstanden, der dank eines herausragenden Illustrationsteams von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. 🙂
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Freitag, 08. März 2019
In den finsteren Tiefen des Meeres, wo kein Licht mehr zu sehen ist, die Sonne ihre Strahlen niemals herabsenden wird, sind die einzigen Leuchtquellen jagende Tiefseefische und die Scheinwerfer eines kleines Unterseebootes. Obwohl die NEKTONS Wissenschaftler sind, überaus neugierig, auch wagemutig und sie ihre Vermutungen bestägt finden wollen, wäre es ihnen vielleicht doch lieber gewesen, wäre diese Entdeckung nicht gerade im Scheinwerferlicht vor ihren Augen aufgetaucht …
Ein filmreifes Erlebnis. Die NEKTONS reihen sich in die abenteuerreifen Familien ein, wie der Genre-Freund von Abenteuer und Science Fiction sie bereits kennenlernen konnte, Stichwort FAMILIE ROBINSON. Gleichzeitig wandelt es auf den Spuren von JULES VERNE. Nicht umsonst hört das Unterseeboot der Familie NEKTON auf den Namen ARONNAX. (Auch der Name des Meereswissenschaftlers aus 20000 MEILEN UNTER DEM MEER; so ziemlich der berühmteste Roman des französischen Schriftstellers.) Es gibt noch viel zu entdecken in den Weltmeeren, Rätsel und merkwürdige Sichtungen gibt es zuhauf, da wundert es nicht, dass sich Autor TOM TAYLOR ausgerechnet den Ozean als Abenteuerspielplatz ausgesucht hat.
An der Seite einer ausgewogenen Familie, toughe, intelligente Eltern und schlauen, draufgängerischen Kindern, geht es hinab in die Tiefe mit einem sehr sicheren Unterseeboot auf die Suche nach DRACHEN. Die vorliegende Ausgabe fasst die beiden im Original erschienenen Bände HERE BE DRAGONS und THE VANISHING ISLAND zusammen. Es fängt relativ harmlos an. Vor der Küste GRÖNLANDS ist nach einem Seebeben zu ungewöhnlichen Sichtungen gekommen. Am Ort des Geschehens angelangt birgt der Fund eines überdimensionalen Zahns den Startschuss für ein sich sehr schnell aufbauendes Abeteuergeschehen.
Süße Nebenfigur: Kann man einem Fisch Kunststücke beibringen? Oder ihn abrichten? ANT, so der Name des Jüngsten der Familie NEKTON, will seinen Fisch JEFFREY das Apportieren lehren. Eingentlich eine sinnvolle Idee, aber ob sie umsetzbar ist bzw. sein wird, soll hier nicht verraten werden. FONTAINE, ANTS ältere Schwester, hält jedenfalls gar nichts von der Idee. Dabei ist sie von Comic-Künstler JAMES BROUWER sehr putzig und sehr amüsant umgesetzt. Ohne allzu sehr an der Mimik des Fisches zu feilen und damit nach DISNEY auszusehen, entlocken JAMES BROUWER und TOM TAYLOR dieser Figur dennoch einen kleinen Charakter.
Gigantisch: Darunter geht es bei den NEKTONS nicht. Jedes der beiden Abenteuer hat sich im Kern ein sehr großes Thema ausgesucht. Grafisch wird von JAMES BROUWER in einer grafisch butterweichen Optik umgesetzt. Hier wird schon die spätere Umsetzung des Trickserien-Events vorweg genommen. Aber ich muss sagen, dass mir die Originaloptik hier noch um Längen besser gefällt, als die spätere mittlerweile typisch gewordene Computeranimationsgrafik. Hier sind die Figuren noch von Hand gemacht und werden von JAMES BROUWER in ein Tiefseeambiente geschickt, das in seinen besten Momenten nicht nur an Klassiker wie ABYSS erinnert und ebensolche Atmosphäre besitzt, wenn es dunkel, klaustrophobisch wird.
Gleichzeitig wird jener schöne klassische Abenteuerzauber eingefangen, wie es JULES VERNE mit 20000 MEILEN UNTER DEM MEER oder REISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE vorgemacht hat. Das ist teils ein wenig INDIANA JONES unter Wasser, wenn die Ansichten geheimnisvoller oder auch exotischer werden. JAMES BROUWER setzt gerade die unter Wasser wichtigen Lichteffekte schön ein und reizt die Computerkolorierung zu diesem Zweck perfekt aus.
TOM TAYLOR und JAMES BROUWER haben hier ein feines, spannendes Abenteuer für die ganze Familie auf Comic-Seiten gebannt. Dies hätte ebenso gut die Vorlage zu einem Kinofilm sein können, nicht nur einer Fernsehserie, denn die Optik ist kinotauglich, die Grafik schmeichelt dem Auge und die von JAMES BROUWER gestalteten Figuren sind Sympathiegaranten. Diese hier zusammengefasste Serie aus AUSTRALIEN sei allen Abenteuerfans, die auf der Suche nach kindgerechten Stoffen sind, ans Herz gelegt. 🙂
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Donnerstag, 07. März 2019
Wer ist die Frau, die LARRY MAX belästigt? In welchem Verhältnis stehen all die verschiedenen Frauennamen zueinander, die LARRY MAX bei seinen Recherchen ausgräbt? Was wurde aus diesen Frauen? Wichtiger noch: Wie sah das Schicksal seiner Eltern tatsächlich aus? Was geschah am Tag des Flugzeugabsturzes? LARRY MAX geht unaufhaltsam auf die Lösung eines Geheimnisses zu, mit dem Kopf durch die Wand, doch was ihn am Ende erwartet, darauf ist selbst er nicht gefasst.
LARRY MAX hat es nicht leicht gehabt in seinem Leben, noch ist er je bereit gewesen, den leichten Weg zu nehmen. Die Eltern kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Immerhin hat er seine Schwester, die ihm noch Famlie ist und zur Seite steht. STEPHEN DESBERG führt hier den Zweiteiler UNDERCOVER fort. Begonnen hat alles mit Band 17, LARRY’S PARADISE, nun lichten sich die Geheimnisse. Es könnte kaum schlechter für LARRY MAX kommen. Denn sein über viele Jahre aufgebautes Weltbild, die eigene Geschichte wird ziemlich auf den Kopf gestellt.
STEPHEN DESBERG überrascht den Leser nicht nur mit einer sehr dicht erzählten Handlung, er hat auch einige Wendungen parat, die den weltbesten Steuerfahnder so stark in den Mittelpunkt der Geschichte rücken wie lange nicht. Während eine geheimnisvolle Organisation Jagd auf Menschen macht, die sich der Korruption im globalen Stil schuldig gemacht und Milliarden in dunklen Kanälen beiseite geschafft haben, wird LARRY MAX mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Man gewinnt zeitweilig den Eindruck, STEPHEN DESBERG wolle seinen Helden hier demontieren oder zumindest vor einen vollkommenen Neuanfang stellen. Das ist, gemessen an der Langlebigkeit der Serie, eine Technik von STEPHEN DESBERG, die eine Figur wie LARRY MAX gar nicht erst Staub ansetzen lässt.
BERNARD VRANCKEN steht weiterhin für das an die Realität angelehnte Design. Wer die Thrillerserien im Medium Comic in den letzten Jahren (Jahrzehnten eigentlich) verfolgt hat, kann hier sogleich einsteigen (bei einem Zweiteiler, die Kenntnis des jeweils ersten Bandes vorausgesetzt). Gleichzeitig gibt es eine Film-Noir-Stimmung (man beachte das Frauenportrait im Hintergrund des Titelbildes, ein gelungener Hinweis auf dieses Genre), die durch kleine Rückblicke, Erinnerungen befeuert wird und sich farblich in einer graubraunen Tönung absetzen.
Der ernste LARRY MAX: Man sieht es gleich auf dem Titelbild, LARRY MAX ist ein gut aussehender Typ, von der knallharten Sorte und die lachen bekanntlich nicht. Fast nicht. Ein einziges Mal entgleisen LARRY MAX‘ Gesichtszüge. In einem Gespräch mit seiner Schwester kann er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Viel öfter sieht man nachdenklich, verärgert, kalt, allenfalls freundlich aufgeschlossen, doch kaum mehr wird der Titelfigur von BERNARD VRANCKEN und STEPHEN DESBERG nicht zugestanden. Sogar optisch wird hier deutlich, dass der Leser keine Spassnummer erwarten darf.
STEPHEN DESBERG erzählt einen geradlinigen Thriller mit einem Helden, der in die 18. Runde geht. LARRY MAX hat immer noch seine Geheimnisse und gegen Ende erfährt sein Leben eine Neuausrichtung. Die Serie bleibt und gleichermaßen sich treu. Für Fans und Thriller-Freunde uneingeschränkt zu empfehlen (Band 17, der erste Teil der Doppelfolge, sollte allerdings bekannt sein). 🙂
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Mittwoch, 06. März 2019
Die Sheriffa wollte die Halunkin CORNELIA aus der Stadt heraushaben. Stattdessen wird sie zum Opfer einer Indianerüberfalls. Ein Skalp geht verloren, Männer werden geraubt, CORNELIA kann vorerst entkommen. Aus den Schwierigkeiten ist sie noch lange nicht heraus. Denn wer ein großes Kopfgeld wert ist, sollte Städte meiden. Ein Besuch eines Bordells bringt zeitweilige Freude, endet für CORNELIA aber leider in einer ungeplanten Flucht …
Verdrehte Welt. Die Frauen sind das starke Geschlecht. Die Männer sind das schwache Geschlecht. Jedenfalls nach den Massstäben jener Tage, als der Wilde Westen noch von harten Kerlen erobert wurde, Revolverhelden, Trappern und toughen Siedlern. ARNAUD LE GOUËFFLEC kippt diese Historie. Hier tragen Frauen die Knarren und Männer hübschen sich mit Kleider auf. Männer geraten in Weinkrämpfe angesichts von Indianerüberfällen (Obwohl das sicherlich einige auch damals getan haben; wer kann es ihnen verdenken?). Frauen besuchen männliche Huren. Und es gibt den Trend, dass Frauen sich mitunter als Männer verkleiden, einen Schnurrbart aufmalen und diesen Zustand genießen. Schlussendlich warten noch die Gefühle auf ihren Einsatz, denn ganz gleich welches Geschlecht hier vorneweg marschiert, die Liebe präsentiert eine eigene Rechnung.
In mehreren Kapiteln, ein typischer Serienaufbau des 21. Jahrhunderts, glänzend neu eingebauten MONDO-REVERSO-Schriftzügen (ich liebe diese Spielerei), entsteht für die Figuren in dieser Geschlechterfarce ein recht besonderes Problem. Das ist der Wilde Westen, da gab es Indianer und diese hier leben in derselben archaischen Geschlechterhierarchie wie die Weißen. Aber sie haben ein Mittel gefunden, um die Welt der Weißen gehörig auf den Kopf zu stellen.
ARNAUD LE GOUËFFLEC erzählt nicht nur eine vollkommen verrückte Geschichte (Hätte sich die MONTY PYTHONS noch eine Spur mehr getraut, hätte so etwas dabei herauskommen können.). Er triezt seinen Heldinnen und Helden zudem mit einer unfreiwilligen Geschlechterumwandlung. Da wird es schon mal derb, vulgär, eine Spur MAD. Es scheint, als würde die Geschichte, nachdem sie ARNAUD LE GOUËFFLEC erst einmal ins Rollen gebracht hat, einfach ganz alleine voranlaufen. Denn die beiden Verfolgten, CORNELIA und LINDBERGH, benötigen nur eine Verfolgerin, die Pastorin und Kopfgeldjägerin EMITT HATCHET. Die ist nicht nur sehr gläubig, nie zu Scherzen aufgelegt, sie hasst auch den Rollentausch der Geschlechter, wie sie gleich bei einem Besuch des Saloons DRAG KINGS deutlich macht.
DOMINIQUE BERTAIL verleiht seinen Grafiken mittels Brauntönung einen altmodischen Look, wie von Fotografien jener original historischen Tage her bekannt. Das verleiht den Bilder einen grundsätzlichen Charme, mildert aber kaum die Bissigkeit, das Rotzfreche und die absolut nicht vorhandene politische Korrektheit. Letztlich macht das nichts, denn hier wird nach buchstäblich allen Seiten hin ausgeteilt. Die Figuren bewegen sich auf dem optischen Grad zwischen Realismus und Karikatur. CORNELIA und LINDBERGH mögen die HeldenInnen dieses Bandes sein, der optische Schwerpunkt und augenscheinlich das, was beim Zeichnen den meisten Spaß gemacht hat, sind die Halunkinnen wie EMITT HACHET oder MUMU.
Stilvolle und sehr atmosphärische Hintergründe geben der Geschichte einen schönen Theatereffekt und unterstreichen den Charakter einer bitterbösen Komödie. Im besten Fall gelingt das im Schlupfwinkel von MUMUS Bande, die sich in einer ehemaligen Kirche verschanzt hat. Vom Altar fressen die Schweine, der Beichtstuhl ist verfallen, der Christusfigur am Kreuz wurde ein knochiger Rinderschädel über den Kopf gestülpt. Darüber hinaus lassen die vorzüglich gestalteten Landschaften nichts von den Gegenden vermissen, in denen sich nicht auch alle berühmten Wild-West-Größen wie JOHN WAYNE, JAMES STEWART oder RANDOLPH SCOTT (schöne Karikaturen im Anhang) herumgetrieben haben.
Wer bitterbösen schwarzen Humor mag, der nach allen Seiten hin austeilt, es mag, wenn Klischees völlig durch den Kakao gezogen werden, dem ein paar Anzüglichkeiten nicht peinlich sind und erleben will, wie der bekannte Western gründlich auf den Kopf gestellt wird, ist hier goldrichtig. Mit spitzer Zunge erzählt, klasse illustriert! 🙂
MONDO REVERSO 1, CORNELIA & LINDBERGH: Bei Amazon bestellen.
Oder bei Schreiber und Leser.