Die schiere Not auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs ließ den verwundeten Soldaten zu einer Verzweiflungstat greifen. Aus dem Dunkel kamen die Vampire zu den Toten und Sterbenden, um sich an ihrem Blut zu laben. Doch BALTIMORE, ein Lord sogar, dachte nicht daran, als Futter diese Welt zu verlassen. Er wehrte sich in einem letzten Aufbäumen, so nahm er zu diesem Zeitpunkt an. BALTIMORE verletzte einen der Vampire schwer. Gleichzeitig überlebte der Soldat. Nur um mitzuerleben, wie dieses von ihm getroffene finstere Geschöpf Rache schwor, Pest, Vampire und Dämonen die Welt in ein dunkleres Zeitalter stürzten, als es ohnehin schon war.
Zu Beginn allein auf der Jagd hat BALTIMORE nach weiteren Schicksalsschlägen noch andere Jäger um sich geschart. Etappenziele wurden erreicht, aber das Böse ist noch lange nicht ausgerottet. Die Welt, so scheint es, hat sich in einziges transylvanisches Fegefeuer verwandelt. Russland, Italien, Türkei, die afrikanische Mittelmeerküste, zig Orte und keiner ist verschont geblieben. In dieser Hatz ist es dank der Kolorierungskünste von DAVE STEWART, einem künstlerischen Veteran in den Welten von MIKE MIGNOLA, stets düster, höllisch rotes Licht pulsiert, Himmelsleuchten verklärt die Nacht, Unwetter ängstigen die Akteure und schaffen eine durchweg apokalyptische Stimmung. (Und natürlich darf die Koloristin MICHELLE MADSEN in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden.)
Grafisch orientieren sich die beiden Comic-Zeichner PETER BERGTING und BEN STENBECK natürlich am Ursprungskünstler MIKE MIGNOLA und seiner wunderbaren Art der Reduzierung. MIKE MIGNOLA arbeitete nicht gleich zu Beginn seiner Karriere so, wie Arbeiten wie FAFHRD UND DER GRAUE MAUSLING oder UNENDLICHE ODYSSEE zeigen. Erst mit HELLBOY führte er den ganz eigenen Stil in die Perfektion. PETER BERGTING hat zu Beginn des backsteingroßen Bandes in seiner Stilistik noch Anklänge eines Superheldenzeichners aus den 1990ern. Alles ist noch etwas fragil, langgestreckter, etwas verzerrt mitunter. Im weiteren Verlauf entsteht eine Mischform aus der grafischen Anmutung eines MIKE MIGNOLA, aber auch aus GUY DAVIS (B.U.A.P.).
BEN STENBECK (Kapitel DER WOLF UND DER APOSTEL) tendiert mit den deutlich fetter getuschten Zeichnungen mehr hin zum kräftigen Stil eines RICHARD CORBEN (BIGFOOT). Das sehr klassisch angelegte Monsterabenteuer ist eine Art Epilog zu einer Figur, die BALTIMORE bei anderen Gelegenheiten das Leben schwer gemacht hat, den INQUISITOR RICHTER DUVIC. Dieser hat auf grausame Weise die Seiten gewechselt. Das ist Gruselatmosphäre im Stile von DER FLUCH VON SINIESTRO und kommt wie klassischer HAMMER-Horror daher.
In LEERE GRÄBER und DAS ROTE KÖNIGREICH hält wieder das epische Flair in BALTIMORE Einzug. Bezeichnend für die Infernalität des Szenarios ist die Zerstörung der berühmten Pietà von MICHELANGELO im Petersdom im Herzen des Vatikans. Fans von MIKE MIGNOLA, die bereits die gigantischen Auseinandersetzungen der B.U.A.P. verfolgten, werden an der breit angelegten Geschichte ihre Freude haben. Erdrückend und bedrückend anzuschauen, wie die beiden Autoren MIKE MIGNOLA und CHRISTOPHER GOLDEN den Erdball in einen dämonischen Weltkrieg überführen. Exemplarisch gibt es eine ganzseitige Illustration, die einen überdimensional gigantischen ROTEN KÖNIG zeigt, wie er einen brennenden Globus umarmt.
BALTIMORE, vom Einzelgänger zum Teamplayer: Hier hat sich einiges getan. In frühen Abenteuern hat sich die Figur des ehemaligen Soldaten regelrecht gegen Kampfgefährten, Anhängsel, Freunde gar gewehrt und die Verantwortung für fremde Leben abgelehnt. Inzwischen aber hat BALTIMORE andere vom Schicksal geschlagene Mitstreiter getroffen, ähnlich in der Überzeugung, der Tatkraft, getrieben von Hass auf das Böse, haben die Dämonen ihre Feinde unter den überlebenden Menschen herangezüchtet. So entsteht für den Leser ein eng verzahntes Team, dicht erzählt, mit starken Charakteren.
Episch, bombastisch, ein Weltuntergangsszenario als hätten sich H.P. LOVECRAFT und WILLIAM SHAKESPEARE zu einer Geschichte zusammengefunden. Britisches Drama, finstere, unbeschreibliche, schwer fassbare Mächte, deren kleinere Stellvertreter das Grauen in die Welt tragen. Düster illustriert von PETER BERGTING und BEN STENBECK. Ein fulminanter Horror auf annähernd 550 Seiten (!). Erstklassig für Freunde des gepflegten Schreckens! 🙂
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