Montag, 25. Dezember 2017
Unmögliche Aufträge, waghalsige Aufklärungsmissionen: Dafür sind die imperialen Soldaten der NARBENTRUPPE genau die richtigen Draufgänger. Direkt DARTH VADER unterstellt, gehen sie dorthin, wo normale Truppen keine Chance haben. Zu versagen ist niemals eine Option. Vor kurzem hat die Einheit ihren Sergeant verloren, der neue, SERGEANT KREEL, muss sich erst bewähren. Deshalb sehen die Truppler einfach zu, als ihr Anführer von einem Monster in einem Abwasserkanal in die Tiefe gezogen wird. Kann er sich befreien, ist ihm einiges zuzutrauen. Falls nicht … dann gibt es eben einen weiteren neuen Sergeant.
JASON AARON entführt den Leser zu Beginn, vor dem Hauptabenteuer DER LETZTE FLUG DER HARBINGER, in eine Episode auf TATOOINE, in die Exilzeiten von OBI-WAN KENOBI. Dieses von MIKE MAYHEW ganz famos illustrierte Abenteuer zeigt sehr anschaulich die wahre Gefährlichkeit eines WOOKIE, obwohl die Kampffertigkeiten dieses Volkes in ANGRIFF DER KLONKRIEGER schon vor Augen geführt wurde. Doch der Kopfgeldjäger BLACK KRRSANTAN ist noch aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. MIKE MAYHEW zeichnet hyperrealistisch, orientiert sich aber bei den menschlichen Figuren nur an den Kinovorbildern und versucht nicht unbedingt EWAN MCGREGOR oder ALEC GUINNESS zu kopieren. Typische Charakteristika eines OBI-WAN KENOBI bleiben natürlich erhalten.
Ähnlich verhält es sich bei Comic-Künstler JORGE MOLINA, die Aufgabe übernommen hat, LUKE SKYWALKER, PRINZESSIN LEIA, HAN SOLO und andere bekannte Helden auf dem letzten Flug der HARBINGER zu zeigen. Auch dieser Künstler nähert sich den Schauspielern wie CARRIE FISHER oder HARRISON FORD an, behält sich trotzdem noch genug Raum für eigene Interpretationen der Figuren vor. So entsteht eine gute Mixtur zwischen Vorlage und Comic-Darstellung, passend zu einer sehr actionlastigen Handlung, zuweilen überdreht lustig und insgesamt bildlich überdurchschnittlich.
DER LETZE FLUG DER HARBINGER ist eine Art Selbstmordunternehmen (natürlich wollen die Beteiligten mit dem Leben davonkommen, immerhin ist der Held von YAVIN 4 mit von der Partie). Auf der anderen Seite darf man als Leser neben den Soldaten der NARBENTRUPPE ein wenig Egoshooter-Atmosphäre erleben. Wie diese Sturmtruppen in städtischen Ruinen ihrer Arbeit nachgehen, ist genau solchen Situationen wie in den jüngsten Spieleangeboten nachempfunden. Der Auftakt der Geschichte ist bitterernst und wird von einer späteren Szene getoppt, die wie eine Hommage an die brutale Kreativität von JOSS WHEDONS REAVERN wirkt.
Ob Klamauk hin oder her: Wenn PRINZESSIN LEIA und HAN SOLO ein Rennen quer durch einen STERNZERSTÖRER veranstalten, bei dem es einzig zu ermitteln gilt, wer denn der Captain des Raumschiffes sein soll, dann bleibt in gewissem Sinn kein Auge trocken. Ohne Zweifel knüpft JASON AARON an die Zwistigkeiten und Neckereien der beiden Akteure an, die schon in EINE NEUE HOFFNUNG und DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK gepflegt wurden.
Ein toughes STAR-WARS-Abenteuer ohne Wenn und Aber. Flott erzählt, fügt sich gut in die bestehende Storyline ein, grafisch ein echter Höhepunkt und Hingucker! Starke Space Opera. 🙂
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Sonntag, 24. Dezember 2017
Der Terrigen-Nebel ist für die INHUMANS kein bloßer Bestandteil ihrer Kultur und ihrer körperlichen Entwicklung. Er ist Teil eines komplexen Gefüges, eine unverzichtbare Stütze. Bei MUTANTEN wirkt er wie ein hoch dosiertes Gift, absolut tödlich. Lokal konzentriert ließe sich das Problem wortwörtlich umgehen, leider ist die Wolke in Auflösung begriffen. Ihre Inhaltsstoffe drohen auf die gesamte Welt überzugreifen. Für die MUTANTEN bedeutete dies das Ende. Ohne Rückzugsmöglichkeit. Die X-MEN, nicht alle, beschließen einen Präventivschlag gegen die INHUMANS, so lange noch Zeit dafür ist …
Vor gar nicht allzu langer Zeit gelang es einem kleinen Team junger Mutanten, X-MEN, aus der Vergangenheit in die Zukunft zu reisen. Dort mussten sie feststellen, wie sehr sich die Welt zum Schlechten verändert hatte, wieviel Leid die Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen, MUTANTEN, Menschen oder INHUMANS über die Erde gebracht hatte. Besonders CYCLOPS erfuhr, welche Katastrophe sein älteres Ich ausgelöst hatte. Statt sich aus allem herauszuhalten (wie ursprünglich geplant), wurden die Reisenden aus der Vergangenheit in die Konflikte mitten hinein geworfen und gleichzeitig ein wichtiger Bestandteil dieser Zukunft.
Bestes Beispiel ist BOBBY DRAKE alias ICEMAN, der in dem INHUMAN ROMEO seine große Liebe findet. Gleichzeitig, wie schon in klassischen Liebesgeschichten, überwindet diese Verbindung die Kluft zwischen unterschiedlichen Gruppen, hier MUTANTEN und INHUMANS, die mit ihren Fähigkeiten, den MUTANTEN ähnlich sind, ihre Kräfte jedoch auf andere Weise erwerben. Und genau dieser Werdungsprozess ist es, der die X-MEN (und andere MUTANTEN) zum Handeln zwingt, weil insbesondere MUTANTEN durch diesen Prozess konkret an Leib und Leben bedroht sind.
Deshalb wird dieses Finale zu einer heftigen Auseinandersetzung, die schließlich in einer Aufklärung einer seit längerem heimlich gestellten Frage führt. Die Autoren DENNIS HOPELESS, YVES BIGEREL und SINA GRACE beschäftigen sich einerseits mit dem Ende eines großen Konflikts und beantworten noch eine weitere Frage: Was machen Mutanten eigentlich in ihrer Freizeit? Wenn eine solch furchtbare Zeitspanne ausgestanden ist? Wenn das Adrenalin abflaut, wie kommt ein Mutant wieder runter? Wo in der ersten Hälfte der Handlung viel Drama, viel Tragik, viel Action zu finden sind, darf in der zweiten Hälfte auch ein wenig Humor zum Tragen kommen, aber nicht allzu viel.
Grafisch ist der gesamte Band Top. Optisch bleibt die von MARK BAGLEY (DER ULTIMATIVE SPIDER-MAN) illustrative Vorgabe auch bei den anderen Zeichnern erhalten, einzig die Abschlussepisode, eine Art Nachtisch zum Finale, DIE RÜCKKEHR DES PHOENIX, tendiert mehr in Richtung einer Manga-Replika. Der X-MEN-Fan findet hier große Gefühle optisch umgesetzt (Stichwort: Romanze), Action satt (klar, wenn zwei große Gruppen mit irren Kräften aufeinander treffen) und einen ruhigeren Ausklang (Stichwort: Urlaub). In diesem Ausklang gilt ein besonderes Augenmerk der Kolorierung, die hier am besten gelungen, sehr kräftig und leuchtend geworden ist.
Starkes Finale, befriedigendes Ende mit einem Blick hinter die Gefühle und Beziehungskulissen der Helden. Eindeutig für Fans der Serie (wer den bisherigen Werdegang der Storyline nicht kennt, hat es schwerer und sollte unbedingt in den vorherigen Bänden einsteigen). 🙂
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Dienstag, 19. Dezember 2017
In der Zukunft: SUPERMAN stirbt und mit ihm eine ganze Welt. In der Gegenwart: SUPERMAN erhält eine Einladung der INFINITY CORPORATION. Bei seiner Ankunft erwartet ihn eine Überraschung. Tote SUPERMEN, den Angaben des jugendlichen Teams dieser seltsamen Firma nach mindestens 60 Leichname, bilden ein furchtbares Knäuel auf den kalten Stahlböden des futuristischen Gebäudeinnenlebens. Dennoch hält sich das Grauen bei den jungen Leuten, besonders bei ihrem offensichtlichen Anführer VINCENT in Grenzen. Seine Bemühungen scheinen einzig darauf abzuzielen, SUPERMANS Leben zu retten …
KRYPTON: Ein zerstörter Mythos des DC-Universums, dank SUPERMANS Herkunft häufiger Erzählmittelpunkt gewesen, wird in der Gegenwart der JUSTICE LEAGUE OF AMERICA zu einer planetaren Bedrohung. Eigentlich sollte es für SUPERMAN ein Grund zur Freude sein, einen Rest seines Geburtsortes auf der Erde begrüßen zu dürfen, doch allein der Auftakt der Geschichte kündet von einer furchtbaren Katastrophe. Denn SUPERMAN wird sterben. Wieder einmal. Nicht nur ein Mal.
BRYAN HITCH, spätestens seit seinen Arbeiten für DIE ULTIMATIVEN (MARVEL) auf dem Olymp der Comic-Zeichner in den USA angekommen, gibt mit dem Titelbild dieser JLA-Ausgabe sogar einen dezenten Hinweis auf diese frühere Arbeit des DC-Konkurrenten. Es mag kaum ein Zufall sein, dass die JUSTICE LEAGUE OF AMERICA ähnlich als Gruppe in die Höhe strebt, wie es das Team um CAPTAIN AMERICA vor ein paar Jahren tat. BRYAN HITCH ist hier als Zeichner und Autor gleichermaßen unterwegs (als Autor zusammen mit CROSS-GEN-Veteran TONY BEDARD), eine Kombination, die der Handlung sehr gut bekommt.
WANN IST EIN GOTT EIN GOTT? Es ist noch nicht lange her, da wurde ein ähnliche Thematik in BATMAN V SUPERMAN aufgegriffen. Ist grenzenlose Macht die Grundlage? Unsterblichkeit? Auch KRYPTON hatte seinen Gott: RAO. Mit dem Untergang des Planeten verschwand ebenfalls der Gott, aber er starb nicht. Der Leser (der sich bald schon mit der neuen Fernsehserie um KRYPTON ein noch breiter gefächertes Bild von SUPERMANS Ursprung machen kann) erfährt hier einiges Neues über die kryptonische Kultur, denn an der Seite der GREEN LANTERN geht es 250.000 Jahre in die Vergangenheit.
Damit endet das Thema GOTT noch nicht. Mehr als nur nebenbei erfährt der Leser noch etwas über den Zustand des OLYMP. DIANA alias WONDER WOMAN hat einen neuen Platz innerhalb der Göttersphäre eingenommen. Die einstige Amazone hat den Platz des verstorbenen ARES, des Gott des Krieges, eingenommen. Darüber hinaus gelingt es BRYAN HITCH ganz toll, jedem der JLA einen ordentlichen Teil der Handlung zu gewähren, jedem eine Aufgabe zuzuweisen, die jeweils gut zum Profl der Heldenfigur passt und ihr gleichzeitig (was nach so vielen Jahrzehnten des Bestands nicht einfach ist) ein paar neue Seiten abgewinnt. Beispielhaft ist hier AQUAMANS anfängliche Einstellung zu RAOS Propheten zu nennen.
Ein weiteres großes Plus der vorliegenden Geschichte DER KRYPTONISCHE GOTT ist die Mixtur zwischen Superheldenabenteuer und Space Opera. Verschiedene Schauplätze, Erde der Gegenwart, antikes Krypton, Olymp bieten eine tolle optische Mischung, in der sogar ein BATMAN mit neuem Spielzeug überrascht, eine WONDER WOMAN eine wahnsinnige Aggressivität entwickelt (Stichwort: Kriegsgöttin) und SUPERMAN eine kämpferische Herausforderung meistern muss, wie es sie wohl nur im Kampfe gegen DOOMSDAY oder im Umfeld des WELTENKRIEGS gab.
Ganz großes Comic-Kino, schlichtweg bombastisch und nahezu jeder aus dem JLA-Team hat eine Menge Screentime, wie man es cineastisch ausdrücken würde. Dank BRYAN HITCH (jedem Fan des Comic-Künstlers sehr ans Herz legen) ist hier eine sehr starke Superheldengeschichte entstanden. Rasant, intelligent, spannend. Klasse! 🙂
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Freitag, 15. Dezember 2017
NIKKI SINGSTOCK hatte einmal den Wunsch ins All zu fliegen und eine Astronautin zu werden. Es kam anders. FANNIE wollte zusammen mit ihrer Tochter die Welt der Engländer hinter sich lassen und in die gottesfürchtige Abgeschiedenheit der AMISCHEN aufgenommen werden. Es kam anders. Und DERRICK HINCH wollte sein Glück im Tätowieren finden. Und er tätowierte. Glück brachte es ihm nicht … Nur drei Einwohner aus WISCONSIN, in und um WAUSAU, deren Wünsche sich nicht erfüllten. Für so manchen sollte es sogar noch schlimmer kommen.
DEATH BECOMES HER. Um es mit dem modernen Totenklassiker von 1992 zu sagen. Oder: Der Tod steht ihr gut. Oder sogar noch besser, denn plötzlich ergeben sich Möglichkeiten, an die vorher niemand gedacht hat. Andererseits hören die Probleme nicht auf. Es entstehen bloß neue. Lebende Tote (ohne Hunger auf Menschenfleisch, meist bei klarem Verstand, sofern das vorher schon der Fall war, und mit enormen Regenerationsfähigkeiten) wecken Begehrlichkeiten, natürlich und vor allem bei Militär und Wissenschaft.
Genüßlich walzt Autor TIM SEELEY das Aufeinandertreffen von amerikanischen Kleinstadtleben, Militär, einer endzeitlich religiös angehauchten Stimmung und äußerst mysteriösen Ereignissen aus. Die verkrampfte Aufrechterhaltung einer gewohnten Ordnung gerät so schnell zur Farce. Selbst Drogendealer, die weiter ihrer Tätigkeit nachgehen wollen, müssen sich etwas einfallen lassen. Alles geht nach und nach über verschiedene Bodenschwellen den Bach runter. Und das ist bei weitem nicht alles.
Die Toten und die nahebei herumirrenden Seelengestalten waren bisher ein Mysterium. Es gab Lösungsansätze, aber am einfachsten war es für die Beteiligten, diese Wiedergänger einzusperren. Hilfe erwuchs durch die mitfühlende Psychologin DR. MARINA LAURO, für die jene Gefangenen keine Objekte waren, die zwecks Experimenten eingesperrt wurden. TIM SEELEY führt den Leser durch sie an die Toten heran. Und natürlich durch die prominenteste unter ihnen: MARTHA (M) CYPRESS, tot und gleichzeitig schwanger.
Ein Wort (oder mehr) zur Arbeit von JENNY FRISON. Die Front- und Back-Cover werden von ihr gestaltet, aufwendiger als die Innenbilder von MIKE NORTON (Farben: MARK ENGLERT). Der Gemäldeeffekt bei JENNY FRISONS Arbeiten ist weitaus höher. Häufig wird ein bestimmter Charakter der Serie herausgegriffen und prominent in Szene gesetzt. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine Hauptfigur handeln und gerade das macht noch einen weiteren Reiz der Bilder aus. Denn so erhalten, nur mittels eines (jedes Mal hervorragenden!) Bildes, besagte Figuren wie zum Beispiel DANAS Sohn COOPER mehr Tiefe. JENNY FRISON hat einen Blick und ein Händchen für Gesichtsausdrücke, gerade so, wie es (gute) Portraitmaler auch mitbringen. Das für die 7. Sammelausgabe, Untertitel VORWÄRTS!, ausgewählte Bild, ist ein besonderer Höhepunkt. Auf einen menschlichen Rücken werden ein paar ausgewählte Motive der bisherigen Handlung tätowiert.
COOPER CYPRESS spielt zwar eine kleine Rolle, aber er gibt der Geschichte eine entscheidende Wendung durch ein Detail, dem bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde (in einem Film oder einer Serie gäbe es den berühmten Aha-Effekt). Stichwort: COOPER-COMICS. Ein (sehr kindlicher) Comic im Comic.
Clowns und Freaks. MIKE NORTON hat in der zweiten Hälfte des vorliegenden Bandes zwei sehr unterschiedliche und zwei höchst spannende, weil unerwartbare Handlungstränge zu zeichnen. Es wird sehr blutig, radikal, dann ungewöhnlich, teils lustig und zugleich wird der Geschichte eine neue Figur spendiert, die sich wegen ihres merkürdigen Hintergrundes nahtlos in REVIVAL einfügt (obwohl ich auch den Verdacht nicht loswerde, dass hier eine Art Verbeugung TIM SEELEYS vor der Arbeit von MARK MILLAR stattfindet). MIKE NORTONS Bilder sind stilistisch versiert, am Realismus orientiert, Mittlerweile kennt er seine Figuren und sein WAUSAU im Bundesstaat WISCONSIN eben perfekt.
Eine perfekte Mystery-Soap (sofern der Begriff aus einem anderen Medium in den Comic übertragbar ist) von TIM SEELEY. Kein Band für Neueinsteiger, aber sicherlich ein Band, der Fans der Serie einmal mehr dranbleiben lässt! Gewohnt klasse von MIKE NORTON illustriert, mit tollen Cover-Grafiken von JENNY FRISON. 🙂
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Dienstag, 12. Dezember 2017
GOTHAM: In der Stadt, in der sich die Freaks austoben, BATMAN immer alle Hände voll zu tun hat und es wohl nie schaffen wird, sämtliche Irre, Superschurken, gewöhnliche Halunken und Terroristen aus dem Verkehr zu ziehen, taucht plötzlich unerwartete Hilfe auf. Sie nennen sich selbst GOTHAM und GOTHAM GIRL. Seitens BATMAN wird die Hilfe mit dem üblichen Misstrauen und einer typischen Skepsis aufgenommen. Und zuerst sieht es tatsächlich einmal so aus, als würde sich der DUNKLE RITTER irren …
ICH BIN GOTHAM. Wer würde bei dieser Aussage nicht sofort an BATMAN denken. Aber so einfach ist es in dieser Sammelausgabe um zwei neue jugendlichere Helden im altehrwürdigen GOTHAM nicht. Und es handelt sich nicht etwa um zwei neue SIDEKICKS des DUNKLEN RITTERS. GOTHAM und GOTHAM GIRL treten auf auf wie die menschliche Verkörperung einer heruntergekommenen Stadt, die ihren Bewohnern mehr nimmt, als sie ihnen gibt. TOM KING und SCOTT SNYDER geben diesen neuen Figuren eine Geschichte und besondere Fähigkeiten, die einen BATMAN erst einmal überraschen und schließlich sogar die JUSTICE LEAGUE auf den Plan ruft.
Im Rahmen des REBIRTH-Events, der WIEDERGEBURT DES DC-UNIVERSUMS, fließen auch neue Ideen in altbekannte Strukturen ein. Wer glaubte, in GOTHAM, der schmutzigsten und gefährlichsten Metropole des DC-Universums, werde sich so schnell keine Neuerung finden, lernt hier zwei Charaktere kennen die zugunsten ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit noch einen Schritt weiter gegangen sind als BATMAN. Kaum vorstellbar, aber es ist so.
REBIRTH von GOTHAM bedeutet: Dunkel, dunkler, noch dunkler. Dank der virtuosen Zeichner MIKE JANIN, IVAN REIS und allen voran natürlich dem meisterhaften DAVID FINCH ist die neu inszenierte düstere Großstadt so anmutig wie eine halb verrottete, nächtlich gleißend angestrahlte Burg. Kurz nach der Einführung eines neuen SIDEKICKS, DUKE THOMAS, in neuem Design, kaum im Stile eines ROBIN, geht der Vorhang auf für die eigentliche Handlung, deren explosiver Start andernorts schon fliegende Helden auf den Plan gerufen hat. Ein toller Auftritt eines BATMOBILS im Stile der ANIMATED SERIES aus den 1990er Jahren inklusive darf BATMAN eine seiner größten und schwierigsten Heldentaten schlechthin absolvieren.
Design: Einerseits wirkt das Outfit der neuen Helden an BATMAN angelehnt (was auch gut hergeleitet wird), andererseits vermittelt es einen altmodischen, leichten Gothic-Look. GOTHAM und GOTHAM GIRL wirken wie aus der Zeit gefallen. Oder anders ausgedrückt: Zurück in die 1950er. Der grafische Stil ist komplett auf die Strichführung eines DAVID FINCH ausgerichtet, der gleichauf in einer Liga wie JIM LEE spielt (ebenfalls ein begnadeter BATMAN-Illustrator). DAVID FINCH hat für düstere Szenarien die richtige Handschrift. (MARVEL-Fans finden bei MOON KNIGHT einen entsprechenden Beweis. Ausgerechnet wieder ein nächtlicher Ritter!) Höhepunkte sind ein Kampf mit SOLOMON GRUNDY, ein weiterer Fight mit allen Mitteln (BATMAN setzt wirklich alles ein!) und eine Epilog-Sequenz, in der eine verirrte Seele wieder auf den rechten Weg gebracht wird.
Verirrte Helden mit einem Fanatismus, einem Rachegedanken, der größer ist als jener von BATMAN? Helden, bei denen der Wunsch zu helfen zum Zwang wird? Eine frische Idee krempelt dank der Autoren TOM KING und SCOTT SNYDER die Welt des DUNKLEN RITTERS um. Genial illustriert, vorneweg von DAVID FINCH. Klasse! 🙂
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Sonntag, 10. Dezember 2017
Dutzende. Hunderte. Tausende. Zigtausende. Was ist schon ein ZOMBIE? RICK GRIMES und seine Gefährten sind geübt in der endgültigen Vernichtung einzelner Untoter. Sie haben sich mit Herden angelegt und mit List gewonnen. Doch die verwesende Masse, die nun gegen ihre Zuflucht aufmarschiert, könnte das Ende für alle überlebenden Menschen bedeuten. Nur eine irrsinnige, völlig verzweifelte Maßnahme könnte die Katastrophe abwenden. ANDREA, EUGENE, MICHONNE und einige andere wagen den Ausfall im lebensgefährlichen Versuch, die Armee der ZOMBIES wegzulocken …
ROBERT KIRKMAN hat seine langjährige Leserschaft schon mehrfach schocken können (bei den Zuschauern der Fernsehserie ist es ihm auch gelungen). Meist hing das mit einigen unvorhersehbaren Ereignissen zusammen. Wie und wohin entwickelt sich eine Gruppe? Und vor allem: Wer wird sterben? Frühere Gesetzmäßigkeiten, nach dem STAMMPERSONAL einer Geschichte überlebt und nur REDSHIRTS das Zeitliche segnen, sind seit einigen Jahren bei vielen Gelegenheiten, in vielen Genres und noch mehr Autoren ad acta gelegt. ROBERT KIRKMAN macht da keine Ausnahme, im Gegenteil, man könnte ihn zu den Vorreitern dieser neuen Erzählkultur zählen, die vorher nur Ausnahmen waren.
DER SICHERE TOD lautet der Titel der 28. Episode von THE WALKING DEAD. Es wird nicht mehr versucht, eine alte Gesellschaftsform zu reaktivieren, vielmehr entwickelt sich langsam etwas Neues. Langsam, denn die Ruinen der alten Zeit ohne ZOMBIES legen für einen echten Neuanfang immer noch Knüppel (eher ganze Wälder) in den Weg. So beginnt die neue Folge mit einem apokalyptischen Aufmarsch von Untoten. Hier bahnt sich keine Herde, sondern eine ganze Armee ihren Weg. Zehntausende ZOMBIES werden von einer feindlichen Gruppierung als Waffe eingesetzt, in der Hoffnung, damit werde sich das Problem um die Gruppe um RICK GRIMES endlich erledigt haben.
Ungewöhnliche Situationen ergeben ungewöhnliche Maßnahmen. Nicht nur im Feldzug gegen die untoten Horden, sondern auch innerhalb des eingezäunten Areals der Gemeinschaft finden seltsame Arrangements statt. Wie sehr NEGAN noch einmal ins Zentrum der Geschichte rücken wurde, dürfte ziemlich überraschend für den einen oder anderen Leser sein. Zumal seine Vorgeschichte (nicht das jüngst erschienene PREQUEL) nicht gerade dazu einlädt, ihn seinen comicalen Mitstreitern sympathischer zu machen.
Optisch legt sich da Grafikteam ins Zeug; viel Feind (ZOMBIES), viel zu tun! In der ersten Hälfte gibt es für den Leser satte Action, während die zweite Hälfte wohl eine der einfühlsamsten, traurigsten Sequenzen sein dürfte, die CHARLIE ADLARD und sein Team (Tusche: STEFANO GAUDIANO, Graustufen: CLIFF RATHBURN) je umsetzen mussten. Mehr soll dazu nicht gesagt sein, aber die Länge und die Intensität dieser Sequenz haben es wirklich in sich.
ROBERT KIRKMAN zelebriert den Abschied. Fiktionale Charaktere können einem zweifellos als Fan ans Herz wachsen (einem Autoren erst recht). Welche Auswirkungen ihr (ebenso fiktionaler) Tod hat, konnte über Jahrzehnte hinweg beobachtet werden. Die Trauer einer anderen Figur wird dem Leser sehr nah vor Augen geführt, intensiv, in einer fantastisch gut erzählten Sequenz. Tolle Folge. 🙂
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Sonntag, 03. Dezember 2017
JAMES ist Journalist, auf der Suche nach der großen Story. Jetzt scheint er etwas gefunden zu haben. Nachdem er versucht hat, an seiner Freundin rumzufummeln, im dunklen Kinosaal, während einer Vorstellung von DER PATE, rückt er mit der Nachricht heraus. Für die Fummelei handelt er sich eine Ohrfeige ein, weil Sex vor der Ehe für WENDY nicht in Frage kommt. Die Geschichte allerdings interessiert sie als Fotografin. Keiner der beiden ahnt, wie gefährlich ihnen der aus ihrer Sicht uralte Hauptdarsteller der geplanten Story noch werden wird …
Hart. Härter. Drecksack. TORPEDO. So etwa könnte eine Steigerungsform in Form auf den gealterten Hitman ausfallen. LUCA TORELLI alias TORPEDO ist über 60, seine für ihn glorreichen 1930er Jahren liegen lange zurück. Aber nur die Knochen und Muskeln haben gelitten, Parkinson lässt die Hand zittern. Emotional hat sich nichts geändert. TORPEDO ist brutal, ohne Gewissen und ohne Mitleid. Andere Menschen bedeuten ihm nichts, nicht einmal der langjährige Sidekick RASCAL, den er immer noch mit Vorliebe drangsaliert (und der sich weiterhin alles gefallen lässt, das muss irgendwie Liebe sein).
Die äußeren Umstände, wie man so schön sagt, sind nicht nur körperlich andere geworden. Früher hat TORPEDO von seinen Aufträgen sehr gut, sehr bequem, sehr komfortabel leben können (vielleicht ein Grund, warum RASCAL es so lange neben TORPEDO ausgehalten hat). Im Jahr 1972 hat sich nicht nur eine leidlich neue Jugendkultur ihre Bahn geschlagen, TORPEDO ist auch verarmt, wohnt mit RASCAL in einer Bude, die mehr für die Abrissbirne taugt, und jagt auf seine Art Tauben für die nächste warme Mahlzeit im Stadtpark. Um das Maß voll zu machen, ist die alte Welt der Mafiosi dank des Kino-Blockbusters DER PATE zur Popkultur geworden. Verbrechen als New Yorker Lokalkolorit.
Dennoch: TORPEDO hat noch ein letztes Mittel, um Geld zu verdienen. Er verkauft seine Vergangenheit. Jeder Name, jedes Geschehen, jede Erinnerung, jedes Foto kostet und das nicht zu knapp. ENRIQUE SANCHEZ ABULI seine TORPEDO 1936-Variante neu belebt, ihn in eine Zeit geworfen, die der alten Gefahr durch Gangster rotzfrech gegenübertritt, sehr naiv sogar, zuweilen geradezu blind und blöd. Punktum: Perfekte Opfer für TORPEDO und der Grund, warum es noch niemand geschafft hat, den Alten um die Ecke zu bringen.
Die Wiederbelebung von TORPEDO durch E. S. ABULI funktioniert besonders gut durch die Gegensätze. Der Killer LUCA TORELLI steht für eine andere Zeit, die spätestens in den 1950er Jahren eine starke Veränderung erfuhr, als die ehrenwerte Gesellschaft sich noch etwas auf ihren Stellenwert einbildete, die familiäre Abgrenzung gegenüber anderen kriminellen Vereinigungen etwas bedeutete. In den 1970ern treiben sich bei E. S. ABULI die Nachfahren jener Familien in Spelunken herum und belächeln die alten Tage mit einem debilen Grinsen.
Als grafischer Nachfolger vom langjährigen Zeichner JORDI BERNET (der 1936-Variante) steht der ausgezeichnete Illustrator EDUARDO RISSO in den Startlöchern. EDUARDO RISSO hat reichlich Erfahrung in Thrillerszenarien gesammelt. Nachprüfen konnte die Leserschaft das hierzulande mit Veröffentlichungen wie JONNY DOUBLE oder 100 BULLETS. EDUARDO RISSO arbeitet mit einfachen, dünnen Strichen, er mag außerdem eine künstlerisch übertriebene Schattierung, wie er in der reinen Schwarzweißumsetzung des Comic-Dreiteilers VAMPIRE BOY unter Beweis gestellt hat.
Besonderes Markenzeichen von EDUARDO RISSOS Arbeit sind die Visagen. Schönheiten wie allgemein bei Superheldencomics auftauchend sind bei EDUARDO RISSO eher Nebendarsteller. RISSOS Charaktere können einem an der nächsten Straßenecke begegnen. So ist er für JORDI BERNET ein perfekter Nachfolger, denn auch BERNET verstand sich auf echt wirkende Figuren. Gerade das macht einen der Reize in dieser sehr ungeschminkten Gangster-Oper aus.
Neue Zeit, alter TORPEDO. Er hat nichts verlernt, aber auch nichts dazugelernt. TORPEDO bleibt TORPEDO, auch mit Parkinson. Eine dreckige Gangsterballade von E. S. ABULI, stilistisch exzellent von EDUARDO RISSO gestaltet. Wer den TORPEDO von 1936 mochte, wird den von 1972 ebenfalls ins dunkle Herz schließen. 🙂
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Samstag, 02. Dezember 2017
Probleme gibt es im Rheingau reichlich. Dazugehört natürlich alles, was der Lese schadet. Stare sind ein Gräuel, sie müssen aufwändig vertrieben werden, mit Krach, Gerassel, oder mit Böllern, wenngleich die Umsetzung durch OSKAR auch ihre Folgen hat. Animositäten sorgen für reichlich Ärger, ungewöhnliche Abenteuer am Rande, wie ein FERDINAND erfährt, der, als Gespenst mit Bettlaken verkleidet, plötzlich einem echten Geist in jenen vergangenen Tagen gegenüber steht. Aber KARL gibt bei all den Schwierigkeiten nicht auf, meistert die Sabotage eines FERDINAND, die Nachlässigkeiten eines OSKAR, unterstützt durch die Zuneigung seiner MARIA und erfindet ganz nebenbei neue alkoholische Produkte.
KARL, DER SPÄTLESEREITER. Von der Idee im Jahre 1987 bis zum ersten Album 1988 im eigenen Verlag war es für den KARL, eine deutsche Comic-Figur (!), kein einfacher Weg. Nachdem bestehende Verlage den beiden Comic-Machern PATRICK KUNKEL und MICHAEL APITZ mit ihrem Projekt nur ablehnend gegenüber standen, beschlossen sie, KARL in eigener Hand selbst umzusetzen. Und wie es manchmal so ist, wurden sie dafür mit Erfolg belohnt und KARL fand seiner Leserschaft.
Nach eigener Aussage wollte MICHAEL APITZ gerne etwas im Stile von ASTERIX machen, vielleicht mit ein wenig LUCKY LUKE oder TIM UND STRUPPI. Wie gut dieser Ansatz in einem Szenario, angesiedelt in deutschen Landen im Spätsommer des Jahres 1775 funktioniert, zeigt sich am ersten Band der Reihe, von dem sich in mehreren Auflagen mehr als 150.000 Stück verkauften. 30.000 gingen sogar englischsprachig über die Theke. Das sind selbst (oder besonders) nach so langer Zeit im Comic-Bereich traumhafte Verkaufszahlen. Und gleichzeitig damals eine gute Grundlage, um mit KARL weiterzumachen. Dabei war mit dem ersten Comic auch viel LEARNING BY DOING.
Im Ergebnis aber gehen die Bilder von MICHAEL APITZ mit ihren Vorzeichnungen, der Tuscheumsetzung, der späteren Kolorierung mittel Aquarelltechnik und Plakafarben in die grafische Richtung der Vorbilder aus der frankophonen Nachbarschaft. Die Zeichnungen besitzen nicht ganz so intuitiven Charakter wie die Bilder eines MORRIS. Sie sind eher optisch einem ALBERT UDERZO während seiner UMPAH-PAH-Phase nahe. Von MICHAEL APITZ erhält jede Figur ihr ganz persönliches Gesicht, Haltung, Gestalt. In dieser sich dem Leser bietenden Vielfalt dürfte auch ein Erfolgsrezept der Reihe zu finden sein, zumal mit den Auftritten karikierter Prominenz ein weiteres Rezept der Kollegen UDERZO und MORRIS hinzugefügt wurde.
So tauchen nicht nur JOHN WAYNE, SYLVESTER STALLONE oder DAVID NIVEN im RHEINGAU auf. Es hagelt außerdem viele Anspielungen, das Lokalkolorit spielt eine immense Rolle und natürlich beginnt alles mit der zufälligen Erfindung der SPÄTLESE. Ausgehend von einer wahren Legende, des Traubenkuriers, entstand DER SPÄTLESEREITER, dem die beiden Bände DAS FASS DER ZISTERZIENSER und DIE REVOLUTION folgten.
Ein schönes Stammpersonal in KARL bildet wie im Vorbild von RENE GOSCINNY ein Team zum Mitfiebern und Lachen. MARIA, OSKAR, der frankophile Rüde GRANDPATTE, der Lump FERDINAND oder PATER ANSELM (alle auf dem Titelbild der Gesamtausgabe vertreten) bieten eine gelungene Palette von jeweils fein ausgedachten Charakteren. Aber die mehr oder minder heimliche Hauptattraktion ist natürlich der Wein. Darf man der SPÄTLESE im ersten Abenteuer beiwohnen, ist es in Band 3 die Entstehung des SCHAUMWEINS, dessen Geheimnis hier gelüftet wird.
Ja, es ging doch, muss man aus heutiger Sicht sagen, denn nach KARL hat sich kaum mehr ein Comic aus Deutschland so schön herausgemacht. Ein Grund mehr diesen jungen Klassiker zu Recht mit einer Gesamtausgabe zu würdigen. Cartoon-Abenteuer aus deutschen Ländern, sehr europäisch verortet, gekonnt illustriert und mit ordentlich viel Humor erzählt. Schön, schön, schön, empfehlenswert! 🙂
KARL, Gesamtausgabe 1: Bei Amazon bestellen.
Oder bei Finix Comics.