Dienstag, 29. August 2017
Leutnant Tanja Jakwolewa stellt sich ihrem neuen Vorgesetzten gleich richtig vor. Ihr perfekter Flug manövriert die deutschen Abfangjäger aus. Ihre Zielgenauigkeit holt den Feind vom Himmel. Politkommissar Kirigin ist begeistert. Mit dieser Pilotin ist nicht nur ein neues Aushängeschild der Hoffnung gefunden, gleichzeitig wäre diese Frau tatsächlich fähig, eine der letzten Kampfmaschinen ans Ziel zu führen, dem Meka-Panzer Wilhelm Gustloff …
Die Weltgeschichte hat sich verändert. Der II. Weltkrieg endet nicht 1945, sondern die Kriegsparteien stehen sich weiter gegenüber. Die Techniken haben sich sogar radikal verändert. Der Leser verfolgt das Geschehen aus russischer Sicht. Die Rote Armee kämpft gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner. Deutschland bläst zum letzten Sturm auf Moskau. Das technische Drumherum hat verschiedene Anknüpfungspunkte.
Einerseits dürften sich Fans der MASCHINEN KRIEGER, einem japanischen Franchise aus den 1980ern, mit diesem Szenario anfreunden können. Andererseits dürften Science-Fiction-Fans und Freunde alternativer Szenarien hier einiges für sich entdecken. Mit THE RED STAR war die Rote Armee schon einmal im Zentrum einer fantastischen Zeitlinie. Und mit BATTLETECH finden sich zu DIE EISENDIVISIONEN ebenfalls Vorbilder aus den 1980ern, dort allerdings streng in der Zukunft platziert. Die Ähnlichkeiten zu mechanisierten Kampfläufern und entsprechenden Kampfanzügen sind nicht wegzudiskutieren.
Das Szenario funktioniert. Medial anders und früher haben sich schon Autoren wie PHILIP K. DICK (Buchvorlage zur Serie THE MAN IN THE HIGH CASTLE) oder ROBERT HARRIS (VATERLAND) mit alternativen Realitäten basierend auf Abweichungen des II. Weltkriegs beschäftigt. JEAN-LUC SALA, der Autor von DIE EISENDIVISIONEN ist mit der Zeitlinie (insgesamt bis 1948), die er sozusagen im Vorspann des Albums entwirft, in bester Gesellschaft. Durch die technischen Errungenschaften, natürlich der Zeit von 1946 weit voraus, dem Jahr der hier vorliegenden Handlung, fügt sich ein deutlicher Science-Fiction-Aspekt der Geschichte hinzu. JEAN-LUC SALA beschreitet so einen etwas leichteren, unterhaltsameren Weg als seine Romankollegen.
RONAN TOULHOAT, verantwortlich für die Zeichnungen und die Kolorierung, macht aus dem ersten Band von DIE EISENDIVISIONEN ein düsteres Geschehen. Es herrscht Winter, die Umgebung ist streng militärisch, mit grauen, ockerfarbenen Uniformen, eisengrauen Einheiten, auf metallischen zwei Beinen, teil sogar noch mehr. Blendende Farbtupfer bestehen aus martialischem Rot, Explosionen leuchten, Tageslicht strahlt aus Deckenluken in Hangars hinein, weiße schnurgerade Striche simulieren in Actionszenen hohe Geschwindigkeiten. Unschärfen und ungewöhnliche Blickwinkel sorgen für Moviefeeling.
Die Figuren sind leicht karikiert, etwas überzeichnet, so dass ihre jeweilige Charakteristik sich im Gesicht, in der Haltung, der grundsätzlichen Mimik abmalt. Jede Figur ist einprägsam dargestellt. Atmosphärisch ist die Mitte der 1940er Jahre im Kriegszustand sehr gut eingefangen. Hier wurde an alles gedacht, von der Mode, über Haarschnitte, bis hin zur Technik. Selbst die erdachten Weiterentwicklungen gliedern sich optimal in das Szenario ein: Soldaten in gepanzerten Kampfanzügen auf dafür eigens konstruierten Motorrädern. Das geht weit über einfache Speederbikes hinaus.
Finsteres Szenario, auf Augenhöhe mit den herausragenden Alternativweltszenarien aus Comic, Roman und Film. Wer das Genre mag, wird von den Ideen von JEAN-LUC SALA begeistert sein. Der finale Lauf ist beeindruckend rasant geraten, sehr tragisch. Hervorragend illustriert von RONAN TOULHOAT, der mit tollem Auge und Fingerspitzengefühl für die Kolorierung aufwarten kann. 🙂
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Montag, 28. August 2017
Ein neuer Superman ist auf der Erde. Sein Vorgänger ist tot. Es ist ein Heldenvakuum entstanden. Dem neuen Superman, der lange Zeit mit seiner Familie im Geheimen lebte, bleibt nichts anderes übrig, als an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Ein neuer Clark, eine weitere Lois und ein echter Superboy, denn dieses vorbestimmte Pärchen hat einen Sohn namens Jonathan. Jonathan geht zur Schule, ist noch recht jung und Geheimniskrämerei ist für ihn nicht gerade leicht …
Während dieser neue SUPERMAN bei vielen Helden gut ankommt, seine Hilfe gern gesehen wird, reißt sich BATMAN natürlich nicht um den für ihn fremden Kryptonier. Es bleibt zunächst bei einem kleinen Intermezzo, denn SUPERVATER und SUPERSOHN haben noch eigene Abenteuer zu bestehen. Fernab in der Vergangenheit mit soldatischen Helden und Dinosauriern, vorher gibt es noch einen kleinen Trip zur Kirmes. Aber dann: Das Titelbild kündigt es bereits an. Nicht nur SUPERMAN und BATMAN treffen aufeinander. Die Supersöhne, DAMIAN WAYNE und JONATHAN KENT alias ROBIN und (naja, nicht ganz) SUPERBOY, treffen sich ebenfalls. DAMIAN kann, höflich ausgedrückt, mit dem eher fröhlich eingestellten JONATHAN nicht viel anfangen.
Zusammentreffen zwischen SUPERMAN und SUPERBOY gab es schon, nicht immer waren diese sehr freundlich. Eine verwandtschaftliche Beziehung wie hier, als Vater und Sohn, war eigentlich lange fällig. Als Zeichner macht JORGE JIMENEZ hier den Anfang. Nach einem ordentlichen Superheldeneinsatz wird es familiär. Clark Kent geht mit Frau und Sohn zum Rummel. Die Kirmesatmosphäre ist dank der tollen Illustrationen von JORGE JIMENEZ zeitweilig recht düster. Wegen einer Nebengeschichte entsteht der Eindruck, gleich verwandele sich das Ganze in den schaurigen Kirmesplatz eines PSYCHO CIRCUS. PETER J. TOMASI und PATRICK GLEASON übernehmen es, die Handlung zu erzählen und bleiben auch für den Rest des Bandes in dieser Funktion erhalten.
Dieser gestaltet sich sehr abwechslungsreich und dank verschiedener Zeichner (den Part übernimmt PATRICK GLEASON ebenfalls einmal) bleibt es auf jeder Seite stilistisch und technisch sehr anspruchsvoll. DOUG MAHNKE darf SUPERVATER, SUPERSOHN und KRYPTO in einem gemeinsamen Abenteuer, sogar eine Doppelepisode, angesiedelt in der Vergangenheit, zeichnen. DIE VERGESSENE WELT von SIR ARTHUR CONAN DOYLE lässt grüßen. Urwaldliches Flair, ein einbeiniger US-Soldat und eine Begegnung, die KING KONG blass aussehen lässt, machen aus FLUCHT VON DER DINOSAURIER-INSEL einen abgefahrenen Spaß.
PATRICK GLEASON übernimmt als Zeichner die Doppelepisode um die SUPER-SÖHNE. Wenn Beinahe-Teenager sich zuerst in die Haare kriegen, sich später zusammenraufen und ein Team-Up bilden, wackeln natürlich die Wände. Klar, dass hier nicht alles bierernst zugeht. PATRICK GLEASON führt einen zarten, sehr exakten Strich und erinnert im Endergebnis stilistisch an die Kollegin FIONA STAPLES (SAGA), die allerdings noch deutlich reduzierter zeichnet. Würde JOHN KALISZ (Farben) auf Verläufe, Texturen etc. verzichtet und eine rein flächige Kolorierung gewählt haben, wäre die Ähnlichkeit der Arbeitsweise der beiden Zeichner noch größer.
Dr. ALEC HOLLAND alias SWAMP THING: Wenn diese mysteriöse Kreatur auftaucht, sogar wortwörtlich, geraten selbst die Stärksten in Schwierigkeiten. Ein SUPERMAN, gewohnt, dass ein rechter Haken genügt, um für Klartext zu sorgen, wird hier ordentlich in seine Schranken gewiesen. JORGE JIMENEZ zeigt hier die TWILIGHT-ZONE-Seite des DC-Universums, teils ganzseitig, sehr opulent, teils gruselig, auf jeder Seite eindrucksvoll.
Ein breit gefächertes SUPERMAN-Angebot aus dem neuen REBIRTH des DC-Universums. Der Supersohn JONATHAN KENT bringt eine schöne, feine Facette mit ins Spiel, die bereits jetzt für allerlei Aufregung sorgt. Top-Illustratoren wie DOUG MAHNKE, JORGE JIMENEZ und natürlich PATRICK GLEASON machen den zweiten Sonderband von SUPERMAN zu einem Fest für Fans. 🙂
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Donnerstag, 24. August 2017
Die junge Frau vermisst ihren … Verlobten. Etwas in der Art ist er für sie. Sie kennt nur seinen Vornamen. Sie kennt seinen Nachnamen nicht. Sie weiß nicht, welchen Beruf er ausübt, noch weiß sie, wo er wohnt. Die Frau, die JACKIE KOTTWITZ da so verloren gegenüber sitzt, wirkt wie aus der Welt gefallen. Immerhin kennt sie das Alter … ihres Freundes. Er reise viel, berichtet sie. Auch das ist ihr bekannt. Wohin? Diese Informationen fehlen ihr. Jackie stützt seine Ermittlungen normalerweise auf diesen oder jenen Hinweis. Hier ist er erst einmal vollkommen ratlos.
ALAIN DODIER beherrscht die harmlose Ausgangssituation meisterhaft. JACKIE KOTTWITZ will nur eben etwas aus dem kleinen Laden holen. Er will einer unbekannten jungen Frau helfen, die so verloren und unschuldig wirkt. Er will nur Urlaub machen, auf einem beschaulichen Bauernhof in der Provinz. JACKIE KOTTWITZ treibt sich mit seinen Fällen nicht in der Hochfinanz herum, nicht in der Politik, noch nicht einmal ist immer ein Auftrag vonnöten, um ihn so richtig in Schwierigkeiten zu bringen.
EIN RAUBTIER IM KÄFIG, der erste von drei hier versammelten albenlangen Kriminalfällen, lässt den jungen Privatdetektiven die Bekanntschaft einer ebenfalls jungen Frau machen, die kurz danach ihr Gedächtnis verliert und nicht mehr weiß, wer sie ist. Leider wissen andere über sie Bescheid. Hier fügen sich mehrere Bausteinchen sehr geschickt ineinander. ALAIN DODIER lässt den Leser hier etwas mehr wissen als unseren Helden. So fiebert man mit, wenn JACKIE KOTTWITZ in seinem Unwissen immer weiter auf die Gefahr zustolpert.
Ist der Beginn von DIE MARIONETTE für einen Fall schon außergewöhnlich, ist es der Einstieg in EIN KLEINES STÜCK VOM PARADIES erst recht. Von JACKIE KOTTWITZ ist zunächst keine Spur zu sehen. Und auch nachdem sich die Handlung nach vorn bewegt, der Ermittler sozusagen vor Ort angelangt ist, weiß er nichts von der dunklen Wolke, die da über ihm schwebt. Der Leser kennt diese Wolke und darf nur hoffen, dass JACKIE KOTTWITZ rechtzeitig hinter das Geheimnis kommt, denn er ist alles andere als in einem PARADIES gelandet. Ohne zu viel zu verraten, darf hier angemerkt werden, dass ihm ein verschlagener, leicht wahnsinniger und in gewisser Weise skurriler Gegner gegenüber steht.
Die Fälle von JACKIE KOTTWITZ scheuen einen Vergleich mit deutschen Gegenübern, denen in neuerer Zeit ebenso wie jenen, aus den großen TV-Krimitagen. Die Atmosphäre erinnert mehr an MAIGRET. ALAIN DODIER findet das Provinzielle, das Kleine, sogar in den Szenarien, die in der französischen Hauptstadt handeln. Obwohl die Geschichten in dieser 6. Gesamtausgabe zwischen 2000-2005 erschienen sind, leben die Menschen in den Geschichten ein Stück weit rückwärts gewandt, wie in einer konsequenten Verweigerung modernen Lebens. Neuerer Technik wird eher hinterher gerannt. JACKIE KOTTWITZ knattert auf seiner SOLEX durch die Lande, seine Freundin fährt ENTE. Nostalgie zählt zu den Kernelementen der Reihe und findet in jeder Folge eine Betonung.
ALAIN DODIER lässt Einblicke in seine Arbeitsweise zu. Im Interview berichtet er von seinem Herangehen an den Aufbau einer Seite, dem Feilen an Bildern und Bildfolgen. Deutlich einsehbar wird seine Technik in den jeweiligen Anhängen zu seinen drei Geschichten. Teils wird an einem Bild gefeilt, ein anderer Ausschnitt gewählt, Bildfolgen in einer Zeile für den dramatischen Effekt noch feiner ausgetüftelt oder ALAIN DODIER probiert zuvor aus, wie eine Nebenfigur noch aussehen kann. So verfährt er für die Geschichte DIE MARIONETTE, in der ROSELINE, der titelgebende Charakter durch sein Äußeres bestimmt einen völlig anderen, etwas unnahbareren Eindruck vermittelt hätte.
JACKIE KOTTWITZ entführt den Leser in dieser 6. Gesamtausgabe hinein in die zwischenmenschlichen Abgründe. Der Tod ereilt die jeweiligen Opfer unerwartet, nicht immer schnell. Ungewöhnlich, spannend, leichtfüßig erzählt, toll illustriert. Unvorhersehbare Krimis, sympathische Hauptfigur. 🙂
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Montag, 07. August 2017
Wenn der Kalif dem Wahnsinn verfällt, das Reich ohne Herrscher antriebslos darniederliegt, muss ein Ersatz her. Vorzugsweise sollte dieser Ersatz aus der Familie des Kalifen stammen. Nur leider, leider hat HARUN AL-PUSSAH keinen Sohn und auch sonstige Verwandte sind in seinem Stammbaum schwer auszumachen. Großwesir ISNOGUD wähnt sich schon an seinem Lebensziel angekommen, nämlich Kalif zu werden anstelle des Kalifs, als ihm das Schicksal ein völlig unerwarteten Knüppel zwischen die Beine wirft …
Zurück in Bagdad der Prächtigen. Die Hochpolitik ist in die Welt von ISNOGUD eingezogen. Die Reichen und Mächtigen treffen sich auf einem G20, amüsieren sich prächtig, aber insgeheim läuft etwas gewaltig schief, sehr zum Nachteil von HARUN AL-PUSSAH. LAURENT VASSILIAN hat sich im zweiten neuen Abenteuer um den Großwesir, der so gerne Kalif anstelle des Kalifen werden möchte, einiges einfallen lassen. Und das ist weit untertrieben. Wenigstens zeilenweise, wenn nicht sogar bildweise geht es hier Schlag auf Schlag, Gag für Gag voran. Wäre die Episode, WIE DER VATER, SO DER SOHN!, eine Filmkomödie, bliebe zwischen den einzelnen Lachern, mal laut, mal leiser, kaum Zeit zum Luftholen.
Hier trifft Comic auf seit Jahren immer wiederkehrenden Zeitgeist, Popkultur, den politischen Krawall, die Irrungen und Wirrungen von Kunst und Familie. LAURENT VASSILIAN führt die Geschichte(n) um ISNOGUD mit all jenem notwendigen Wahnsinn weiter, dessen Grundstein von RENÉ GOSCINNY und JEAN TABARY gelegt wurde. Und was das für ein Wahnsinn ist! Nicht nur der Fund eines sehr außergewöhnlichen Thronanwärters erregt Aufsehen (KING RALPH lässt grüßen), sondern auch ISNOGUDS ungewöhnlicher Versuch, den neuen Machtsinhaber zu verhindern.
WIE DER VATER, SO DER SOHN! Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, so heißt es. Wie mag dann erst der Vater von ISNOGUD gewesen sein? Einen kleinen Vorgeschmack gibt das Titelbild. NICOLAS TABARY, der Sohn von JEAN TABARY, hat die Stilistik seines Vaters perfekt aufgegriffen und geht sogar so weit, in dieser Geschichte weit zu den Wurzeln von ISNOGUD zurückzugehen und einen Großwesir zu zeichnen, als dieser noch nicht so ausdrucksstark gewesen ist. ISNOGUD lebt vom Chaos. LAURENT VASSILIAN schafft durch seine Handlung eine tolle Grundlage für einen grandiosen Zickzackkurs, in dem ISNOGUD nicht nur seinem Vater, sondern auch sich selbst begegnet.
Der schmissige Cartoonstil von ISNOGUD ist eines der Erfolgsgeheimnisse der langlebigen Serie, die 1968 debütierte. Da darf sich der Leser nicht nur über den kleinen gestalterischen Rückblick ISNOGUDS freuen, auch DER KLEINE NICK wird angespielt, in Verbeugung vor dessen Erfinder RENÉ GOSCINNY. Wenn Elefanten fallen, erinnert dies an fliegende Hinkelsteine und ihre Folgen. Knackig fette Striche zaubern einen LAGERFELD als Modeberater des Kalifen aufs Papier. NICOLAS TABARY baut geschickt Werbung für weitere Veröffentlichungen ISNOGUDS in die Geschichte ein. Und in all dem Tohuwabohu gibt es unzählige Gesichter ISNOGUDS, allesamt Ausdrücke seiner Achterbahnfahrt der Emotionen, denn er wird von LAURENT VASSILIAN kurz vor dem Erfolg auf Null zurückgeworfen.
Ein Stehaufmännchen, aber ein böses. Kein Mitleid mit ISNOGUD. Der kleine Großwesir mit dem irren Blick ist eine Art früher Vorläufer von Frank Underwood, nur mit mäßigem Erfolg. Zum Glück für den Leser, denn mit erreichtem Ziel wäre die Serie zu Ende. Aber solange ISNOGUD nicht Kalif wird, so lange können NICOLAS TABARY und LAURENT VASSILIAN die tolle Komödie fortführen, gefüttert mit Sticheleien über tatsächliche Ereignisse und Gags am laufenden Band. Knallend prall illustriert von NICOLAS TABARY, ist Band 2 der neuen Abenteuer perfekt in die Tradition der Reihe eingegliedert. Fans dürfen sich freuen. 🙂
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Mittwoch, 02. August 2017
Laut, schnell, dreckig, gefährlich, röhrende Motoren, konzentrierte Biker. Speedway-Rennen machen LISA FORSBERG seit ihrer Kindheit Spaß. Ihr Vater nimmt sie nach ihrer Rückkehr in die Heimatstadt zu diesem harmlosen Vergnügen mit. Dabei ist sie mit den Gedanken längst woanders. Erst seit kurzer Zeit im Dienst, hat sie der Alltag bei der Polizei komplett eingefangen. Es dauert nicht lange und schon klingelt das Mobiltelefon. Die Arbeit ruft, das Familientreffen ist vorbei. Ein Großeinsatz wartet …
Die guten alten Zeiten, die 1950er Jahre, fangen gleich hinter Linköping, in Schweden, an. SYLVAIN RUNBERG begibt sich auf skandinavische Krimispuren und bringt das Mordsland Schweden hinein ins Medium Comic. Schwedische Rocker haben Spaß am Lifestyle der 1950er mit Hillbilly und Rockabilly. Sie fahren alte amerikanische Straßenkreuzer, kopieren Südstaatenflair, trinken Bier, prügeln sich und mögen an ihren Frauen Jeans und Petticoats. SYLVAIN RUNBERG stellt sich mit dieser Nischenatmosphäre bewusst gegen das schwedische Saubermannimage und lässt in der Provinz regelrecht Welten aufeinanderprallen.
Das allein wäre schon reichlich Stoff für ein starkes Drama, aber der Leser hat es hier mit einem handfesten Krimi zu tun und so lässt sich SYLVAIN RUNBERG auch noch einen perfiden Mord einfallen, ganz im Sinne der skandinavischen Erfolgstradition der letzten Jahre. Im Mittelpunkt steht eine starke junge Frau, LISA FORSBERG, in Linköping aufgewachsen, die nun aus Stockholm zurückkehrt, um ihren Dienst bei der örtlichen Polizei anzutreten. LISA FORSBERG kann ihre Vergangenheit nicht so einfach abstreifen, deshalb ist der Kampf um Anerkennung in einem von Männern dominierten Umfeld doppelt schwer.
Es ist schön, wie SYLVAIN RUNBERG die Vorstellungen des Lesers von einem gleichgeschalteten Europa oder Skandinavien kippt, von denen man als Leser annahm, die Verhältnisse seien einander doch irgendwie recht ähnlich. Plötzlich tauchen Gestalten auf, die ebenso in einen modernen Südstaatenkrimi passen würden, Gewalt und Auftreten inklusive. Und schließlich der Mord: Hier braucht SYLVAIN RUNBERG sich nicht hinter reinen Autorenkollegen wie JOE NESBØ, JUSSI ADLER-OLSEN und anderen echten Skandinaviern zu verstecken. Wie der Mörder zu Werke geht, das kribbelt in Mark und Bein.
PHILIPPE BERTHET begeistert mich mit seiner sehr klaren Linie jedes Mal. Der Stil ist vielseitig einsetzbar, wie er hierzulande mit POISON IVY, PERICO und DEIN VERBRECHEN fabelhaft gezeigt hat. Die sehr exakte Stilistik erzeugt kühl aussehende Bilder, die das Grauen des Mordes, wie hier in diesem Fall, erträglicher macht. LISA FORSBERG wird von PHILIPPE BERTHET als Prototyp der neuen starken, modernen jungen Frau gestaltet. Groß, sportlich, schwarze Haare, praktikabel und frech kurz geschnitten. Tätowierungen aus der Jugendzeit sind bei einer späteren Karriere, nachdem genügend über die Stränge geschlagen wurde, kein Problem mehr.
Schweden ist atmosphärisch hier provinziell, sehr sauber, sogar bei den Halunken gibt es einige sehr aufgeräumte Ecken. Profit geht mit Professionalität einher. PHILIPPE BERTHET bleibt sich treu, denn die sehr feinen Linien, der klare Bildaufbau, benötigen keine tiefer führende Farbgebung. DOMINIQUE DAVID kann bei der Kolorierung weitestgehend auf Schattierungen verzichten.
Der gestandene Polizist ROBERT WETTER und LISAS Kollege ERIK sind Gegengewichte zur weiblichen Hauptfigur. ERIK ist eine Art schwedischer KEN, fast zu gut aussehend für den Job. Dafür macht ROBERT diesen kleinen Ausrutscher wieder gut, erinnert er doch an BULLOCK aus dem BATMAN-Universum, was nicht unbedingt ein Zufall sein mag, stellt es sich doch heraus, dass der maskierte Privatdetektiv zu LISAS Comic-Lieblingen zählt. Und ganz nebenbei freut es mich persönlich, das Gesicht des Bassisten Gene Simmons (von der Rockgruppe KISS) auf einem T-Shirt zu entdecken.
SYLVAIN RUNBERG transportiert den Schwedenkrimi, den skandinavischen Krimi allgemein gekonnt und mit Raffinesse in ein anderes Medium (mal eben nicht in einen Film). Der Leser begleitet die Hauptfigur in eine Nische schwedischen Miteinanders, das aus ferner Sicht so nicht zu erwarten gewesen wäre, als Subkultur hier mit dem Titel MOTOR CITY skizziert. Ist spannend, interessant, wirkt authentisch. TOP von PHILIPPE BERTHET illustriert! 🙂
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