Eine Erbschaft steht für die Wende eines Lebens. Der Polizist ANDY MORGAN erbt von einem Onkel, den er nie gesehen hat, ein Schiff mit dem stolzen Namen CORMORAN. Die Kollegen verabschieden ANDY MORGAN mit einer kleinen Feier, wehmütig und mit einer Spur Neid befangen. Leider verläuft der Abschied für ANDY MORGAN nicht reibungslos. Als er mit seinem Mündel ALI das neue Schiff inspiziert, hat sich an Bord bereits ein flüchtiger Verbrecher einquartiert …
Es war einmal ein Interpol-Beamter namens BERNARD PRINCE. Für den deutschen Markt setzte man auf den Namen ANDY MORGAN. Aber ob PRINCE oder MORGAN, den Geschichten tat die Änderung keinen Abbruch. Anfänglich in den Kurzgeschichten, von GREG geschrieben und von HERMANN gezeichnet, kam ANDY MORGAN noch in üblicher Krimimanier daher. Obwohl das Duo der beiden Hauptfiguren von Anfang an ungewöhnlich war. Neben dem Kriminalbeamten von Interpol, der ANDY MORGAN ursprünglich war, trat ALI auf (im Original DJINN), ein Mündel, quasi Adoptivsohn.
ANDY MORGAN stand für den vernünftigen Erwachsenen, ALI für den nicht ganz so vernünftigen, manchmal draufgängerischen Jugendlichen. Nach den im Jahre 1966 erschienenen Kurzgeschichten von ANDY MORGAN konnte GREG mit der Neuausrichtung der Figur als Abenteurer in der albenlangen Handlung DIE PIRATEN VON LOKANGA alle Register ziehen. Aber das war noch lange nicht alles. GREG und sein Zeichnerkollege HERMANN komplettierten das Team zum Trio, indem sie ANDY und ALI den Seebären BARNEY JORDAN zur Seite stellten.
Afrika, Fernost, Südamerika (als vorübergehende Ausflugsküste) boten die nötige Exotik weitab der französischen Straßen (in den Kurzgeschichten), die Kriminalität geradezu atmeten und sich sehr an den Kinokrimis der 1960er Jahre orientierten. Nun aber wurde es klassisch abenteuerlich. DIE PIRATEN VON LOKONGA bot eine schwierige Flussfahrt, Waffenschmuggel und Angriffe schwarzer Stämme in eher folklorer Ausstattung, bewaffnet mit Speeren, während die Polizei des Landes schon moderner den Fluss mit Motorbooten befährt. GREG spielte hier zweifellos mit Klischees und scherte sich mit einem eigens erfundenen afrikanischen Staat nicht um tatsächliche Gegebenheiten.
GENERAL SATAN leitete eine endgültige Wende ein, die im übernächsten Album mit DIE GRENZE ZUR HÖLLE fortgesetzt wurde. Erst einmal entdeckte GREG den Fernen Osten für die Serie. Böse, undurchsichtig dreinblickende Asiaten, in ihrer Anlage durch GREG vielleicht beeinflusst von den Nachrichten und Ereignissen rund um INDOCHINA und VIETNAM, brachten das Fremdartige in die Geschichten, das mit Gangstern in Trechcoats nicht gepackt werden konnte. ANDY MORGAN tat aber noch einen weiteren Sprung. In GENERAL SATAN werden die Zeichnungen von HERMANN geschmeidiger, deutlich versierter. Hier erreicht er einen ersten Höhepunkt seines Schaffens, das sich erst im Laufe von COMANCHE verändern sollte.
GREG und HERMANN verleihen im zweiten Album um ANDY MORGAN jeglicher Figur deutlich mehr Charakter. Haupt- und Nebendarsteller werden flott vorgestellt, hart und genau umrissen, GENERAL SATAN als neuer Erzfeind vorgestellt. Wasser lautete zuvor noch das Kernelement. Die CORMORAN, ANDY MORGANS Schiff, fuhr einen gefährlichen Fluss entlang. Nun geht die Hatz über das Meer und wechselt hiernach auf geniale Weise auf eine alte Lokomotive. Das ist optisch toll inszeniert, zündete damals mit feiner Action, die gleichfalls heute noch funktioniert.
Anschließend versuchten sich die beiden Comic-Macher mit DIE REBELLEN VON CORONADO an einer Mixtur aus modernem Abenteuer und Western. Herausragend hier ist ein Running-Gag. BARNEY JORDAN gelangt im Verlauf der Handlung an ein Kissen, das er die ganze Zeit über mitschleppt, letztlich eine Idee von HERMANN, der sich diesem Spaß über die reinen Anweisungen von GREG hinwegsetzte. Es blieb zunächst bei diesem Ausflug nach Südamerika. Mit DIE GRENZE ZUR HÖLLE ging es zurück nach Asien. HERMANN schuf die bislang am bedrohlichsten wirkende Episode, indem er das Trio durch eine wirkliche Hölle aus Monsunregen, Schlamm und Alligatoren hetzte. Alles in allem steigerte sich das Duo GREG/HERMANN von Episode zu Episode. Auch war es aus jugendlicher Lesersicht schön zu sehen, dass insbesondere ALI eine immer größere und wichtigere Rolle zufiel.
Von HERMANNS frühen Gehversuchen hin zu einem gestandenen Illustratoren, von den Kurzgeschichten über ANDY MORGAN hin zu den zeitlos tollen Abenteuern des ehemaligen Polizisten und seiner beiden Freunde: Die optisch hervorragende Evolution eines Helden, ständig besser erzählt von GREG, einem der Comic-Urgesteine, gehört zu den immer noch aktuellen Vorbildern eines ganzen Mediums. Spitze! 🙂
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