Es gibt schlechte Tage und es gibt noch schlechtere Tage. Ein Riese hat Hunger. Ausgerechnet zwei kleine Elfen fallen ihm auf seiner Wanderung in die Finger. Der eine endet gleich als Snack, der andere wird für später aufgehoben. Aber junge Elfen sind klein, die Taschen von Riesen groß und rissig und so gelingt es dem Kleinen noch einmal zu entkommen. Zu seinem Pech sind Riesen nicht die einzigen hungrigen Gesellen. Warum meinte der winzige Elf sich auch ausgerechnet im Nasenloch eines Drachen ausruhen zu müssen? Dumm gelaufen. Oder nicht?
Der Drache ist offensichtlich weiblich. Ein Ei zerbricht und der Nachwuchs kann sich nicht entschließen, den Elfen zu fressen. Die beiden sehr ungleichen Wesen werden sogar Freunde. Sie wachsen zusammen auf. Die Jahreszeiten kommen und gehen. Lange, sehr lange läuft es für den Elfen sehr gut. Er hat ein Zuhause, eine Familie, bis ihm eines Tages klar wird, dass es noch viel, viel schlechtere Tage geben kann …
Hätte ein Charles Dickens eine Fantasy-Geschichte geschrieben, hätte etwas wie die Lebensgeschichte von PILOU dabei entstehen können, dem Elfen, aus dem später eine der bekannten Figuren in der Welt des SCHWARZEN MONDES wird. Denn auch der Elf gerät in die Fänge eines düsteren Anführers einer jugendlichen Diebesbande, die nur durch einen düsteren Trick gefügig gehalten wird. F.M. Froideval beschreibt die erste Lebenshälfte innerhalb der Geschichte wie ein feines Märchen. Der Held wird ordentlich durchgeschüttelt und erhält seine Belohnung in Form einer Familie, die für ihn sorgt und ihn beschützt. Bis zu einem gewissen Grad jedenfalls, denn es in Sachen Skrupellosigkeit gibt es noch besser trainierte Wesen als Drachen.
In der zweiten Hälfte wird PILOU zwangsläufig erwachsen. Bislang war er in guter Obhut, nun muss er lernen sich durchzuschlagen. Er ist der Neue, der Kleinste, er wird drangsaliert und, ganz wichtig, muss zuallererst die Sprache der Menschen lernen. Er wird zu einem wichtigen Werkzeug für den Meister. Auch in der zweiten Hälfte der Handlung geht das Märchenhafte nicht gänzlich verloren und das ist vor allem dem Grafikduo Fabrice Angleraud (Zeichner) und Yves Lencot zu verdanken. Was die beiden Comic-Künstler hier dem Fantasy-Fan bieten, ist schlichtweg hervorragend.
Das märchenhaft Genannte entsteht zu einem großen Teil durch den Grafikstil, der gerade in den Kindertagen des Elfen besonders gut herausgestellt wird. Selten kann eine Comic-Figur einen Leser so gut einfangen und mitnehmen wie hier. Der kleine PILOU ist putzig, wirkt wahnsinnig schutzbedürftig und anfangs immer so, als könne er die Gefahren dieser Fantasy-Welt nicht recht begreifen und warum ihm alle ans Leben wollen. Wie unbedarft er ist, (obwohl zu diesem Zeitpunkt längst versucht worden ist, ihn zu fressen) wird in der starken Szene deutlich, in der er ausgerechnet eine kuschelige Übernachtungsmöglichkeit in einem Drachennasenloch findet.
Eine sehr weiche Farbgebung, sehr fein abgestuft koloriert, machen jede Seite zu einem kleinen Kunstwerk. Mitunter sehr große Ansichten, Bilder über Doppelseiten hinweg, collagenähnliche Strukturen breiten das Lebensabenteuer PILOUS regelrecht vor dem Leser aus. Man gewinnt den Eindruck, als sei auf die Techniken von mittelalterlichen Wandteppichen und ihren Szenendarstellungen zurückgegriffen worden.
Eine der schönsten Ausgaben aus der Welt des SCHWARZEN MONDES. Dank der Comic-Künstler Fabrice Angleraud und Yves Lecot erwartet den Leser ein grafisches Sahnehäubchen. Sehr, sehr für Fantasy-Fans zu empfehlen, auch solchen, die ansonsten nichts über den SCHWARZEN MOND wissen. 🙂
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