Primäre Anweisung. RINGO töten. Die Krähen nehmen ihre Positionen ein, während drinnen im ehemaligen Autotunnel sich die Wanderer langsam nähern. RINGO weiß, dass er diesem Kampf nicht länger ausweichen kann und auch nicht ausweichen will. Doch zuvor findet sich noch ein Stückchen Hoffnung. Im Tunnel leben ein paar Menschen, ausnahmsweise friedlich, sogar Kinder sind darunter. Es ist eine kleine, sehr schwache Idylle, denn bald schon wird das Chaos über alle hereinbrechen. RINGO und seine Gefährten haben den Tod mitgebracht.
Ein langer, langer Weg geht zu Ende. Wer erreicht das Ziel, wer nicht und warum? Viele Antworten werden in dieser Schlussausgabe gegeben und vielleicht wird nicht jede dem Leser gefallen, zumal er sicherlich mit mancher Figur anfreunden konnte. Ein Blick auf das Böse. Jsana Juric, RINGOS niederträchtige Gegenspielerin, Präsidentin einer längst verlorenen Zivilisation, hatte die ganze Zeit über die Fäden in der Hand. In der zweiten Staffel von WAISEN erreicht RINGO sein Ziel, teilweise wenigstens, aber er ist dennoch kein Gewinner. Von Anfang an war ein Verlorener in dieser Welt, eine WAISE, elternlos, zum Soldaten trainiert, wie so viele vor ihm, und, wie der Leser nun weiß, nicht wenige nach ihm.
Die Präsidentin, einäugig, hübsch anzuschauen, hat etwas von einem Bond-Gegner, eine Mixtur aus Blofeld und Bond-Girl in einem. Diese Einschätzung wird hier im abschließenden sechsten Band der Staffel auch trefflich bestätigt. Gleichzeitig, über alle Folgen hinweg, präsentiert sie sich als eiskalt, berechnend und ziemlich nachtragend, wenngleich sie diese Gefühlsregung in den Dienst ihrer Sache zu stellen vermag und letztlich als eine Art Antrieb nutzt. Die Werkzeuge Jurics, die Krähen, ehemalige Kameraden von RINGO, nun steuerbare und zumeist seelenlose Cyborgs, sind der verlängerte Arm der Präsidentin. Sie repräsentieren ihre Brutalität.
Die zeitweilige Verzweiflung der Cyborgs, ein letztes Aufbäumen hinter all der grauenhaften Technik, erweckt Mitleid und lässt den Tod des einen oder anderen, durch RINGOS Hand, wie eine letzte gütige Tat anmuten. Aber, es sind eben Cyborgs, und so sind sie wie Stehaufmännchen. Zum Schluss ist das Menschliche vernichtet und RINGO muss sich nicht mehr zurückhalten. Für den Leser gipfelt das in cineastisch choreographierten Action-Sequenzen.
Finale sind immer schwierig. Werden die Erwartungen des Lesers erfüllt? Sind alle Fäden logisch verknüpft? Agieren die Charaktere gemäß ihrer gesammelten Erfahrungen und können vielleicht doch überraschen? Von allem ist etwas dabei. Fans der Reihe sollten auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen. Es ist eine Endzeitgeschichte und diesen ist es grundsätzlich gemein, dass sie am Ende auch einen Schuss Traurigkeit versprühen und nicht alles unter einem Regenbogen endet, ein Wortspiel, wie Leser des Abschlussbandes feststellen werden.
Grafisch ein Augenschmaus für alle SciFi-Fans. Durchgehend wurde hier eine tolle Qualität der Zeichnungen und der Kolorierungen geboten. Die Zeichner Werther dell’Edera, Gigi Cavenago und Emiliano Mammucari halten das Niveau aufrecht. Besonders im ersten Teil kann das Zeichnerduo mit seiner Umsetzung eines Duells auf Leben und Tod begeistern. RINGO hat seinen Namen nicht umsonst. Nicht umsonst wurde er zeitweilig als Pistolero angesprochen, gibt es hier auch eine Menge Anspielungen auf Western, insbesondere jene aus Italien. Gerade der Kampf gegen eine Übermacht, eine Bande Verbrecher, ist ein gern gewähltes Thema. RINGO geht dabei an seine Grenzen. Sein zerschundener Körper erhält einige Narben mehr, dennoch gönnen ihm die Künstler ein kleines Facelifting. Am Ende ist der Bart ab und Emiliano Mammucari führt einen neuen Helden vor, eigentlich bereit für das nächste Abenteuer …
Neue Staffel möglich? Auf jeden Fall, denn wie diese Ausgabe zeigt, gibt es noch einige WAISEN und außerdem wartet neben der Erde auch noch die Kolonisierung des Weltalls auf die Menschheit. Roberto Recchioni und Mauro Uzzeo sind aus Fan-Sicht dringend aufgefordert dieses Universum zu erweitern und um einige Facetten zu bereichern. Richtungen dafür gibt es genug. Die zweite Staffel konnte jedenfalls bis zum Schluss rundum überzeugen. 🙂
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