Rachel hat ihre besonderen Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Aber einfach nur lange zu schlafen, ist nun doch merkwürdig. Zwei Wochen lang. Die Träume sind verwirrend, das Aufwachen wird misstrauisch beäugt. Da macht doch tatsächlich jemand Rachels Füße nass! Zoe, die kleine Serienmörderin, ist sonst nicht so leicht zu erschrecken. Als sich Rachel unerwartet nach ihrem langen Schlaf regt, ihre unterbewussten Erlebnisse mit dem Mädchen teilt, reagiert das Mädchen sogar mit Verzweiflung, noch ein emotionaler Zustand, der Zoe relativ fremd ist. Der Traum von Rachel ist, nach kurzer Diskussion, eher eine Vision der Zukunft und keinesfalls eine wünschenswerte, nicht nur für Zoe, sondern für die ganze Welt.
Böse zu sein, ist ganz normal und eigentlich nicht der Rede wert. Wer nicht nur tötet, sondern auch gleich mehrmals gestorben ist, meist unter ominösen Umständen, der läuft ein wenig neben den gängigen Definitionen von Gut und Böse. Rachel, Zoe und Lilith werden zu einem nicht ganz gewollten, nicht so recht gewünschten Trio, allesamt mit einem gesunden Misstrauen dem anderen gegenüber ausgestattet und dennoch sind sie scheinbar an einen Punkt ihrer gemeinsamen Geschichte gelangt, an dem sie aufeinander angewiesen sind. Terry Moore stellt auf seine bekannt mysteriöse Art ein paar Weichen neu. Die Rückkehr Liliths bietet schwarzen Humor in bester David-Lynch-Manier mit einer kuriosen Pointe. Und immer schwingt im Hintergrund die leise Frage: Darf ich darüber eigentlich lachen? Und gleich darauf: Oder wäre Mitleid angebrachter?
Terry Moore überrascht mit seiner Erzählweise. Selten haben Selbstmorde in einer Geschichte (ganz gleich welchem Mediums) derart an den Nerven gezerrt. Besonders eine Inszenierung ist so angelegt, dass sie einfach mehrmals hintereinander gelesen, angeschaut werden muss, allein weil sie so einzigartig ist. Natürlich wird hier nichts darüber verraten, aber wer Terry Moore nicht kannte, könnte als Mystery-Freund durch die Einstiegssequenz zum Fan des Comic-Autors und Künstlers werden. Terry Moore kann sich gleich zu Beginn ein Augenzwinkern nicht verkneifen, beginnt doch diesmal alles wie in einer Folge der vielen CSI-Serien. Eine Frau wurde durch einen Autounfall auf der Landstraße geköpft. Das ist bereits selten genug. Die Begleitumstände würden jeden TV-Ermittler neugierig machen. Und den Leser erst recht.
Wer ist eigentlich Rachel? Die Figur, mit der alles begann, hat dem Leser mittlerweile viel von sich preisgegeben. Vieles liegt aber noch im Dunkeln, von Terry Moore bewusst geheim gehalten, aber jetzt hat sich der Autor entschlossen, den Schleier an einigen Enden anzuheben und den Blick auf ein paar Vergangenheiten freizugeben. Wie das gemeint ist? Das wird hier auch nicht verraten. Sagen wir einfach, Rachel ist eine sehr vielschichtige Persönlichkeit, die von ihrem Werdegang nach einigen Überredungen selbst sehr überrascht, dann sogar tief erschüttert ist. So manche Autoren haben ihren Charakteren ähnliche Attribute verliehen, doch wird ihnen dadurch eine schöne Tiefe verliehen, was nicht zuletzt der einfühlsamen Erzählweise von Terry Moore geschuldet ist.
Und ganz nebenbei ein wenig Liebe und die Aussicht auf das Ende der Welt. Oder man könnte auch sagen: Terry Moore, ein Mann erzählt über Frauen. Schon diese Konstellation ist ungewöhnlich. Ungewöhnlicher noch ist einerseits ihre Ungewöhnlichkeit, anderseits ihre Gewöhnlichkeit. Moores Frauen sind keine alles überragenden Superhelden wie bei anderen Autoren. Trotzdem sind es keine Damen, die man im nächsten Supermarkt treffen würde. Die tief reichenden Geheimnisse dieser Frauen machen die Faszination aus. Und jede unterscheidet sich deutlich von den anderen. Am meisten Spaß macht sicherlich Zoe, mehr Mädchen als Frau, aber eigentlich uralt und mit einer teuflischen Vorhersage versehen.
Ach, ja, die Liebe! Jet und Earl sollen nicht vergessen werden. In zwei feinen Szenen beschäftigt sich Terry Moore mit den beiden und führt endlich das zusammen, von dem der Leser nicht sicher sein konnte, ob es auch zusammen passt. Denn Frauen zeichnen sich in RACHEL RISING nicht gerade für ihre Zuneigung zu Männern aus. Gründe dafür findet Terry Moore in der Entstehungsgeschichte von Lilith und Rachel, einem mystischen Abschnitt der Erzählung, der noch viele weitere Fragen auf einmal klärt.
Der sechste Band lüftet eine Reihe von Geheimnissen, vertieft die Hauptfiguren und deutet ein paar Entwicklungen an, die zwangsläufig für Dramatik sorgen werden. Darüber hinaus gönnt Terry Moore seinen Charakteren eher eine Verschnaufpause. Zusammengefasst wirkt diese Folge wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Was letzteres bedeutet, hat Terry Moore zuvor schon unter Beweis gestellt. Wie immer sehr gut! Etwas für Serienjunkies. 🙂
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