Samstag, 28. Mai 2016
Die Kampftruppe hat sich weit in den dichten Busch Afrikas vorgewagt. Die Aussicht auf reiche Beute und einen leichten Sieg hat sie vorangetrieben. Die Gerüchte haben indes die Träger längst in die Flucht geschlagen. Und so steht die Invasion aus Weißen allein gegen den unbekannten Feind, der den Eindringlingen immerhin eine Chance lässt. Die Weißen, allen voran ihr Anführer, ignorieren diese Gelegenheit. Sie wähnen sich mit mächtigen, neuesten Waffen ausgerüstet, trotzdem werden sie gnadenlos und völlig überraschend aufgemischt. Am Ende flehen die Überlebenden um Gnade …
Nachdem der BLACK PANTHER im dritten Teil der Reihe um CAPTAIN AMERICA (CIVIL WAR) seinen Kinoeinstand gegeben hat, ist es auch hierzulande an der Zeit auf die Figur zu schauen, die als schwarzer Superheld schon bemerkenswert genug ist, denn selbst im neuen Jahrtausend gibt es immer noch nicht sehr viele davon. Der BLACK PANTHER, nach Luke Cage einer der bekanntesten schwarzen Helden, ist zudem noch weit mehr als ein einfacher Superschurkenjäger. Auf den religiösen Mythen seiner (fiktionalen) Heimat Wakanda fußend, ist der Panther nicht nur ein Beschützer, sondern auch gleichzeitig der Herrscher seines Landes. Desweiteren bemerkenswert ist der Umstand, dass die BLACK PANTHER zwar aus einer Herrscherlinie entstammen, aber jeder im Volk das Recht hat, mit dem jeweiligen Machtsinhaber um Titel und Panther-Rolle zu kämpfen. Die Maske des BLACK PANTHER will also stets aufs Neue verdient sein.
Bereits im Jahr 2005 haben sich der Autor Reginald Hudlin und Marvel-Zeichnerlegende John Romita Jr. mit dem BLACK PANTHER befasst und seine Entstehungsgeschichte auf einen neuen Stand gebracht. Die plötzliche Popularität der Figur hat dieser vorliegenden Neuauflage geführt. Gut so, kann man nur sagen, denn der BLACK PANTHER ist ein Superheld, der nicht nur nicht aus den USA stammt und eine entsprechende Vorbelastung mitbringt, er kommt auch mit einem enormen Selbstbewusstsein daher.
Es ist kein aufgepumptes Selbstbewusstsein, das jeglicher Grundlage entbehrt. Wakanda ist wirtschaftlich unabhängig, politisch ein Machtfaktor innerhalb Afrikas und es hat nie ein Problem mit globaler Emanzipation, da es sich niemals in seiner langen Geschichte die Butter vom Brot nehmen ließ. Besitz weckt automatisch Begehrlichkeiten. Westliche Erziehung schaffen ein falsches, ein überhebliches Menschenbild. Eingebildete Überlegenheit führt Weiße von außerhalb über Jahrzehnte hinweg zuerst in Gefahr, später in den unvermeidlichen Tod. Selbst die modernen USA sind vor dieser Arroganz nicht gefeit und glauben an ein leichtes Spiel mit dem afrikanischen Zwergstaat, der in Wahrheit so etwas wie eine Miniatursupermacht ist.
John Romita Jr. besitzt einen ausdrucksstarken und doch scheinbar einfachen Zeichenstil. Dennoch gelingt es ihm, Emotionen in seinen Zeichnungen zum Ausdruck zu bringen. Es mag einer der Gründe sein, warum ihn Frank Miller für seinen Daredevil holte und Mark Millar für den Comic-Blockbuster KICK-ASS. Anders als bei sehr detailfreudig arbeitenden Künstlern lässt JR JR seinen Künstlermitstreitern Raum zur Ausarbeitung der Bilder. Mit dem Inker Klaus Janson gab es schon häufiger gemeinsame Projekte, weshalb die Grundzeichnungen der beiden stets wie aus einem Guss aussehen.
Die Zurücknahme des Künstlers bei den Zeichnungen fördert eine zügige Leseweise, einen Zeichentrickfilmeffekt, der wirklich Spaß macht und durch die Kolorierung gestützt wird. Der Leser darf sich auf den Auftritt klassischer MARVEL-Bösewichte wie Rhino freuen, aber auch auf solche Gesellen, die im zweiten Captain-America-Kinofilm ihren Auftritt hatten wie Batroc. Letzterer wirkt hier im Comic etwas exotischer als im Film, fast wie ein Douglas Fairbanks Jr., eine Mischung aus klassischem Piraten und Fremdenlegionär.
Wenn darüber hinaus in der zweiten Hälfte des Abenteuers Autor Reginald Hudlin eine Art Kreuzzug gegen Wakanda in die Wege leitet, kann man sich als Leser gegen das satirische Augenzwinkern der Handlung kaum wehren. Wenn fliegendes Motorrad und fliegendes Pferd aufeinander treffen, dann sprühen klassische MARVEL-Funken aus jener Zeit, als in Comics wirklich alles möglich war.
Sehr geradlinig erzählt, mit einem wackeren Helden (oder auch einer Heldendynastie), dem man sich nicht so leicht entziehen kann, denn der BLACK PANTHER wurde von den Comic-Künstlern mit starkem Selbstbewusstsein und Charisma ausgestattet. Klasse, einfallsreich und sehr düster erzählt. 🙂
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Donnerstag, 26. Mai 2016
Marienkäfer sollen für den Menschen keine Gefahr darstellen. Eigentlich … Aber gegen Marienkäfer, gleich welcher Form, kann sich der Trupp um Meritwether Lewis und William Clark durchaus wehren. Gegen die Gefahren, die innerhalb der Gruppe lauern, durch die verschiedenen Verbrecher, die dazu bestimmt sind, die Expedition zwangsweise zu begleiten, ist eine Gegenwehr nicht so einfach. Denn die Gefahr ist nicht einschätzbar. Es sind tickende Zeitbomben, deren Explosionszeit nicht festgestellt werden kann. Dem zweiten Offizier Lieutenant William Clark ist sich der Bedrohung sehr bewusst und übersieht darüber das Offensichtliche …
Eine neue Folge, neue Monster! Nordamerika ist in den Tagen, als die große Expedition von Lewis und Clark über den Kontinent wandert, weitaus gefährlicher als zu jeder Zeit danach. Basierend auf der tatsächlich, historisch verbürgten Expedition von Captain Meriwether Lewis und Lieutenant William Clark, auf Befehl des damaligen Präsidenten Thomas Jefferson, haben Autor Chris Dingees, Zeichner Matthew Roberts und Kolorist Owen Gieni ein Horrorabenteuer zu Papier gebracht, das der Strömung folgt, bekannte Figuren in einen Horrorkontext zu setzen, sei es fiktional oder historisch real. Nach Charakteren wie Abraham Lincoln, Sherlock Holmes oder Elizabeth Bennet (aus Stolz und Vorurteil).
Chris Dingees mischt allerdings nicht einfach Vampire oder Zombies bei, sondern denkt sich ein regelrechtes Monsteruniversum aus, wie man es allenfalls bei Mike Mignola ähnlich mutig erzählt vorfindet. Waren es in der ersten Folge Kreaturen, die sogar einen leicht griechisch mythologischen Einschlag besaßen, obwohl zur Gänze auf die nordamerikanische Fauna zurückgegriffen wurde, geht Dingees hier verstärkt auf Kreaturen ein, die weitaus größer als gewohnt daher kommen. Sehr viel größer.
Interessant ist der Umstand, dass es sich bei den beiden führenden Männern um Charaktere handelt, die Fehler gemacht haben, die außerhalb einer Mission nichts rechtes mit sich anzufangen wussten und innerhalb ihrer Aufgabe einen enormen Ehrgeiz entwickeln. Einer Aufgabe, die sie das Leben kosten kann, während der Müßiggang zuvor zwar friedlich war, aber sie letztlich nur langsamer zugrunde richtete. Matthew Roberts zeichnet Meriwether Lewis als mageren Hallodri, der überaus intelligent ist, ein etwas überkandidelter Wissenschaftler, der optisch den Eindruck eines abenteuerlustigen Stan Laurel hinterlässt.
Mit William Clark fährt Matthew Roberts eher die Schiene eine Raimund Harmstorf, einen Seewolf, einen ganzen Kerl im besten Sinne. Neben der äußerlichen Erscheinung besitzt Clark Ehrgefühl und Disziplin und fordert letztere ein, auch mit ungewöhnlichen Methoden. Drakonische Strafen bei Zuwiderhandlung, sehr plastisch vor Augen geführt, scheut er nicht. Ob es für kommende Ereignisse abschreckend genug sein wird, muss abgewartet werden, denn die Härte der Ereignisse hat auch dieses Mal nicht zum nötigen Gehorsam geführt.
MONSTER, MONSTER, MONSTER! Gigantomanie lautet das Zauberwort. Die Rückseite des vorliegenden Bandes verrät schon Lebewesen, das eine etwas größere Rolle in der Geschichte spielt: ein Frosch. Über den Rest sei erst einmal nichts verraten, allerdings ist der Ekelfaktor bei den anderen Kreaturen um ein Vielfaches größer und nimmt ein paar Fortpflanzungseigenschaften aufs Korn, wie sie schon bemüht wurden, aber in der Natur tatsächlich vorkommen. Besondere Feinde erfordern nicht nur besondere Lösungen, sie stellen das Grafikteam auch vor besondere Herausforderungen. Matthew Roberts und Kolorist Owen Gieni klotzen in Großaufnahmen im Stile alter Monsterfilme der 1950er Jahre und zaubern einen Mix aus Nostalgie und modernem Splatter auf das Papier.
Innovativer Monsterhorror, verquickt mit historischem Hintergrund, gruseligen, unvorhersehbaren Wendungen und zwei nicht ganz so auf Hochglanz polierten Hauptcharakteren. Chris Dingees, Matthew Roberts und Owen Gieni ist hier ein klasse Wurf gelungen! 🙂
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Sonntag, 22. Mai 2016
Der Schock: Köpfe von Verwandten, Freunden, geliebten Menschen bilden eine territoriale Grenze. Man glaubte an die gewonnene Sicherheit. Man feierte neuerdings das Leben. Bei aller Vorsicht dachte man, die Zivilisation kehre langsam zurück. Normalität, friedliches Leben, kaum gefährlicher als in der afrikanischen Savanne oder einer anderen Wildnis. Aber da draußen gibt es einen Feind, der ein völlig anderes Lebensprinzip für sich entdeckt hat. Der an die Stärke glaubt. Der daran glaubt, man könne sich mit den Untoten und den Härten dieser neuen Welt arrangieren. Der die Gemeinschaft um Rick Grimes für eine Bedrohung hält. Ein neuer Krieg ist in greifbare Nähe gerückt.
UNTER WÖLFEN: Autor Robert Kirkman hat mit seinem Helden Rick Grimes bereits verschiedene Anführerstadien durchlaufen. Obwohl die Figur ein ehemaliger Polizist ist, mit Disziplin, einem Gerechtigkeitssinn und viel Mitgefühl vorbelastet, ist Rick Grimes nicht automatisch der Leader in die Wiege gelegt worden. Diese Eigenschaft hat er über einen langen Zeitraum lernen müssen. Meist konnte er über eine Vorbildfunktion seinen Status festigen. Eine Gewaltherrschaft nach dem Muster Negans, dem Mann, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hat Rick Grimes nie angestrebt. Auch wollte er nie den Weg der Manipulation nehmen. Doch ausgerechnet in diesen brisanten Zeiten, als ein neuer Feind erstarkt, sieht Rick Grimes, der Ex-Polizist, keine andere Möglichkeit, als einen Ratschlag Negans anzunehmen.
Ein gemeinsamer Feind verbindet, so heißt es. Die Vernichtung des Gegners wird zum Ziel der neuen Gemeinschaft, die sich so viel aufgebaut hat und sogar schon einen Jahrmarkt abhielt, ein Wiederaufleben der früheren Zivilisation sich zu festigen beginnt. Autor Robert Kirkmans Erfolgsgeheimnis liegt nicht nur in dem richtigen Riecher für den richtigen Stoff zur richtigen Zeit. Kirkman schafft Figuren, die es sich nicht leicht machen. Das Für und Wider wird häufig lange abgewogen. Skrupel sind immer noch zugegen, obwohl eine Situation ein rigoroses Vorgehen erfordert und es manchmal keine andere Wahl geben kann, als den Tod einer anderen Person in Kauf zu nehmen. Mit Rick Grimes ist ein Charakter entstanden, der wohl zu jenen Figuren gehören dürfte, die trotz vieler Verluste immer noch mit sich selbst hadert.
UNTER WÖLFEN behandelt genau diesen inneren Kampf, der durch das Verlangen der Menge, die nach Rache schreit, ohne die Konsequenzen genau zu durchdenken, noch angestachelt wird. Der Aufbau ist strikt, aber durch einige Seitenstränge (auch nach einer derart langen Seriendauer) nicht vorhersehbar. Zeitweilig schockiert Kirkman seine Leser, aber er bleibt in Sachen Horror in dieser Episode deutlich hinter anderen Folgen zurück. Auch die Zombies, die Beißer spielen kaum eine Rolle in dieser Folge. Der Mensch ist des Menschen Wolf. Das beliebte Zitat scheint die Grundlage für die Titelwahl gewesen zu sein, denn tatsächlich ist der Mensch sich hier einmal mehr Feind genug.
Grafisch kennt Zeichner Charlie Adlard seine Figuren aus dem FF. Der Leser darf sich hier weiterhin auf eine versierte Darstellung freuen, in der die Charaktere Gefühl zeigen dürfen, denn wie gesagt, die Action ist diesmal etwas in den Hintergrund gerückt. Aber angesichts der Planungen innerhalb der Handlung wird es kaum dabei bleiben.
Hier werden die Weichen für die Zukunft der Serie neu ausgerichtet, wichtige Entscheidungen gefällt. Die Hauptfigur, Rick Grimes, muss sich ein Stück weit neu erfinden, denn auch der neue Gegner ist ganz anders, als er jemals in der Serie auftauchte. Beste Voraussetzungen für weitere spannende Folgen. Serienerfinder Robert Kirkman führt die Handlung mit unverbrauchten Ideen fort. 🙂
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Sonntag, 15. Mai 2016
Ein erfolgreicher Star aus Las Vegas kehrt zu seinen Wurzeln nach Paris zurück und findet Unterschlupf in einer Gegend, in der weibliche Entertainer selten anzutreffen sind, nämlich in der näheren Umgebung von Jackie Kottwitz. Das mischt die Nachbarschaft mit ein wenig Glamour ordentlich auf. Gleichzeitig wird der Privatdetektiv mit dem wohl für diesen Beruf am wenigsten geeigneten Fahrzeug (einer Solex) von einem unbekannten Anrufer auf einen neuen Fall angesetzt. Völlig unerwartet geht es sehr bald schon um alles. Jackie Kottwitz, ein Mensch, dessen Fälle ihm über kurz oder lang ziemlich nah gehen, muss sich diesmal sehr beeilen, will er einem bestimmten Menschen das Leben retten.
Die Geschichten um den jungen Privatdetektiven sind für mich zu einem ganz besonderen Tipp innerhalb des Comic-Krimis geworden. Alain Dodier entwirft immer neue Erzählmuster und taucht mit dem Leser zusammen schön in die normale menschliche Gesellschaft ab, abseits von Adelsgeschlechtern, Hochfinanz, Intellektuellen, Freaks oder was sonst gerne dazu herhalten muss, um dem Genre Krimi eine scheinbar pfiffige Note zu geben. Detektiv Jackie Kottwitz findet die kleinen und großen Geheimnisse hinter den gewöhnlichen Fassaden, an denen man als Leser tagtäglich vorüber geht, ohne weiter darüber nachzudenken.
In Der Pakt bekommt es Jackie Kottwitz mit einem scheinbar simplen Problemfall zu tun. Ein Kanarienvogel wurde erschossen. Die Umgegend sieht äußerst harmlos aus, bis der Privatdetektiv auf einen Jungen stößt, der überfürsorglich behandelt wird und sich in eine Enge gedrängt fühlt, aus der er immer wieder aufs Neue auszubrechen sucht. Langsam entsteht aus dem simplen Fall das Finale eines Familiendramas, dem Jackie Kottwitz auf seine zurückhaltende Art zunächst etwas ratlos gegenüber steht.
Aber der junge Privatdetektiv ist viel gewitzter, als er aussieht. In seiner Wohnung hängen die Poster berühmter Filmdetektive, wie Robert Mitchum als Philip Marlowe und Humphrey Bogart als (natürlich) Philip Marlowe. Es ist unwahrscheinlich, dass der Detektiv, den einstmals Raymond Chandler kreiert hat, jemals bei einem Schachspiel mit essbaren Schokoladeschachfiguren mit seiner Freundin überrascht wurde. Während die von Chandler erfundenen Mannsbilder ein starkes Auftreten haben und Alkohol zum Alltag gehört, wird Jackie Kottwitz sogar von mäßigem Alkoholkonsum umgehauen. Aber wie sein Zusammensein mit der Komtesse zeigt, ist Jackie Kottwitz einfach zu höflich, um ein Getränk abzulehnen.
Die beiden hier an zweiter und dritter Stelle veröffentlichten Alben Die Komtesse und Der Brief bilden einen Zweiteiler. Es geht außerdem sehr familiär weiter, obwohl es zu Beginn wieder einmal nach einer ganz anderen Richtung aussieht. Jackie Kottwitz findet auf dem Flohmarkt ein kleines Gemälde, das er wieder besseres Wissen für zu viel Geld ersteht, nur um festzustellen, dass es einen weitaus höheren Wert haben könnte. Aber, wie kommt ein derartig kostbares Gemälde auf einen Flohmarkt?
Orca nennt sich der Maler, der Jackie Kottwitz bislang unbekannt ist. Autor und Zeichner Alain Dodier hat als künstlerische Vorlage für den künstlerischen Stil des fiktiven Malers die verstorbene Künstlerin Tamara de Lempicka herangezogen. In der klaren Linie fallen die kleinen Gemälde, zwei werden gezeigt, außerordentlich durch die Verspieltheit des Art Deco auf. Die abgebildeten Frauen haben einen wuchtigen, statuenhaften Charakter und lenken den Blick durch einen sehr kühlen Ausdruck auf sich. Die Recherche nach dem Maler durch den jungen Privatdetektiv führt zur Komtesse und einmal mehr in einen Fall, in den Jackie Kottwitz nach Art der schwarzen Serie viel zu eng verstreckt wird.
Mit seiner klaren Linie gelingen Alain Dodier wunderbare Portraits. Die große Individualität seiner Zeichnungen findet sich in den Charakterbeschreibungen wieder. Originell sind weiterhin die Entwicklungen der Krimis mit Jackie Kottwitz, die mit den vorliegenden drei Fällen (bzw. einer und ein doppelter) von Alain Dodier komplett gestaltet, geschrieben und gezeichnet wurden. In der letzten Geschichte, Der Brief, fällt Jackies Freundin Babette eine größere Rolle zu, die sie so gut ausfüllt, dass man sich unwillkürlich die Frage stellt, ob da nicht einmal ein Spin-off für Alain Dodier interessant wäre … Tolle Krimis, mehr Georges Simenon als Raymond Chandler. 🙂
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Samstag, 14. Mai 2016
Der Todesstern wurde zerstört. Darth Vader hat sich geschworen, den Piloten, der dieses Husarenstück vollbracht hat, zur Strecke zu bringen. Eine Konfrontation mit dem dunklen Lord scheint unausweichlich und höchstwahrscheinlich von einem tödlichen Ausgang begleitet, aber neben Wagemut besitzen die Rebellen eben auch das nötige Quäntchen Glück. Aber wie so oft steht das Überleben auf des Messers Schneide und die Helden schlittern von einer Extremsituation in die nächste. Eine Verschnaufpause scheint ihnen nicht gegönnt, zumal neben altbekannten Feinden sich auch noch neue Gegner hinzugesellen. Da ist Luke Skywalkers Frustration über seine bisher mangelhafte und den Umständen entsprechend abgebrochene Ausbildung zum Jedi das allerkleinste Problem.
Zwischen den einzelnen Kinoereignissen von STAR WARS ist viel Luft für weitere Geschichten. Die CLONE WARS und die REBELS haben das zur Genüge bewiesen, Romanserien ebenso. Comic-Handlungsstränge, die sich in den vergangenen Jahren insbesondere mit den CLONE WARS beschäftigt haben, aber auch mit den Geschichten zu erfolgreichen STAR WARS-Computerspielen führen diese Erkenntnis fort. Nun also: Skywalker schlägt zu! Autor Jeremy Barlow springt zurück in jene Tage, als der erste Todesstern erst vor kurzem zerstört worden ist und die Rebellenallianz Aufwind erlebt, aber noch weit davon entfernt einen auf Dauer angelegten Sieg davon zu tragen.
Für einen Krieg sind Waffen entscheidend. Die eine Seite hat sie, die andere will sie und wenn sie diese nicht erbeuten kann, will sie das Waffenarsenal des Feindes wenigstens zerstören. Angesiedelt zwischen EPISODE IV (Eine neue Hoffnung) und EPISODE V (Das Imperium schlägt zurück) hält sich Jeremy Barlow mit seiner Beschreibung der Helden und Feinde sehr gut an die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Erfahrungen der jeweiligen Figuren. Luke Skywalker hat im Rebellenkampf trotz seines enormen Erfolges noch viel zu lernen. Was es bedeutet, ein Jedi zu sein oder gar wie einer zu denken und zu kämpfen, hat er noch lange nicht verinnerlicht.
Alle Lieblingshelden des STAR-WARS-Universums vereint: Luke SKywalker, Han Solo, Prinzessin Leia, Chewbacca, C-3PO und R2-D2 überfallen gemeinsam eine imperiale Waffenschmiede. Es ist ein schnörkelloser Auftrag, klar definiert. Als Waffenhändler getarnt dringen die Freunde in die Militäreinrichtung ein und übernehmen die Kontrolle. Leider hat niemand mit dem von imperialer Seite entsandten Unterhändler gerechnet: Darth Vader. Jeremy Barlow bringt alle notwendigen Zutaten zusammen. Zum guten Gelingen dieses Science-Fiction-Abenteuers trägt aber noch ein Ausnahmecomickünstler bei: Colin Wilson.
Viele Zeichner näherten sich den Abbildern der Originalschauspieler der Kinoabenteuer nur an. Einige illustrierten sehr frei, andere, wie der Zeichner Cam Kennedy (Das dunkle Imperium), schufen stark angelehnte und doch sehr eigene Anmutungen der klassischen Figuren. Der Zeichner Colin Wilson gehört zu einer dritten Kategorie. Colin Wilson hält sich optisch unwahrscheinlich genau an das Originalaussehen der Figuren, so dass Harrison Ford, Carrie Fisher und die Kollegen zweifelsfrei erkennbar sind. Gar keine Frage, dass hier ein richtiges Kino-Feeling entsteht.
Colin Wilson ist hierzulande mit seinen Arbeiten für Leutnant Blueberry und Point Blank bekannt. Außerdem ist dieses Abenteuer nicht sein erster Abstecher in die Weiten des Kriegs der Sterne (siehe: STAR WARS INVASION). Seine zeichnerische Akribie findet sich nicht nur in den tollen Umsetzungen der Hauptfiguren, sondern auch in der szenischen Präsentation der unverzichtbaren STAR-WARS-Technik. Colin Wilson kann in diesem Band mit zwei Sequenzen besonders punkten. Darth Vader erhält die Gelegenheit, seine Macht zu zeigen (wie in einer Hommage an Das dunkle Imperium). Zweitens dürfen sich die STAR-WARS-Fans auf einen tollen Auftritt von Boba Fett freuen.
Die Geschichte von Jeremy Barlow passt sich hervorragend in die bekannten Filmabenteuer ein. Colin Wilson etabliert sich als einer der Top-STAR-WARS-Zeichner. Uneingeschränkt für Fans dieser Space Opera zu empfehlen. 🙂
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Link: colinwilsonart.com (Homepage von Colin Wilson)
Freitag, 13. Mai 2016
Rachel hat ihre besonderen Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Aber einfach nur lange zu schlafen, ist nun doch merkwürdig. Zwei Wochen lang. Die Träume sind verwirrend, das Aufwachen wird misstrauisch beäugt. Da macht doch tatsächlich jemand Rachels Füße nass! Zoe, die kleine Serienmörderin, ist sonst nicht so leicht zu erschrecken. Als sich Rachel unerwartet nach ihrem langen Schlaf regt, ihre unterbewussten Erlebnisse mit dem Mädchen teilt, reagiert das Mädchen sogar mit Verzweiflung, noch ein emotionaler Zustand, der Zoe relativ fremd ist. Der Traum von Rachel ist, nach kurzer Diskussion, eher eine Vision der Zukunft und keinesfalls eine wünschenswerte, nicht nur für Zoe, sondern für die ganze Welt.
Böse zu sein, ist ganz normal und eigentlich nicht der Rede wert. Wer nicht nur tötet, sondern auch gleich mehrmals gestorben ist, meist unter ominösen Umständen, der läuft ein wenig neben den gängigen Definitionen von Gut und Böse. Rachel, Zoe und Lilith werden zu einem nicht ganz gewollten, nicht so recht gewünschten Trio, allesamt mit einem gesunden Misstrauen dem anderen gegenüber ausgestattet und dennoch sind sie scheinbar an einen Punkt ihrer gemeinsamen Geschichte gelangt, an dem sie aufeinander angewiesen sind. Terry Moore stellt auf seine bekannt mysteriöse Art ein paar Weichen neu. Die Rückkehr Liliths bietet schwarzen Humor in bester David-Lynch-Manier mit einer kuriosen Pointe. Und immer schwingt im Hintergrund die leise Frage: Darf ich darüber eigentlich lachen? Und gleich darauf: Oder wäre Mitleid angebrachter?
Terry Moore überrascht mit seiner Erzählweise. Selten haben Selbstmorde in einer Geschichte (ganz gleich welchem Mediums) derart an den Nerven gezerrt. Besonders eine Inszenierung ist so angelegt, dass sie einfach mehrmals hintereinander gelesen, angeschaut werden muss, allein weil sie so einzigartig ist. Natürlich wird hier nichts darüber verraten, aber wer Terry Moore nicht kannte, könnte als Mystery-Freund durch die Einstiegssequenz zum Fan des Comic-Autors und Künstlers werden. Terry Moore kann sich gleich zu Beginn ein Augenzwinkern nicht verkneifen, beginnt doch diesmal alles wie in einer Folge der vielen CSI-Serien. Eine Frau wurde durch einen Autounfall auf der Landstraße geköpft. Das ist bereits selten genug. Die Begleitumstände würden jeden TV-Ermittler neugierig machen. Und den Leser erst recht.
Wer ist eigentlich Rachel? Die Figur, mit der alles begann, hat dem Leser mittlerweile viel von sich preisgegeben. Vieles liegt aber noch im Dunkeln, von Terry Moore bewusst geheim gehalten, aber jetzt hat sich der Autor entschlossen, den Schleier an einigen Enden anzuheben und den Blick auf ein paar Vergangenheiten freizugeben. Wie das gemeint ist? Das wird hier auch nicht verraten. Sagen wir einfach, Rachel ist eine sehr vielschichtige Persönlichkeit, die von ihrem Werdegang nach einigen Überredungen selbst sehr überrascht, dann sogar tief erschüttert ist. So manche Autoren haben ihren Charakteren ähnliche Attribute verliehen, doch wird ihnen dadurch eine schöne Tiefe verliehen, was nicht zuletzt der einfühlsamen Erzählweise von Terry Moore geschuldet ist.
Und ganz nebenbei ein wenig Liebe und die Aussicht auf das Ende der Welt. Oder man könnte auch sagen: Terry Moore, ein Mann erzählt über Frauen. Schon diese Konstellation ist ungewöhnlich. Ungewöhnlicher noch ist einerseits ihre Ungewöhnlichkeit, anderseits ihre Gewöhnlichkeit. Moores Frauen sind keine alles überragenden Superhelden wie bei anderen Autoren. Trotzdem sind es keine Damen, die man im nächsten Supermarkt treffen würde. Die tief reichenden Geheimnisse dieser Frauen machen die Faszination aus. Und jede unterscheidet sich deutlich von den anderen. Am meisten Spaß macht sicherlich Zoe, mehr Mädchen als Frau, aber eigentlich uralt und mit einer teuflischen Vorhersage versehen.
Ach, ja, die Liebe! Jet und Earl sollen nicht vergessen werden. In zwei feinen Szenen beschäftigt sich Terry Moore mit den beiden und führt endlich das zusammen, von dem der Leser nicht sicher sein konnte, ob es auch zusammen passt. Denn Frauen zeichnen sich in RACHEL RISING nicht gerade für ihre Zuneigung zu Männern aus. Gründe dafür findet Terry Moore in der Entstehungsgeschichte von Lilith und Rachel, einem mystischen Abschnitt der Erzählung, der noch viele weitere Fragen auf einmal klärt.
Der sechste Band lüftet eine Reihe von Geheimnissen, vertieft die Hauptfiguren und deutet ein paar Entwicklungen an, die zwangsläufig für Dramatik sorgen werden. Darüber hinaus gönnt Terry Moore seinen Charakteren eher eine Verschnaufpause. Zusammengefasst wirkt diese Folge wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Was letzteres bedeutet, hat Terry Moore zuvor schon unter Beweis gestellt. Wie immer sehr gut! Etwas für Serienjunkies. 🙂
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Montag, 02. Mai 2016
Warum sollte man als junger Mensch einem Erwachsenen Glauben schenken? Oder warum sollte die Erfahrung eines anderen zählen? Buddy Longway möchte seine Tochter Kathleen gerne davon abhalten, zu früh mit ihrem Pferd zu reiten. Es könnte weder für sie, noch für das Tier gut sein. Buddy Longway hätte seine Tochter besser kennen sollen, schließlich hat sie so manche Charaktereigenschaft von ihm geerbt. Dazu gehört auch, immerhin in dieser Altersphase, ein gewisses Ungestüm. Buddy kannte dieses Gefühl. Auch er hat seine Fehler gemacht. Fehler, die vielleicht sogar gefährlicher waren, als sie Kathleen nun unterlaufen.
DERIB erzählt mit BUDDY LONGWAY über mehrere Leben im Wilden Westen vor dem amerikanischen Bürgerkrieg. Buddys Familie beläuft sich inzwischen auf vier Personen. Neben den Problemen, die mit Heranwachsenden auftreten können, sind die Schwierigkeiten im urwüchsigen Land weit im Westen des nordamerikanischen Kontinents noch weitaus größer. Das Titelbild und die Überschrift des dritten Bandes der Gesamtausgabe über den Trapper BUDDY LONGWAY bringen es auf den Punkt. DER WAHN DES MENSCHEN teilt sich in verschiedene Aspekte auf. Ein Kern hier ist der Hass auf alles Fremde und der daraus resultierende Vernichtungswille alles Andersartigem.
DERIB vermischt eine straffe und spannende Handlung mit großen Themen. Für Jeremiah steht das Erwachsenwerden im Vordergrund. Ein Ziel zu finden, eine Vision sogar, wie es auch Heranwachsende seines Volkes, die Indianer, tun. Denn obwohl sein Vater ein Weißer ist, ist die Verbindung zur Linie der Mutter viel stärker ausgeprägt. Das Leben in und mit der Natur hat seinen Charakter geformt. Die Begegnung mit der Zivilisation, in Form von Auswirkungen des Goldrauschs und des Hasses auf die Indianer, schreckt ihn und lässt ihn sich noch mehr auf vertrautes Territorium, völlig zu Recht, zurückziehen.
Der weiße Dämon lautet der zweite Titel der hier vereinten vier Alben. Und Dämonisch ist das Stichwort für eine Reihe von Ereignissen, die DERIB seinen vier Helden, der Familie um BUDDY LONGWAY, zumutet. Ihm gelingt es einerseits, eine Art von Paradies zu zeigen, die Schönheit von Leben, wie es sein könnte. Andererseits stellt DERIB das Dämönische gegenüber, als eine Art Brunnenvergifter, das sich hinter Täuschung verbirgt, großen Worten und häufig überfallartig über die Protagonisten hinweg rollt. Der ebenfalls titelgebende Captain Ryan stellt eines dieser bösartigen Elemente in den Geschichten dar. DERIB schildert, wie sehr der Mann von seinem Hass zerfressen wird und gleichzeitig seine Soldaten in seinen ganz persönlichen Rachefeldzug hineinzieht und bis dahin unbescholtene Männer instrumentalisiert.
Aber auch das scheinbar Natürliche kann sich der Kritik nicht entziehen. Die Mannesproben der Indianer, die, einer Vision folgend, an der Schwelle zum Erwachsenen abgelegt werden, um endgültig zu reifen, stellen hier einen Eingriff in das natürliche Gefüge dar, obwohl sie seit Menschengedenken zum natürlichen Kreislauf gehören. Jeremiah, der Sohn von BUDDY LONGWAY, gelangt zu einer anderen Erkenntnis als jener, die er ursprünglich erwartet hat. DERIB ist nicht nur ein schlauer Erzähler, ihm gelingt es auch auf einfache Weise, eine leichte Form der Philosophie, ein wenig Ethik zu vermitteln. Gerade so, wie BUDDY LONGWAY seinen Kindern Geschichten erzählt, um diesen einen Rat oder eine Weisheit zu veranschaulichen, verhält sich auch DERIB gegenüber seinen Lesern. DERIB überschreitet damit leichtfüßig und ohne Druck auf den Leser die Trennlinie vom Comic zur Literatur.
Zeichenstil: gestern und heute. In der ersten Geschichte im vorliegenden Sammelband gestattet sich DERIB einen nostalgischen Rückblick. Er lässt BUDDY LONGWAY nicht nur aus dessen Anfangstagen als Trapper erzählen, er zeichnet ihn auch wieder mehr cartoony, wie er es zu Beginn der Serie getan hat. So grenzen sich die Erinnerungen deutlich zur familiären Gegenwart ab, die DERIB mit seinem wunderbaren Realismus zu Papier bringt. Auf diese Art wird auch der Humor seiner Erzählung deutlicher, ohne wörtlich in einen Witz abzugleiten, der sich schlecht übersetzen lässt. Die Situationskomik versteht jeder.
DERIB versteht es einfach mit seiner Figur BUDDY LONGWAY Geschichten zu erzählen. Sie wirken nicht nur echt, sondern auch wahrhaftig, als wäre diesen Menschen heimlich über die Schulter geschaut worden. Eine große Geschichte, die mehr als nur ein Western ist. Erste Klasse! 🙂
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