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Comic Blog


Dienstag, 16. Februar 2016

ZAUBER – Band 4

Filed under: Mystery — Michael um 18:08

ZAUBER - Band 4Die einst Mächtigen haben den Kampf verloren. Nun geht es an die Bestrafungen. Im besten Fall ist es mit einer Erniedrigung getan. Manchen bleibt die Wahl. Wer nicht gedemütigt werden will, darf auch die Enthauptung wählen. Keiner ist bereit, so weit zu gehen. Auch der Bruder der neuen Herrscherin Blanche nicht, die mit ihrer Stellung an Lieblichkeit eingebüßt hat. Das Tagesgeschäft lässt keine Zeit mehr für die Liebe. Der Blick auf das Geschehen, von oben herab, hat die junge Frau ernüchtert. Mehr noch. Sie ist gelangweilt. Etwas fehlt, nur was es ist, das weiß sie nicht. Noch nicht.

Manchmal ändern sich die Seiten und auch die Liebe kann die Veränderung nicht aufhalten. Das Märchen von Jean Dufaux und Jose Luis Munuera geht in die vierte und letzte Runde. Das kleine Reich hat sich sehr gewandelt, die Machtverhältnisse sind dauerhaft verschoben, doch das Glück hat entgegen des Sieges der vermeintlich Guten trotzdem nicht Einzug gehalten. Blanche, die für den Sieg über Leichen gehen musste, so auch über jene ihrer Mutter, hat ihren Bruder verdrängt und wäre nicht einmal böse darüber, wenn dieser unberechenbare Kerl auch das Zeitliche segnen würde. Dabei waren die Konstellationen vor gar nicht allzu langer Zeit ganz anders. Bei genauer Betrachtung hätte Blanche den Machtkampf verlieren müssen. Aber sie hatte mächtigen Beistand.

Maldoror kam geradewegs aus der Unterwelt, verliebte sich in Blanche und damit ging für ihn, für alle beide der Schlamassel überhaupt erst los. Jean Dufaux macht angesichts der aufkeimenden Schwierigkeiten in den ersten drei Bänden deutlich, dass für das Böse die Liebe nicht vorgesehen ist. Falls es dennoch dazu kommt, bewirkt diese größte aller Mächte eine Umkehr. Schleichend nehmen Blanche und Maldoror die Position des jeweils anderen ein. Gut und Böse tauschen die Plätze.

Jean Dufaux hat in diesem letzten Teil des Dramas alle Figuren in Stellung gebracht und jedwede Figur muss ihre Funktion der Tragödie erfüllen. Es ist ihre Bestimmung. Wer auch nur ein einziges dramatisches Stück von William Shakespeare auf der Bühne gesehen oder gelesen hat, wird die klassischen Parallelen sofort erkennen. Gleichzeitig ist es schön zu lesen, wie Jean Dufaux mit den Sympathien des Lesers spielt und dieses mehr und mehr verschiebt. Aus einer Untotenarmee werden verzweifelte, bemitleidenswerte Wesen, die nichts anderes als ein Zuhause suchen. Die Frommen stehen dem mit aller Grausamkeit und Gewalt entgegen. Versprechen werden nicht eingelöst und ein dummer Zufall, den teils das Schicksal zu verschulden hat, führt zur lustigsten und bemerkenswertesten Wandlung.

Bei allem Drama, auch der Traurigkeit, vergisst Jean Dufaux den Humor nicht. Ansonsten wäre der vierte Teil zu schwermütig und auch die Listen und spannenden Intrigen hätten es schwer, den Leser nicht allzu sehr zu deprimieren. Hier weicht Jean Dufaux sehr gut von klassischen Rahmenbedingungen ab. Horibili, der kleine Parfümeur, von Zeichner Jose Luis Munuera wie der kleine Bruder von Obelix dargestellt, von ähnlicher Statur, mit Schnauzbart und Knubbelnase, und die kleine Schwester von Madoror sind die Garanten für die lustigen Spitzen in dieser Geschichte. Das nimmt groteske Züge an. Besonders im Fall des bösen Mädchens Aldora mag sich der Leser an Humor der Monty Pythons erinnert fühlen.

Aber ZAUBER hätte nicht über vier Bände hinweg seine Kraft behalten, wäre nicht extra für dieses Märchen ein Comic-Künstler am Start, der Figuren modern interpretieren kann und diese perfekt in ein mittelalterliches Setting einbaut. Jose Luis Munuera orientiert sich an unterschiedlichsten Motiven der bildenden Kunst, der Popkultur, moderner Karikatur. Die daraus entstehende Mixtur hat einen intensiven Reiz. Eine Untotenarmee könnte geradewegs aus Taran und der Zauberkessel entsprungen sein. Maldoror und Blanche verbindet ein klassisches Äußeres, wie es in ausgefeilterer Form an der Decke der Sixtinischen Kapelle zu finden ist. Die Ähnlichkeit eines Horobili wurde bereits angesprochen. Und die Konterfeis diverser Intriganten könnten aus dem Portfolio eines politischen Karikaturisten stammen.

Das mittelalterliche Ambiente, weiterhin sehr schön gezeichnet von Munuera, gewinnt im letzten Schritt durch die tolle Arbeit von Kolorist Sedyas, der mit dem Blick eines filmischen Beleuchters zu Werke geht. In einem Vorwort lobt Dufaux den Zeichner Munuera auf seine Art ausdrücklich und betont er würde sogleich wieder mit dem Künstler arbeiten. Einen Abschnitt zur wunderbaren Arbeit des Koloristen hätte er hinzu setzen dürfen.

Ein märchenhafter, klassischer, verträumter, traurigkomischer, spannender Abschluss einer vierteiligen Ausnahmesaga. Wenn Dufaux behauptet, er würde sofort wieder mit Munuera zusammenarbeiten, dann lässt sich aus Comic-Fan-Sicht nur sagen: Ja, bitte, worauf wartet ihr denn? Los! Macht! 🙂

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