Eberesche. So lautet das Baumzeichen von Asterix und Obelix. Die Vorhersage und die Ratschläge interessieren den kleinen blonden Gallier kaum. Obelix hingegen ist schockiert über den Text, den ihnen Sputnix aus der Gallischen Revue vorliest. Andere haben eine bessere Baumvorhersage, die allerdings bei ihnen nahestehenden Personen mitunter auf wenig Gegenliebe stößt. Troubadix soll seine Talente ausleben? Wer im Dorf soll das gut finden? Da ist ein kleines Chaos sofort im Gange. Das große Chaos ist auch nicht fern, denn die Römer machen sehr bald wieder Ärger, denn da will sie doch tatsächlich ein Diktator namens Cäsar aus der Historie tilgen.
Der Gallische Krieg. Eines ist sicher: Cäsar hat mit dieser Lektüre Unsterblichkeit erlangt und Generationen von Lateinschülern immerhin verärgert, um es freundlich zu formulieren. Aber wie konnte es zu diesem Werk kommen? Was geschah damals, als Cäsars Erinnerungen an ein fragwürdiges militärisches Unternehmen auf den antiken Markt kamen? Diese Antwort gibt der 36. Band der Reihe ASTERIX mit dem schönen Titel Der Papyrus des Cäsar. Heutzutage glaubt niemand mehr an wahrheitsgemäße Aussagen in den Medien. Aber wie war das damals? Wurden in der Antike auch schon Details ausgelassen und Berichte geschönt? Ja, lautet die Antwort. Denn Cäsar hat in seinem gallischen Krieg das Dorf der unbeugsamen Gallier schlichtweg unter den Tisch fallen lassen.
Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichner) berichten nun schon zum zweiten Mal aus der Welt der Gallier, nachdem sie das gewichtige Comic-Erbe einen Band zuvor von Albert Uderzo (und dem lang verstorbenen Rene Goscinny) übernommen haben. Denn aus der Geschichte, Der Papyrus des Cäsar wird klar, dass nur die mündlichen Überlieferungen der alten Druiden dafür verantwortlich ist, dass den unbesiegbaren Galliern und ihrer wahren Geschichte doch noch zu ihrem Recht verholfen wird.
Tradition erkannt und fortgeführt. Ferri und Conrad liefern mit Der Papyrus des Cäsar ein ASTERIX-Abenteuer ab, dass mit den cäsarianischen Einflüssen der Vergangenheit spielt. Die Lorbeeren des Cäsar, Streit um Asterix, Der Kampf der Häuptlinge fallen mir bei der Lektüre des 36. Bandes sofort ein. Enge Berührungen zur römischen Kultur krempeln hinter den Kulissen das Leben der Gallier ein Stück weit um und ein gesellschaftlich unsinniges Phänomen stiftet ordentlich Verwirrung in den Reihen der Unbeugsamen.
Abseits der hauptsächlichen Handlung erscheint eines Tages der Briefträger Rohrpostix mit der neuesten Gallischen Revue. Neben den Neuigkeiten hat sie auch das aktuelle Horoskop für die unter verschiedenen Baumzeichen (nicht Sternen) geborenen Gallier parat. Die Vorhersagen stören den dörflichen Frieden ebenso wie die Zweisamkeit einiger Beziehungen. Herausragend (eine meiner Lieblingsfiguren) ist Methusalix, der aufgrund seines Horoskops eins aufs Dach bekommt, weil seine Frau, sowieso viel jünger, wenig begeistert über neue Eroberungen ihres Mannes ist. Und die Ratschläge aus den Bäumen sorgen für einen am Boden zerstörten Obelix.
Verbindungen zur Gegenwart entstehen nicht nur durch die Geschichte der unbeugsamen Dorfgemeinschaft. Aktuelle Bezüge geben der Handlung einen satirischen Einschlag. Der Drang, Bücher zu schreiben, wird thematisiert. Anhand der neuen Figur des Polemix, eine Anspielung auf Whistleblower allgemein und Julian Assange im Besonderen, die hier ihren Gastauftritt absolviert, wird mit dem Umgang mit Geheimnissen und ihrer Vertuschung gespielt. Im Prinzip werden Asterix und Obelix hier zu einer Art Geheimagenten. Auf diese Weise gibt es ein Wiedersehen mit dem Karnutenwald (siehe: Asterix und die Goten). Und mehr als das. Zur Freude des Lesers geht es tief hinein in die urtümliche Landschaft.
Didier Conrad hat den Strich von Albert Uderzo verinnerlicht und er darf einen (nach langer Zeit mal wieder) durchgeknallten, besser ausgedrückt, hyperaktiven Miraculix zu Papier bringen, der aktiver als sonst in solchen Situationen üblich ins Geschehen eingreift. Schöne ländliche Ausblicke und ein Cäsar, wie er schon in den Anfängen leibte und lebte lassen nostalgische Gefühle aufkommen. Kuriositäten wie das Kurznachrichtensystem und das Notprotokoll geben Conrad die Gelegenheit einige für die Reihe sehr ungewöhnliche Szenen zu zeichnen.
In der Tradition angelangt: So darf es weitergehen. Uderzo hätte es nicht anders gemacht. Ferri und Conrad setzen natürlich stark auf Fans und wahrscheinlich gibt es keinen Franzosen und nur vergleichsweise wenige Europäer, die mit ASTERIX nichts anfangen können und so kein Vorwissen mitbringen. Schön gestaltet, treffend erzählt. Einzig hätte dem feinen Postskriptum ruhig eine komplette Seite eingeräumt werden dürfen. Ansonsten: Top! 🙂
ASTERIX 36, Der Papyrus des Cäsar: Bei Amazon bestellen