Zum Inhalt springen


Comic Blog


Freitag, 09. Oktober 2015

CORTO MALTESE 1 – Südseeballade

Filed under: Klassiker — Michael um 19:01

COROT MALTESE 1 - SüdseeballadeLa Escondida. Diese Insel gehört dem Mönch. Das Gesicht des Verbrechers ist unbekannt, seine wahre Identität geheim. Manchen behaupten, er sei unsterblich. Seine Methoden ist grausam, aber effizient. Ist einmal eine Entscheidung gefallen, gibt es kein Zurück mehr. Eine Einstellung, die auch seine Gefolgsleute verinnerlicht haben. Als Japaner auf der Insel landen, einzig nur um ihre Vorräte etwas aufzufrischen, werden sie Zeuge eines Hilferufes. Damit ist ihr Leben, sogar das der ganzen Mannschaft verwirkt. Ein Maschinengewehr wird enttarnt, desgleichen richtet sich ein kapitales Geschütz auf das japanische Schiff in der Bucht aus. Das Überraschungsmoment lässt den Seeleuten keine Chance.

Das Meer ist in dieser Geschichte wie außerirdischer Grund und Boden. Weit und glatt lässt es einen weiten ungeschützten Blick in die Ferne zu. Die Planken eines Schiffes bedeuten hier den Unterschied zwischen Leben und Tod. Und genau hier steigt Hugo Pratt in die Geschichte ein, indem er es zwei Schiffbrüchigen gestattet, in dieser Einöde das Glück zu haben, von Piraten gerettet zu werden. So beginnt die Südseeballade und der Geburtsprozess von einer der berühmtesten Figuren des europäischen Comics, nämlich CORTO MALTESE.

Es ist der Trick der Unbestimmtheit, der dieses Südseeabenteuer so zeitlos werden lässt. Die Figuren enthüllen sich langsam durch ihre Taten, weniger durch ihre Vergangenheit. CORTO MALTESE selbst betritt die Bühne dieser Geschichte treibend auf See, auf ein Floss gekreuzigt, immerhin nicht sofort getötet. Auch jene, die ihn finden, allen voran der ebenso undurchsichtige wie brutale Rasputin, hätten nichts dagegen, wenn der ausgesetzte Pirat das Zeitliche segnen würde. Doch da gibt es noch eine geheimnisvolle Gestalt im Hintergrund, die im aufziehenden Weltkrieg, der seine Schatten selbst im Pazifik voraus wirft, ihre eigenen Fäden spinnt.

Bei der Lektüre überträgt sich eine gewisse Stille der pazifischen Welt, in der die Inseln selten sind, das Meer oft ruhig ist, aber wenn es erwacht, gnadenlos zuschlägt. Entweder sind es die Wellen, die nach dem Leben der Menschen greifen oder es sind seine Inselbewohner, die Ureinwohner oder die Eroberer. Da scheinen zwei Jugendliche, die Schiffbrüchigen Pandora und Cain, ganz von selbst wegen ihrer puren Naivität dem Untergang geweiht. Gäbe es nicht CORTO MALTESE, dem Piraten mit dem blendenden Aussehen und einer Moral, die ihn vor Übergriffen auf Hilflose zurückschrecken lässt.

In einer Skizzentechnik, mit der auch Tagebuch geführt werden könnte, reiht Hugo Pratt mit schnellen, treffsicheren Strichen Bild an Bild. Er benötigt nur wenig Ausdruck zur Charakterisierung seiner Figuren. Hier tritt ein weiterer Trick zutage, nämlich dem Auge des Lesers die Vervollständigung der äußerlichen Erscheinung zu überlassen. So mag jeder darin seine zeitgemäße Vorstellung von Menschen sehen. War es in der seiner ersten Auflage ein Marcello Mastroianni als perfekte Verkörperung von CORTO MALTESE, passt heute ein Michael Fassbender. Aber das sind nur Beispiele. Pratts Figuren ähneln Leinwänden, die er dem Leser zur Verfügung stellt.

Dampfschiffe sind klobige Schattenrisse vor dem Horizont. Sie wirken wie Fremdkörper in dieser Welt, in der sich die Ureinwohner angepasst haben, eine eigene Zivilisation, eigene Lebensweisen, eigene Boote und Bauweisen ihrer Siedlungen entwickelt haben. Selten sind Eindringlinge in Comics so auffällig dargestellt worden. Europäer und der Asiaten sind mit ihren Streitigkeiten enorme Fremdkörper, was ihren Zwist stets unwirklich erscheinen lässt. Diese Unwirklichkeit wird durch eine Figur wie den Mönch, der auch der Fantasie eines Edgar Wallace entsprungen sein könnte, noch verstärkt. Der Mönch ist eine geheimnisvolle Figur, die selbst in dem Moment, als sie sich öffnet und Teile ihrer Vergangenheit preisgibt, noch weiter verschließt. Aber da gibt es noch Corto Maltese, der … das wird nicht verraten.

Ein romantischer Blick auf die Südsee, ein ganzer Kerl, gute Freunde und eine stolze Menge von Halunken. Hugo Pratt hat eine der geradlinigsten Abenteuergeschichten der Literatur abgeliefert, die sich in die großen Seeklassiker wie Die Schatzinsel, Captain Blood oder Lord Jim einreiht. Ein Mikrokosmos in der Weite einer trügerischen See ist die Heimat eines Helden, der sich immer aufs Neue aus einer misslichen Lage zu befreien weiß. Ein optisches Piratentagebuch mit einem jener Helden, denen jugendliche Leser nacheifern möchten. Mit leisen philosophischen Komponenten erzählt, unaufdringlich eingebaut, überzeugt CORTO MALTESE zusätzlich mit Tiefe und bleibt deshalb lange im Gedächtnis. Toll! 🙂

CORTO MALTESE 1, Südseeballade: Bei Amazon bestellen
Oder bei Schreiber und Leser.

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.