Wahrheit oder Tod. Mit diesen Worten stürzt sich Samuel in die Tiefe, den Zünder in der Hand, geradewegs auf die Motorhaube der Präsidentenlimousine. Niemand aus dem Kader der Sicherheitskräfte hat mit dieser Attacke gerechnet. Die kleine revolutionäre Zelle, bestehend aus Jugendlichen, ist von Samuels Vorgehen selbst überrascht. Der Explosion folgt das Chaos und eine wilde Flucht. Ein Gerücht wird für die Flüchtigen zur Tatsache. Die Krähen, die Leibwachen der Präsidentin, machen Jagd auf sie. Wer kann sagen, wer oder was sich hinter den schwarzen Helmen, den neonrot leuchtenden Lichtern und den Federverzierungen verbirgt?
WAISEN: Mit RINGO wird ein neues Kapitel in diesem d?steren Zukunftsszenario aufgeschlagen. Die alte Revolution ist vergangen. Die Kämpfer von einst sind tot oder haben sich zurückgezogen. RINGO, einstiger Staatsfeind Nr. 1, ist AM LEBEN und hat nicht die Absicht, jemals wieder in den bewaffneten Kampf einzugreifen. Es kommt anders. Derart raumgreifende Science Fiction Serien sind in Europa selten. Die Macher Franco Busatta, Emiliano Mammucari und Roberto Recchioni sind gut beraten gewesen, dieses Universum mit einem Spin-off zu erweitern.
RINGO. Ein gestandener Comic-Held mit den optischen Qualitäten eines jungen Franco Nero und den Erfordernissen eines modernen Leinwandheroen bietet vom ersten Moment seines Erscheinens das, was ein actionreiches SciFi-Abenteuer benötigt. Emiliano Mammucari und Luca Maresca, die sich die zeichnerische Arbeit teilen, zeigen ihr Können in der realistischen Darstellung eines desolaten Landes. Im Anhang wird in jeweils drei kurzen Schritten die Entstehung eines Bildes gezeigt. Bleistift, Tusche, Kolorierung. Bereits bei der Tusche ist der berühmte Schwarzweiß-Look aus Italien zu sehen, jener Comic-Kunst, die dort so gepflegt wurde und hierzulande dank Dylan Dog und Dampyr auch angekommen ist. Die Farbgebung im letzten Schritt macht aus den Bildern letztlich SciFi-Kino, denn Annalisa Leoni und Alessia Pastorello tragen mit der richtigen Farbwärme, der richtigen Beleuchtung zu einer optischen Richtlinie bei, die dem Abenteuer ein unverwechselbares Aussehen gibt.
Ein apokalyptisches Szenario mit realistischen Ansätzen wirkt durch seine grafische Umsetzung glaubhaft. Es ist eine Verfahrensweise, die sich jüngst in westlichen Geschichten (abseits der Zombieszenarien) gerne in Endzeitvisionen durchsetzt. Im Manga-Comic wurde schon länger und häufiger so verfahren, hier finden sich auch Parallelen zu WAISEN und natürlich RINGO. Es vermittelt einem das Gefühl von Ohnmacht. Das Gefühl einer Welt, die will, aber nicht mehr kann. Und falls es doch Wege gibt, dann funktionieren sie nur noch individuell, aber nicht mehr für die Masse. Am konkreten Beispiel: Eine kleine Gruppe findet ihren Weg, aber Brücken sind längst zerstört. Man kann auf Schienen laufen, aber nicht mehr fahren. Man campiert in uralten Gebäuden, weil nur diese noch derart solide gebaut wurden und so auch diese Zeitenwende überstehen.
Symbole der Aufopferung werden zu Symbolen der Revolution missgedeutet. So wird die Erinnerung an den Heiland des Christentums zu einem Märtyrer ausgeschmückt, der für seine Überzeugungen gestorben ist. Die Bildkompositionen, in denen RINGO seine Mitstreiterin korrigiert, es aber nicht schafft, sie von ihren falschen Vorstellungen zu kurieren, verschaffen der Figur die Tiefe eines modernen Action-Helden, der sich nicht in den Vordergrund stellt, aber ständig dorthin gedrängt wird.
Der Held will zunächst nicht, aber die Umstände zwingen ihn: RINGO überzeugt mit einem rundum intensiven Szenario, mit einer Heldenfigur, die immer wieder funktioniert. Franco Busatta, Emiliano Mammucari und Roberto Recchioni haben alles richtig gemacht. Ein hartes, grafisch tolles SciFi-Abenteuer. 🙂
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