Sie folgen dem Erkundungstrupp langsam. Die Männer zu Pferd machen sich keine Sorgen. So lange sie schnell als die Untoten sind, besteht nur eine geringe Gefahr. Aber niemand hätte damit gerechnet, dass Zombies inzwischen in der Lage sind, den Menschen Fallen zu stellen und Stichwaffen zu benutzen. Als die Falle zuschnappt, ist die Überraschung groß und kurz sieht es so aus, als würde niemand die furchtbare Attacke überleben. Paul Monroe wehrt sich mit der Kraft und der Behändigkeit des Verzweifelten. Es gelingt ihm sogar, einen der Angreifer gefangen zu nehmen.
Wenn eine Zivilisation stirbt, die Bedingungen für sie nahezu unmöglich geworden sind, sollte dann auf Biegen und Brechen versucht werden, sie neu aufzubauen? Oder gibt es am Ende einen Neuanfang auf einem völlig anderen Weg? Mit dieser Frage beschäftigt sich Robert Kirkman zu einem großen Teil im 23. Band der Reihe THE WALKING DEAD mit dem Untertitel Dem Flüstern folgt der Schrei. Während sich die Gesellschaft um den ehemaligen Polizisten Rick Grimes an der alten Ordnung orientiert, sogar expandiert, weil man gelernt hat, wie der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Untoten zu begegnen ist, haben sich andere, solche, die sich nicht hinter einer Umzäunung verschanzen, gelernt, wie es ist, da draußen dauerhaft und in Koexistenz mit den Zombies zu überleben.
Aber die Gefahren werden durch Organisation nicht geringer, nur fassbarer. Und die Gefahren kommen nicht nur von außen. Wer die bisherige Arbeit von Robert Kirkman verfolgt hat, weiß, dass es der Autor wie andere seiner Zunft (Stephen King ist hierfür ebenfalls ein gutes Beispiel) gerne erst einmal an einzelnen Stellen schwelen und brodeln lässt, bevor der Ausbruch mit einem Knall erfolgt. Carl Grimes, Ricks Sohn, hat in der Wildnis seine Vorstellung von Gerechtigkeit gelernt. Es Faustrecht zu nennen, wäre noch untertrieben. In die Atmosphäre des Wilden Westens gesellt sich eine gehörige Portion Eine Mann sieht rot. Es handelt sich um eine Sequenz, bei der man als Leser hin und her gerissen wird, auf wessen Seite man hier stehen soll.
Zumal die Bedrohung innerorts noch von einer anderen Seite ausgeht. deren Unzufriedenheit sich bald zu einer Attacke aus dem Hinterhalt verdichtet. Diese gerät vor der großen Bedrohung fast ins Hintertreffen. Die nahende Gefahr ist hier auf jeder Seite fühlbar, nachdem der 22. Band eine Einleitung zu diesem vorläufigen Gipfel im Handlungsstrang geführt hat. Sie zeigt sich in konkreten Überfällen und Morden. Sie zeigt sich im merkwürdigen Verhalten der Besucherin Lydia, die ganz anders aufgewachsen ist als Carl, der Gefallen an ihr entwickelt. Sie zeigt sich in der Feigheit eines machtgierigen Gesellen, der bereit ist über sein Maulheldentum hinauszuwachsen und einen Mord zu begehen.
Und Rick Grimes? Der wird im Augenblick nicht benötigt und hat auch gar keinen Auftritt. Rick ist zu einer lebenden Legende geworden, einem Vorbild aus der Ferne, der sich seinen Halbruhestand verdient zu haben scheint. An seine Stelle ist (vorübergehend) Maggie getreten, die mit einem Nachzügler des langen Handlungsstrangs, Jesus (Spitzname von Paul Monroe), die Verantwortung über eine Siedlung übernommen hat. Erste Handelsrouten sind so entstanden, ein weiterer Beleg für den betriebenen Wiederaufbau. Wie schwierig der Spagat zwischen privaten Belangen und einer Führung einer Gemeinschaft ist, lernt sie, ähnlich wie Rick einst, schmerzlich kennen. Als Leser befürchtet man kurzzeitig, Robert Kirkman habe sich erneut vorgenommen, sich von einem weiteren Standardmitglied der Serie zu verabschieden und es sich doch noch im letzten Augenblick anders überlegt.
In gewohnter grafischen Qualität von Charlie Adlard (mit einem schönen Interview zum Schluss) getragen, erzählt Robert Kirkman in eine völlig neue Richtung. Die Wanderschaft ist endgültig beendet. Jetzt gilt es, das einmal Zementierte in einer großen Gemeinschaft gegen eine neue Kultur zu verteidigen. Gleichzeitig werden spannende Weichen für kommende Entwicklungen gestellt. Sehr gut. 🙂
THE WALKING DEAD 23, Dem Flüstern folgt der Schrei: Bei Amazon bestellen