Wo die Liebe hinfällt, erwachsen andere Prioritäten. Als Superheld zu agieren, wird zweitrangig. Auch die Befreiung einer alten Freundin kann da schon mal hintenan gestellt werden. Dabei ist es nicht einmal böse Absicht. Wo das Herz spricht, versagt der Verstand und die Vernunft. Dave Lizewski ist ein Superheld. Der Name seines Alter Egos lautet KICK-ASS. Inzwischen hat er eine unbestrittene Bekanntheit erlangt und ist der kriminellen Unterwelt mehr als nur ein Dorn im Auge. Nach einer kleinen Ruhephase, in der beide Seiten, Helden und Gangster, ihre Wunden geleckt und neue Kräfte gesammelt haben, übernimmt nun ein neuer Halunke die Führung der organisierten Kriminalität. Plötzlich haben KICK-ASS und seine Kollegen einen Gegner, dessen Brutalität selbst bei seinen eigenen Leuten berüchtigt ist.
Der finale Tritt in den Arsch. KICK-ASS macht das Triple voll. Und das Ende hat es in sich. Jugendliche Superhelden in einer Welt, die von Superhelden träumt. Wo die Industrie rund um das Thema mit Comics, Filmen und Merchandising boomt, aber wahre Helden Mangelware sind. In diese Welt ist KICK-ASS eingeschlagen wie eine Bombe und hat schnell Vorbildcharakter bekommen. Vorbild? An der Seite von HIT-GIRL lernt jemand wie KICK-ASS nur eines. Es werden keine Gefangenen gemacht.
Autor Mark Millar und Star-Zeichner John Romita Jr. verabschieden sich von KICK-ASS mit einem würdigen Finale, das die einzelnen Charaktere in den Comic-Ruhestand entlässt. Die besonders wichtigen jedenfalls. Für einige kommt es knüppeldick. Gewalt hat in der Welt der Superhelden von Anfang an ein Zuhause. Die sehr deutliche Darstellung, über einen gewissen Codex hinaus, wurde vor vielen Jahren zu den Akten gelegt. Dennoch schien diese Gewalt, die sogar Tote im engeren Kreis der Helden zur Folge hatte, nie ganz so ernst zu nehmen zu sein. Bei den verkleideten Helden wie KICK-ASS verhielt es sich komplett anders. Hier waren es eben Jugendliche, Normalbürger, die es mit ernsthaft fiesen Verbrechern zu tun bekommen.
Superhelden in Ausbildung. Nicht nur KICK-ASS lernte, wie in dieser Ausgabe, noch dazu. In Rückblicken erfährt der Leser mehr aus den Zeiten von Hit-Girls Ausbildung durch ihren Vater. John Romita Jr., der den perfekten Zeichenstil zwischen Comic und Realismus gefunden hat, gelingt die Verniedlichung seiner Figuren einerseits, um andererseits im nächsten Augenblick mit Schrecken von Mord und Totschlag im Mafiamilieu aufzuwarten. Selten war Zynismus im Comic besser getroffen als hier. Auf der Basis von Mark Millars Textvorlage und mit einem guten Tuscher (Tom Palmer) sowie einem Koloristenduo (Dean White, Michael Kelleher) können die Bilder ihre Wirkung zu einhundert Prozent entfalten.
Eines der großen Merkmale von John Romita Jrs. Bildern neben seinen szenischen Qualitäten ist die Vermittlung von Emotionen. Vielleicht liegt hier sein Geheimnis, das ihn auch verlagsübergreifend tätig werden lässt und ihn aber auch lange an diverse Einzelhelden gefesselt hat. In seinen Grafiken liegt eine intuitive Wucht. Er ist nicht der exakteste Grafiker im Business, aber sicher einer derjenigen, in dessen Bildern echte Leidenschaft übertragen wird. Das erklärt zum einem überwiegenden Teil den Erfolg von KICK-ASS. Mark Millar ist ein bewiesenermaßen talentierter und großartiger Erzähler (WANTED, SECRET SERVICE), aber ohne die Mitarbeit von John Romita Jr. hätte KICK-ASS niemals so gut funktioniert.
Es leben die Psychopathen: HIT-GIRL und Walter White, Verzeihung, Dr. Alex White. HIT-GIRL wird im Gefängnis einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Ihr neuer Arzt, Dr. Alex White, ist optisch eine eindeutige Anlehnung an Mr. White aus Breaking Bad und szenisch gleichzeitig eine Verbeugung an gegenüber dem Patienten-Arzt-Verhältnis von Sarah Connor und Dr. Silberman in Terminator 2. HIT-GIRL ist nicht nur ein gandenloser Rächer, zufällig auf der richtigen Seite des Gesetzes, sonst wäre sie einfach nur ein Killer, sie ist auch ungewöhnlich intelligent und emotional abgebrüht. So besitzt das Duell zwischen ihr und Dr. White einen außergewöhnlichen Charme und ist einer der Höhepunkte des Finales.
Erste Hälfte: Der Leser hat Zeit, um sich zu verabschieden und die Helden auch von anderen Seiten kennen zu lernen. Zweite Hälfte: Millar und Romita Jr. lassen es wieder krachen. Eine Superheldengeschichte, die das Genre ähnlich aufgeräumt hat wie Watchmen von Alan Moore. Sehr gut. Nur leider schon vorbei … aber HIT-GIRL ist ja noch da. 🙂
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