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Comic Blog


Dienstag, 14. April 2015

DAS UPGRADE 1 – Wunder, Würfel, Weltfestspiele

Filed under: Superhelden — Michael um 20:34

DAS UPGRADE 1 - Wunder, Würfel, WeltfestspieleEs war einmal … die DDR. Ronny Knäusel hatte ein ganz besonderes Talent, wie es in einem umzäunten Land von unschätzbarem Wert sein kann. In einem Moment ist er hier, im nächsten Moment ist er zu einem anderen Ort teleportiert. Außerhalb des erlaubten Bewegungsraumes. Außerhalb der DDR. Es ist ein Moment der stillen Freude. Vor einer Sekunde ist die Familie mit all ihren Habseligkeiten noch diesseits der Grenze, ein herzförmig aufstrahlendes Licht später finden sie sich jenseits der Grenze im Freistaat Bayern wieder. Ronny Knäusel, 1988 bereits 21 Jahre alt, lächelt in die Nacht hinein und geht anschließend hinter dem eisernen Vorhang wieder seiner Wege.

Anderswo. Vier Jahre später im Land der Freien. Ein Pizzabote hat ein merkwürdiges Erlebnis, nicht zum ersten Mal, aber er kann sich Gott sei Dank nicht mehr an die beiden ersten Male erinnern. Cosmo Shleym war dereinst ein Rock’n Roller, der sogar im Land der Unfreien auf den X. Weltfestspielen auftreten durfte. Doch Ereignisse aus jener Zeit vor fast 20 Jahren haben Spuren hinterlassen und eine Aufgabe, der er sich mit aller Kraft widmet. Da kommt der Pizzabote Jimi Jesus Jackson wieder einmal ungelegen. Hätte er doch auf seine Intuition gehört!

Das UPGRADE vermischt deutschdeutsche Geschichte (was für ein Begriff!) mit einer fantastisch humoristischen Science Fiction, die Freunden überdrehten Spaßes gefallen dürfte, solchen, denen vielleicht auch Monty Python gefällt oder die andere intelligente Comedy mögen. Die verschachtelte Erzählweise springt in den Jahren hin und her und Springt ist auch gleich das Stichwort, denn mit einem Sprung beginnt diese Geschichte nach einem kleinen Prolog, der sich bereits vor rund 4750 Jahren ereignet. Klingt merkwürdig, aber es ist gerade diese Erzähltechnik, die zunächst verwirrt, sich aber binnen kurzem auf das Klarste entwirrt und dem Leser so manches Aha-Erlebnis beschert.

Besagtes Aha-Erlebnis kommt mit wunderbar komischen Rückblicken auf ein vergangenes System daher, im Kleinen wie im Großen. Ronny Knäusel, die Hauptfigur, lernt der Leser sehr früh kennen, bevor seine Eltern ihn überhaupt gezeugt haben. Das ist wichtig, denn es führt zu einem dieser Aha-Erlebnisse, das der Leser aber erst bekommt, wenn er noch einmal ein paar Seiten zurückblättert. Der Clou soll natürlich nicht verraten werden, aber es ist wirklich eine Glanzidee. Sascha Wüstefelds Händchen für kuriose Gestalten, geradewegs aus einer Soap heraus karikiert oder auch von einer Boulevardtheaterbühne, offenbart sich in den Sequenzen jener vergangenen deutschdemokratischen Tage, in denen alsbald das (gewollte) Tohuwabohu ausbricht.

Als ich den Vater von Ronny Knäusel das erste Mal sah, musste ich sofort an das HB-Männchen denken. Und in der Tat sind die Figuren ein Entwurfkonsortium aus Klassisch, wie im Falle des Männleins, aus Modern im Sinne einer Kim Possible oder eines Super Dinosaur. Es hat zeitweise etwas von einem Entdeckerbuch, in dem sich zahlreiche Außenansichten und Innendesigns einer untergegangenen Epoche finden, ein wenig deutschdemokratisches Mad Men. Das ist so liebevoll und aufwändig gemacht, dass man sich für Ronny Knäusel im Laufe der Serie eine Rundumreise durch die ehemalige DDR wünscht, um möglichst viele dieser grafischen Kabinettstückchen zu entdecken. Die Fähigkeit zur schnellen Reise besitzt er schließlich.

Von der schnellen Skizze zur hochgradig perfekten Ausführung. Die Vereinigten Staaten mit ihrem Yo!-Alltag stehen im deutlichen Gegensatz zur 60er-Jahre-Klicki-Bunti-DDR. Aus nachgeahmter Popkultur wird moderner Dschungel in der Heimat der Tapferen. Die Jahrzehnte und der Kontinent haben sich geändert, an den Verrücktheiten ändert sich nichts. Es wird höchstens, auch optisch, ein wenig nerdiger samt eines riesigen Sendeturms, der an futuristische Vorstellungen vergangener Tage erinnert, wie etwa 2001, schön weiß, gestreckt, rocket-linke.

Ein schick-schräger Auftakt zu einer ungewöhnlichen Zeitreise in einem ungewöhnlichen Setting, sehr bunt, in sehr sauberem Design, mit eigenwilligen, tollen Einfällen und frischem Humor, der auf neue Ideen setzt. Klasse, so darf das weitergehen, 🙂

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