Manche Orte sollen gemieden werden. Wenn solche Orte jedoch besucht werden müssen, um das Leben eines geliebten Wesens zu retten, welche Wahl bleibt einem dann? Nävis stellt sich diese Frage nicht einmal. Und sie hat dafür eine schlichte Begründung, die kaum einfacher als in einem einzigen Satz ausgedrückt werden kann. Selbst Nisob, der Roboter, der auf sie aufpasst und sich oft mit ihrer Halsstarrigkeit auseinanderzusetzen hat, kann nicht dagegen argumentieren. In Begleitung der kleinen sprechenden Raubkatze Houyo machen sie sich auf den gefahrvollen Weg zu einem Raumschiffwrack. Hier könnten noch die Hilfsmittel zu finden sein, um Nisob zu helfen. Doch kaum haben sie das Wrack betreten, werden sie auch schon gejagt.
Haben Sie noch Energie? Eine kleine Frage kann dem Grauen vorangehen. In diesem Fall befolgt eine Robotereinheit nicht mehr ihren grundlegenden Gesetzen, sondern ist nur noch an der eigenen Erhaltung interessiert. Ein Roboter braucht Energie. Dieser geht dafür über Leichen. Das Comic-Trio aus Jean David Morvan, Jose Luis Munuera und Philippe Buchet mischt ein kleines Kind, einen Wildfang von Haustier mit einer knallharten und erbarmungslosen Kreatur, die dem FilmVirus entsprungen sein könnte.
Morvan, Munuera und Buchet haben sich an ein offensichtlich leichteres Szenario gesetzt. Vorahnungen führen zu einer Rettungsaktion, die jegliche düstere Vorschau weit übertrifft und um ein Vielfaches gefährlicher ist. Die Abenteuer der jungen Nävis sind kindgerechter erzählt, drücken an ein paar Stellen passend auf die Tränendrüse, sind schnell wie flotte Trickfilmpassagen aus gängigen Animes und besitzen ausreichend ruhige Momente, damit sich das Dreiergespann aus Nävis, Houyo und Nisob im Rahmen der Reihe weiterentwickeln kann. Dadurch wird die Charakterisierung der späteren, erwachsenen Variante sogar noch ein wenig deutlicher und runder.
Der fremde Roboter ist eine wandelbare Kreatur und macht seinen Erschaffern viel Arbeit. Da er sich entwickelt, den Situationen anpasst, auf seine Art wächst, braucht Zeichner Jose Luis Munuera nicht jede Schraube, jedes Scharnier an der selben Stelle wie zuvor zu gestalten. Bei einer Gestalt wie dieser würde jede neue Zeichnung in einer Sisyphosarbeit ausarten. Auch so ist Munuera eine dämonische Robotergestalt gelungen, die ebenfalls (wie in erwähntem Virus) einer ernsthafteren Geschicht gut zu Gesicht stehen würde. Die scheinbar wüst zusammengesetzten Elemente dieses metallenen Monsters wirken feingliedrig, scharfkantig, wie ein mechanisches Frankensteinmonster, dem bei aller Stahloberfläche noch eine irrsinnige Mimik gelingt.
Kleine Grafiktricks peppen die Bilder auf. Einerseits erinnern Punktraster in Schattierungen an die gute alte, nicht so lang vergangene Zeit, als dergleichen noch mittels Folien am Zeichentisch eingezogen wurden. Andererseits ist der Wechsels des Farbauftrags zwischen Realsequenzen und Traumphasen sehr reizvoll und schön anzuschauen. Gerade in den Szenen, in denen der Leser Nävis auf Traumabenteuern folgen darf, sind die Farben einem aquarellartigen Auftrag nachempfunden. Die Kolorierung von Christian Lerolle gibt den ohnehin sehr fein gezeichneten und getuschten Bildern von Munuera noch mehr Zerbrechlichkeit, ein Stück mehr optische Anziehungskraft.
Ein grafisch sehr reizvolles Wechselspiel aus Handlung in freier Wildbahn und der düsteren, zuweilen engen Atmosphäre in einem zerstörten Raumschiff. Sehr strikt erzählt, aber nicht ohne die eine oder andere Überraschung zu vergessen. Eine schöne Fortsetzung der Serie. 🙂
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