Machtverschiebungen. Wer die Gefolgschaft vieler hinter sich weiß, der kann sich im Gerangel um die Macht behaupten. Die verschiedenen Kontrahenten sind einfallsreich und suchen sich ihre Krieger, wo sie diese finden können. Falls nötig, sogar auf einem düsteren Friedhof. Allianzen. Maldoror, Fürst der Unterwelt, kommt nicht umhin, ein ungeliebtes Bündnis zu schließen und dazu eine Frau an seine Seite zu holen, die nichts lieber tun würde, als ihn zu überlisten. Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Miranda, eine auf ihrem Gebiet vortreffliche Hexe, fordert als Preis eine Liebesnacht und Maldoror gewährt sie ihr. Dagegen wäre nichts einzuwenden, gäbe es nicht Blanche, Thronerbin und Rebellin, die nicht bereit ist, eine derartige Belohnungszeremonie zuzulassen.
Armer kleiner Horibili! Du bist ein ganz einsames Herz. Ja, der kleine Horibili! Er ist nicht nur einsam und könnte optisch ein entfernter Verwandter von Majestix sein, er ist außerdem ein findiger Kerl. Leider ist er von kleiner Gestalt und neben den ranken und schlanken Hauptfiguren eher unscheinbar zu nennen. Hinzu kommt, dass er in Miranda unsterblich verliebt ist und sogar eine Erniedrigung durch sie hinnehmen würde, fände er nur Beachtung auf irgendeine Art. Es sind solche Randfiguren, die auch den dritten Teil von ZAUBER zu etwas Besonderem machen. Jean Dufaux gibt den einzelnen Bänden keine Untertitel, was in der Fülle der Erscheinungen schon auffällig ist.
Auffälliger noch ist die sehr genaue Charakterisierung der Figuren, die sich wunderbar nachvollziehbar entwickeln, so dass sogar ein gewisses Mitleid mit einer Hexe wie Miranda entsteht. Maldoror, ehemals so rücksichtslos, eben wie es sich für einen Herrn der Unterwelt gebührt, ist zusehends seiner Blanche verfallen, die ihm den kleinen Fehltritt verzeiht, war er doch bloß ein Mittel zum Zweck. Genauso wie Raz Gul, der Anführer eines Heeres von Untoten, der sich unter den Befehl von Blanche begibt, alles nur, um eine Heimat für sich und seine Leute zu finden. Manches kommt einem bei der Lektüre bekannt vor, dient aber am Ende nur dazu, um durch den Erzähler Jean Dufaux genüsslich wieder gekippt und in neue Bahnen gebracht zu werden.
Nun, mein Neffe, beruhigt Euch! Wie viele Köpfe wollt Ihr denn noch? Neben der geschmeidigen Bösartigkeit eines Ombrage, die eines schauspielerischen Auftritts von Ian Mc Dermid würdig wäre und von Jose Luis Munuera grafisch an den herausragenden Darsteller angelehnt ist, ist es die filmische Inszenierung, die auch Band 3 von ZAUBER zu einem neuerlichen Augenschmaus macht. Ob es die mittelalterlichen Straßen sind, die das Auge auf einen Spaziergang mitten hinein ziehen, die Perspektiven, die den Betrachter zwischen die Akteure stellt oder Massenszenen, die eine Kreuzung aus cineastischen Erfahrungen wie Taran, Braveheart oder Robin Hood bilden. Stets gelingt Munuera ein sauberer Schnitt zwischen Vordergrund und Kulisse, wie in alten grafischen Techniken, vorgedruckt und nachgezeichnet, immer auf der Suche nach dem besten Effekt für das jeweilige Bild. Das ist feinste Comic-Kunst.
Goldenes Land, dunkelgrünblaue Finsternis. Kolorist Sedyas hat einen großen Anteil an der tollen Durchschlagskraft der Bilder. Das Konzept, nicht mit den Farben, sondern mit dem Licht zu leuchten, wird hervorragend über die gesamte Länge des Bandes (auch der Reihe) gehalten. Das Titelbild gibt einen kleinen Eindruck dieser Technik, auch der sich daraus ergebenden farblichen Pracht, die einerseits die Optik eines Trickfilms imitiert, andererseits die gemäldeartigen Effekte alter Ritterfilme heraufbeschwört.
Packendes Fantasy-Kino zwischen zwei Albendeckeln. Hier haben sich drei Comic-Künstler, Autor, Zeichner und Kolorist, gesucht und gefunden. Ein perfektes Team liefert mit dem dritten Band der Reihe ZAUBER ein echtes Meisterwerk mit dunklem Humor, tollen Bildern und spannender Erzählung. Märchenhaft packend! 🙂
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