Montag, 26. Januar 2015
Für manche Wesen ist Kampf mitunter nur ein Spiel. Es dient dem Training der Reaktionsfähigkeiten, des Augenmerks, der Beweglichkeit und sicherlich auch dem Ehrgeiz. Für andere bedeutet Training die Vorbereitung auf den tatsächlichen Kampf auf Leben und Tod. Es ist auch ein Spiel, aber am Ende kann der Besiegte nicht mehr vom Platz gehen. Hätte NÄVIS längere Zeit die Kultur der Erde kennen lernen können, hätte sie vielleicht auch die Bekanntschaft mit Polo gemacht, zu Pferd, nicht ungefährlich, aber auch nicht derart rabiat, wie sie es hier vollführt. Als Ersatzspielerin begeistert sie das Publikum mit einer wahnsinnigen Leistung. Zeitgleich erfreut sich ein anderer Athlet an seiner vollkommenen Erfahrung im Kampf. Zuschauer sind ihm gleichgültig. Für ihn zählt nur, dass er endlich vorbereitet ist.
Kampf ist die Einleitung. Kampf beschreibt den Hauptteil des Geschehens. Viele kleine Schritte haben den roten Faden von SILLAGE an diesen Punkt der Reihe gebracht. Aus NÄVIS ist mehr oder weniger aus einer Laune des Schicksals heraus eine Kampfmaschine geworden, jemand, für den die kriegerische Auseinandersetzung ein existentieller Bestandteil ist. Das mag sich merkwürdig anhören, aber als Charakter hat NÄVIS eine friedliche Phase nicht lange aushalten können. Und nicht selten wurde ihr Frieden nicht lange gegönnt, da ihr Potential und ihr Talent auf dem weiten Feld des Kampfes von einigen wichtigen Charakteren erkannt wurde.
Mit jenem anderen Menschen, der ebenfalls das Titelbild der 16. Ausgabe der Reihe SILLAGE ziert, verhält es sich anders. Dieser Mensch ist bereits von Beginn an zum Krieger erzogen worden, obwohl nicht die Not der Auslöser für diese Erziehung war. NÄVIS musste als einziger Mensch in der Gesellschaft eines Roboters und einer Raubkatze aufwachsen und war, dem Willen ihrer beider Schöpfer nach, ständig auf der Hut vor Gefahren. Sie brauchte den Kampf zum Überleben. Dieser andere Mensch wurde für die Rache trainiert. Eine entsprechende Ausrüstung kann der Leser auf dem Titelbild bereits in Augenschein nehmen. Die Rasanz des Umgangs mit dieser Technik ist hervorragend zu Papier gebracht, der dramatische Tanz in der Schwerelosigkeit auf seine Art bestimmt ein optischer Höhepunkt der Reihe.
Das Titelbild ist sehr drastisch und verrät im Gegensatz zu vielen seiner 15 Vorgänger eine Menge über die Geschichte, aber eben auch nicht alles, denn wer meint, das Ende zu erkennen, findet sich getäuscht. Nävis hält Yannsei in den Armen. Allein das Bild als solches stellt SILLAGE ziemlich auf den Kopf. Es ist nicht Yannseis erster Auftritt, doch bestimmt ist ein Wendepunkt der Reihe, da nun zwei Schicksale zusammengeführt werden. Bislang galt Nävis als einziger Mensch innerhalb der gewaltigen Ansammlung von Wesen aus scheinbar allen Teilen der Galaxis. Und woher Yannsei jetzt kommt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Zwei sich nahe stehende Menschen, die kämpferisch hoch begabt sind (das ist für Fans der Reihe kein Geheimnis), bieten für den Autoren Jean David Morvan und seinen Zeichnerkollegen Philippe Buchet ungeahnte neue Möglichkeiten.
Mut zum Design. Wie wurde George Lucas doch für die Frisuren einer Prinzessin Leia gescholten! Hielt man sie bei ihrem ersten Auftritt gar für eine kleine Micky Maus. Was soll man als Leser von SILLAGE nun von dieser Frisur halten, die NÄVIS dort auf dem Kopf trägt? Der Vergleich zu Micky Maus liegt hier näher, auch alte Witze steigen wieder auf (kriegst du damit auch das dritte Programm?), letztlich allerdings ist ganz einfach der Mut zu begrüßen, den Philippe Buchet mit diesem Konstrukt an den Tag legt. Bei genauer Betrachtung könnte dieser Einfallsreichtum auch einem Stardesigner für eines seiner Modelle auf dem Laufsteg eingefallen sein. Wichtiger noch ist der der praktische Umgang mit dieser Frisur, der es NÄVIS erlaubt, sich in jeder gefährlichen Lebenslage nicht um ihre Haarpracht kümmern zu müssen, die ansonsten von Buchet zur Verschönerung der Figur hergenommen wird.
Design zum Zweiten. Feine, klare Formen sind Philippe Buchets Markenzeichen als Comic-Künstler geworden. Im 16. SILLAGE-Band, Das Böse im Blut, muss der Leser auf die ansonsten reichhaltige Fülle von Raumschiffen, Ideen zur futuristischen Innenausstattung oder auch besondere Vegetationen fast verzichten. Die Aufmerksamkeit von Morvan und Buchet liegt beinahe ausschließlich auf den Charakteren und finalen Duell.
Ein Wendepunkt der Reihe der von einem Knalleffekt zum nächsten fortschreitet. Morvan und Buchet schaffen die Grundlage für einen neuen Abschnitt im Leben von NÄVIS. 🙂
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Mittwoch, 21. Januar 2015
Das kleine tuckernde Fahrzeug, nicht ganz Fahrrad, auch nicht Moped, brachte Jackie wie gewohnt ans gewünschte Ziel. Zeitweilig, wenn ein Auftrag auch Geld eingebracht hat, muss das Geld auch zur Bank gebracht werden. So selten solch ein Besuch auch ist, muss ausgerechnet in diesem Moment ein Überfall stattfinden. Die Verhaltensweisen in Gegenwart bewaffneter Räuber sind vergleichsweise einfach formuliert. Sollen sie doch das Geld haben, wenn einem dafür Leib und Leben unbeschadet bleiben. Leider gibt es immer wieder Bankangestellte, die sich wider jeder Vernunft als Helden hervortun wollen.
Jackie Kottwitz ist berechtigterweise entrüstet, allerdings wird er eines Besseren belehrt. Nun gilt es, noch Schlimmeres zu verhindern. Jackie wird zum Nachwuchshelden, als er dem Bankräuber hinterher eilt und gerät prompt mit der Polizei in Konflikt, die ihn für einen Mittäter hält. Es scheint wieder einmal einer jener Tage zu sein, in die Jackie so gerne wie in einen Fettnapf tritt … Und das ist erst der Anfang.
Jackie Kottwitz ist keiner der üblichen harten Knochen, wie sie ein Humphrey Bogart auf der Kinoleinwand vorlebte. Er ist aber auch kein Jean Gabin, der einem Maigret sein unverwechselbares Äußeres verlieh. Jackie Kottwitz ist eine Spürnase mit Feingefühl, könnte aber hin und wieder von den Fähigkeiten seiner beruflichen Verwandten gebrauchen. Denn ungefährlich sind die Fälle, die Jackie Kottwitz zu untersuchen hat, nicht. Obwohl er den Eindruck vermittelt, als würde er eher der Untreue von Ehebrechern nachspüren. Banküberfälle, vermisste Personen (ihn selbst eingeschlossen), Morde und Ganoven jeglicher Couleur gehören zu seinem Geschäft.
Nie völlig überrascht, nie ganz fassungslos. Eigentlich sieht er aus, als sei er nicht für diesen Job gemacht. Jackie Kottwitz ist jugendlich schlank und mit seinen runden Brillengläsern im ovalen Gesicht fehlte eigentlich nur eine gezackte Narbe auf der Stirn, wären seine Haare nicht feuerrot. Der Blick ist unschuldig und bleibt es auch nach allen Erlebnissen, die ihn mit den Abgründen menschlicher Leidenschaften konfrontieren. Alain Dodier (Zeichner), der die Serie zusammen mit den Erzählern Pierre Makyo und Serge Le Tendre ins Leben rief, hat einerseits einen optischen Antihelden geschaffen, andererseits ist ihm mit dem jungen Detektiven von nebenan ein sehr zeitloser Charakter gelungen, an dem die Jahrzehnte spurlos vorüber gehen.
Obwohl die in diesem dritten Sammelband vorliegenden Alben, Leichte Beute, Das Geheimnis in den Dünen und Vermisst, allesamt in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts original erschienen, ist die Atmosphäre der Kriminalgeschichten eine andere. So gibt es in Leichte Beute Tendenzen zur Schwarzen Serie Hollywoods. Das Geheimnis in den Dünen könnte Freunden von Werken einer Daphne du Maurier gefallen. Und Vermisst ist durch die zentrale Rolle der Frauen, die sonst um Jackie Kottiwtz herum agieren, so modern, wie es gerade nur möglich ist.
Sind französische Gesichter interessanter? Keine ernst gemeinte Frage, allerdings haben gerade die Gesichter in den drei Kriminalgeschichten viel zu bieten und es wäre interessant zu erfahren, welchen reale Vorlagen zugrunde liegen. Die Darstellung der Familie in Das Geheimnis in den Dünen ist so differenziert, wie man es nur selten in Comics findet. Und das Ermittlertrio der drei sehr verschiedenen Damen in Vermisst könnte geradewegs nach einem guten Casting von der Kinoleinwand oder vom Fernsehschirm auf Papier gebannt worden sein können.
Jackie Kottwitz ist ein rundum sympathischer privater Ermittler, dessen gesamtes Umfeld so wunderbar ausgewogen und gelungen ist, wie man es sich eigentlich von jedweder Unterhaltung erwartet. Zeichner Alain Dodier gelingt hier ein wahres Kunststück und erreicht mit seinen Bildern eine genaue Balance zwischen Ernsthaftigkeit und teils heiterer kriminalistischer Tätigkeit. Sehr, sehr schön! 🙂
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Essen. Ein Land aus Nahrungsmitteln. Traumhaft. Ein Schlaraffenland. Für die kleine Nävis bringt dieser Traum aber noch etwas ganz anderes mit sich, nämlich Hunger. Also wird flugs aufgestanden, wie kleine Kinder nun einmal sind, und der Kühlschrank angesteuert. Doch der Angriff auf die gesammelten Leckereien inmitten des Aufbewahrungsmöbels gipfeln in einem Chaos, wie es, natürlich, auch nur kleine Kinder verursachen können, ohne rot zu werden. Leider gibt es noch ein Missgeschick, das dafür sorgt, dass Nävis diese Nacht nicht so schnell vergessen wird. Durch einen unglücklichen Aufprall hat sich ein Milchzahn gelockert. Nach kurzem Wackeln verabschiedet er sich endgültig.
Nun sind Zähne ein besonders wichtiges Gut des Menschen. Und sie sind kostbar. Denn nach altem Brauch gibt es für einen Milchzahn ein Geschenk. LATITZOURY ist ein Wesen, das für verloren gegangene Zähne immer eine Gabe übrig hat. Nävis freut sich schon. Prompt reift in ihr ein für Kinder furchtbarer Gedanke. Was wäre, wenn ihr das Geschenk gar nicht gefällt? Da macht man sich besser gleich auf den Weg und teilt Latitzoury mit, was man am liebsten hätte.
Lange bevor NÄVIS in SILLAGE als außergewöhnliches Wesen auftauchte und in zahlreiche Abenteuer verstrickt wurde, war sie ein Kind unter der Obhut eines liebenswerten Roboters und einer sprechenden Raubkatze. NÄVIS ist nicht die erste Comic-Figur, deren Jugendabenteuer zu Papier gebracht wurden. Die Aufregung, die hier gezeigt wird, ist humorvoller als zu ihren erwachsenen Zeit, aber nicht weniger spannend, denn Bedrohungen können sehr unterschiedliche Gesichter haben: LATITZOURY. Zu dritt haben sich Jean David Morvan, Jose Luis Munuera (auch als Zeichner hier tätig) und Philippe Buchet an die Erzählung der Handlung gesetzt. Es sind Erlebnisse, wie Kinder sie sich im Traum ausdenken könnten, nur, dass das berühmte Monster nicht im Schrank lebt, sondern weit entfernt und Zähne auf der Speisekarte stehen hat.
Jose Luis Munuera besitzt als Comic-Künstler viele Stärken. Eine davon ist sicherlich der Umgang mit Figuren, die sich gummiartig verbiegen können. Ein Vergleich zu Spielzeugfiguren, die ein Drahtgeflecht in ihrem Inneren haben, liegt nahe. Die Formgebung, die ihm durch diese Technik gelingt, besitzt eine große Dynamik, so dass Bewegungen auf sehr gelungene und cartoonige Weise Geschwindigkeiten simulieren.
Glänzende Hommage! Ob beabsichtigt oder nicht, mit dem Vogel Tori gelingt Jose Luis Munuera eine tolle Verbeugung vor Orville, dem berühmten Albatros aus den Tricklfilmen um das Mäuseduo Bernard und Bianca. Tori landet (ganz besondere Ähnlichkeit), startet und fliegt so halsbrecherisch wie sein entfernter Vetter aus dem Hause Disney. Gleichzeitig ist Tori eine jener Nebenfiguren, die den Geschichten um NÄVIS generell Volumen verleihen, für Überraschungen sorgen und noch mehr zu den Figuren gehören, denen man als Leser ganz einfach gerne zusieht. Und Munuera gelingen solche Figuren am laufenden Band.
Eine ungewöhnliche Zahnfee. Das Titelbild verrät das seltsame Wesen bereits namentlich und illustrativ. Als Monster dürfte es zu den merkwürdigsten Kreaturen in der Science-Fiction-Komödie gehören. Sein Speiseplan komplettiert diese Einschätzung. Groß, grün, auf dünnen Beinchen unterwegs, mag man an einen außerirdischen Bären denken, der anstelle von Honig eine andere Leibspeise besitzt. Außerdem dürfte LATITZOURY, will man diesen Namen auf das grüne Wesen anwenden, wohl die Kreatur sein, die optisch auch in einem Anime auftreten könnte. Auch die etwas träge, behäbige Verhaltensweise passt dazu.
Klein-NÄVIS macht auf ihre kindliche Art ebenso viel Spaß wie die erwachsene Variante. Bis auf ihre beiden Begleiter ziemlich auf sich gestellt, kann sie als einziger Mensch einen ganzen Planeten auf den Kopf stellen. Dank Jose Luis Munuera liegt hier ein hervorragender Comic für Kinder und Junggebliebene vor. 🙂
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Montag, 12. Januar 2015
Väter und Söhne. Selten war ein Verhältnis zwischen Vater und Sohn so von Zerreißproben bedroht, wie jenes des Roten Korsaren und seines Ziehsohnes Rick. Obwohl beide unterschiedliche Wege beschreiten, der eine Pirat bleiben, der andere ehrlich sein will, stehen sie in Zeiten der Gefahr zueinander, wie es enger kaum sein kann. Nach einer langen Karriere auf See hat der Rote Korsar nicht nur große Reichtümer angehäuft, seine Feinde sind ebenfalls kaum mehr zählbar. So lässt die nächste Falle nicht lange auf sich warten. Die Spanier, denen der Rote Korsar auf See ganz besonders zugesetzt hat, locken mit einem Gerücht. Angeblich befindet sich Rick in ihrer Gewalt. Der Rote Korsar lässt sich nicht lange bitten und macht sich zur Rettung seines Sohnes auf den Weg.
Das Ende des Schwarzen Falken. Das Schiff, der Schwarze Falke, ist in der Karibik beinahe ebenso bekannt wie das Aussehen des Roten Korsaren. Die Spanier, die eine eindrucksvolle Flotte aufgeboten haben, um des gefürchteten Piraten habhaft zu werden, werden von Jean-Michel Charlier zu recht sehr siegessicher gezeigt. Automatisch fragt man sich als Leser, wie die beiden Helden und ihre Freunde, wie Dreifuss und Baba, hier wieder mit heiler Haut davonkommen sollen. Erzähler Jean-Michel Charlier macht mit dieser Episode noch etwas anderes deutlich. So kann es für den Roten Korsaren auf Dauer nicht weitergehen. Denn viele Jäger sind des Hasen Tod.
Elektrisierend sind die drei in diesem Sammelband vorliegenden Abenteuer, denn der Rote Korsar und sein Sohn Rick müssen wirklich alle Register ziehen, um die Gefahren letztlich zu meistern. Aus damaliger Sicht hätte ein Leser durchaus denken können, Jean-Michel Charlier und Victor Hubinon planten das Ende dieses meisterlichen Piraten, der zwar ein Halsabschneider ist, aber auf seine Art auch konsequent daher kommt. So heißt denn die zweite Episode folgerichtig: Auf Leben und Tod.
Nach den spektakulären Ereignissen des ersten Abenteuers schlagen Charlier und Hubinon eine neue Richtung ein. Die europäischen Seemächte haben die Jagd auf den Roten Korsaren noch nicht aufgegeben. Auf seinem ureigenen Gebiet, seinem Versteck, versuchen sie ihn auszuheben, aber das Versteck hat es in sich. Wie in den großen frankobelgischen Comic-Serien üblich konzentrieren sich die Charlier und Hubinon auf die Figuren und verknüpfen das Umfeld geschickt, unaufdringlich zu einer grandiosen Kulisse, die perfekt recherchiert und wiedergegeben wird. Hierzu gehören das Uniformspektakel der englischen Truppen, Quereleien und den Piraten selbst, ein weiterer hervorragender Aufmarsch von Segelschiffen sowie ein Ereignis, das es in dieser Serie auch noch nicht zu bestaunen gab.
Piraten: ein buntes Allerlei. Und nicht nur das. Der Rote Korsar hat einen Widersacher im Schwarzen Piraten, dem es aber über den Farbtupfer gestreifter Unterwäsche hinaus eindeutig an Format fehlt. Abseits der Demütigung durch Rick, der dieses Detail mittels eines geschickten Messerschnitts zutage fördert, fallen ein paar Nebencharaktere auf, bei den sich Hubinon besondere Mühe gegeben hat. Auffallend ist der englische Commodore, eine adelig verschrobene Witzfigur mit Hang zum Alkohol, der an der Spitze seiner Truppen mehr Unheil stiftet, als wirklich taktisches Geschick an den Tag zu legen.
Der Piratenschatz lautet der Titel der dritten Episode, die auf gelungene Weise einen feinen Reigen abschließt, denn durchaus kann der Inhalt der gesamten vierten Gesamtausgabe als eine durchgehende Handlung begriffen werden. Jean-Michel Charlier flechtet neben einem harten Überlebenskampf eine Begegnung mit Indianern (Seminolen) ein, die so gut gelungen ist, dass ihr ruhig mehr Raum eingeräumt hätte werden können. Der Auftritt der Ureinwohner lässt die Atmosphäre in der dritten Episode viel exotischer, ungewöhnlicher und geheimnisvoller als zuvor werden.
Einer der besten Handlungsbögen des Roten Korsaren in der vierten Gesamtausgabe: Jean-Michel Charlier erzählt hier mit höchster technischer Perfektion ein über drei Alben reichendes Abenteuer. Vorbildlich nicht nur für Piratengeschichten. Ein grandioser Hubinon macht aus diesem großen Abenteuer ein zeitloses Vergnügen. 🙂
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Dienstag, 06. Januar 2015
Machtverschiebungen. Wer die Gefolgschaft vieler hinter sich weiß, der kann sich im Gerangel um die Macht behaupten. Die verschiedenen Kontrahenten sind einfallsreich und suchen sich ihre Krieger, wo sie diese finden können. Falls nötig, sogar auf einem düsteren Friedhof. Allianzen. Maldoror, Fürst der Unterwelt, kommt nicht umhin, ein ungeliebtes Bündnis zu schließen und dazu eine Frau an seine Seite zu holen, die nichts lieber tun würde, als ihn zu überlisten. Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Miranda, eine auf ihrem Gebiet vortreffliche Hexe, fordert als Preis eine Liebesnacht und Maldoror gewährt sie ihr. Dagegen wäre nichts einzuwenden, gäbe es nicht Blanche, Thronerbin und Rebellin, die nicht bereit ist, eine derartige Belohnungszeremonie zuzulassen.
Armer kleiner Horibili! Du bist ein ganz einsames Herz. Ja, der kleine Horibili! Er ist nicht nur einsam und könnte optisch ein entfernter Verwandter von Majestix sein, er ist außerdem ein findiger Kerl. Leider ist er von kleiner Gestalt und neben den ranken und schlanken Hauptfiguren eher unscheinbar zu nennen. Hinzu kommt, dass er in Miranda unsterblich verliebt ist und sogar eine Erniedrigung durch sie hinnehmen würde, fände er nur Beachtung auf irgendeine Art. Es sind solche Randfiguren, die auch den dritten Teil von ZAUBER zu etwas Besonderem machen. Jean Dufaux gibt den einzelnen Bänden keine Untertitel, was in der Fülle der Erscheinungen schon auffällig ist.
Auffälliger noch ist die sehr genaue Charakterisierung der Figuren, die sich wunderbar nachvollziehbar entwickeln, so dass sogar ein gewisses Mitleid mit einer Hexe wie Miranda entsteht. Maldoror, ehemals so rücksichtslos, eben wie es sich für einen Herrn der Unterwelt gebührt, ist zusehends seiner Blanche verfallen, die ihm den kleinen Fehltritt verzeiht, war er doch bloß ein Mittel zum Zweck. Genauso wie Raz Gul, der Anführer eines Heeres von Untoten, der sich unter den Befehl von Blanche begibt, alles nur, um eine Heimat für sich und seine Leute zu finden. Manches kommt einem bei der Lektüre bekannt vor, dient aber am Ende nur dazu, um durch den Erzähler Jean Dufaux genüsslich wieder gekippt und in neue Bahnen gebracht zu werden.
Nun, mein Neffe, beruhigt Euch! Wie viele Köpfe wollt Ihr denn noch? Neben der geschmeidigen Bösartigkeit eines Ombrage, die eines schauspielerischen Auftritts von Ian Mc Dermid würdig wäre und von Jose Luis Munuera grafisch an den herausragenden Darsteller angelehnt ist, ist es die filmische Inszenierung, die auch Band 3 von ZAUBER zu einem neuerlichen Augenschmaus macht. Ob es die mittelalterlichen Straßen sind, die das Auge auf einen Spaziergang mitten hinein ziehen, die Perspektiven, die den Betrachter zwischen die Akteure stellt oder Massenszenen, die eine Kreuzung aus cineastischen Erfahrungen wie Taran, Braveheart oder Robin Hood bilden. Stets gelingt Munuera ein sauberer Schnitt zwischen Vordergrund und Kulisse, wie in alten grafischen Techniken, vorgedruckt und nachgezeichnet, immer auf der Suche nach dem besten Effekt für das jeweilige Bild. Das ist feinste Comic-Kunst.
Goldenes Land, dunkelgrünblaue Finsternis. Kolorist Sedyas hat einen großen Anteil an der tollen Durchschlagskraft der Bilder. Das Konzept, nicht mit den Farben, sondern mit dem Licht zu leuchten, wird hervorragend über die gesamte Länge des Bandes (auch der Reihe) gehalten. Das Titelbild gibt einen kleinen Eindruck dieser Technik, auch der sich daraus ergebenden farblichen Pracht, die einerseits die Optik eines Trickfilms imitiert, andererseits die gemäldeartigen Effekte alter Ritterfilme heraufbeschwört.
Packendes Fantasy-Kino zwischen zwei Albendeckeln. Hier haben sich drei Comic-Künstler, Autor, Zeichner und Kolorist, gesucht und gefunden. Ein perfektes Team liefert mit dem dritten Band der Reihe ZAUBER ein echtes Meisterwerk mit dunklem Humor, tollen Bildern und spannender Erzählung. Märchenhaft packend! 🙂
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