Maria und Joseph führen ein bescheidenes Leben. Sie ergänzen sich perfekt. Er arbeitet in der Schreinerei, sie führt die Bücher. Bis eines Tages ein Engel erscheint und die frohe Botschaft verkündet. Maria ist schwanger, aber Joseph ist nicht der Vater. Das kommt selbst für den guten Mann überraschend, der sich schlussendlich belehren lassen muss, dass Gottes Sohn in Maria heranwächst und Joseph seine Maria ganz schnell heiraten soll. Gesagt getan. Und wieder scheint alles perfekt zu sein. Wäre da nicht diese Volkszählung, für die sich die beiden auf den Weg machen müssen, obwohl Maria inzwischen hochschwanger ist.
Die Schafshirten befinden sich gerade in einer kleinen Auseinandersetzung, wer denn auf die Schafe aufpassen soll, als sich der Engel, der Gesandte Gottes meldet und auf seine unnachahmlich Weise Gehör verschafft. Zuvor hatte er derart schon Maria die frohe Botschaft überbracht. So recht verstanden haben es die Hirten nicht, machen sich jedoch auf den Weg, um das Baby mit dem Heiligenschein zu finden. Soll eben der Hund solange auf die Schafe aufpassen.
Die Weihnachtsgeschichte ohne Worte. Aber mit einer gehörigen Portion Humor erzählt. Frank Flöthmann, der mit dieser Erzählweise seinen ganz eigenen Stil gefunden hat, bringt durch diese Interpretation der Erzählung über das Elternpaar des Christkindes eine Version, die vielleicht auch jenen einprägsam ist, die in Zeiten von Smileys und Hashtags mal eben auf die Schnelle wissen wollen, was an Weihnachten so Sache ist. Was zuallererst auffällt: Wortlosigkeit braucht Platz. Zwei Bilder, ein Bild auf einer Seite oder sogar ein Bild auf einer Doppelseite. Die Figuren treten als Icon-Männchen auf, sehr reduziert also. Ihre Zeichensprache, wortlos, bildhaft und verständlich, benötigt Raum, denn gerieten sie zu klein, ginge vielleicht die Schnelligkeit der Botschaftserfassung verloren. Und es ist erstaunlich, wie gut diese gelingt.
Zwar kann ein wenig Grundkenntnis über die STILLE NACHT nicht schaden, wenn allerdings Joseph Maria prallen Bauch befühlt und (in Symbolsprache) von einem Boxer spricht, ist wie an jeder anderen Stelle der Erzählung unzweifelhaft, was gemeint ist. Nur allzu wenige Variationen und Grundformen sind notwendig, damit nicht nur Figuren entstehen, sondern auch noch durch den Blick auf das Geschehen komplettiert werden. Da findet sich natürlich der Smiley grundsätzlich überall. Da wird mit den Mitteln des Piktogramms gearbeitet, wie es dem modernen Menschen überall heutzutage begegnen kann. Da findet sich aber auch eine gewisse Anarchie und Verniedlichung, wie sie der Leser vielleicht aus Kultserien wie South Park her kennt. Frank Flöthmanns Reduzierung ist freilich noch viel radikaler.
STILLE NACHT ist nicht Flöthmanns erstes Werk. Der comic-begeisterte Grafiker erzählt auf seine Art bereits Grimms Märchen ohne Worte. In Männer ohne Worte nimmt er das ohnehin wortkargere Geschlecht und seine Schwächen auf die Schippe. Da Maria in der stillen Nacht die einzige Frau ist (sieht man von einer hilfsbereiten Herbergsmutter ab), dürfen sich auch hier die Männer insgesamt warm anziehen. Die Krone der Schöpfung, symbolisiert durch Joseph, die Hirten und die heiligen drei Könige, sind etwas tollpatschig, verspielt, allerdings sehr gut durch himmlische Mächte zu inspirieren. Die drei Hirten erinnern in ihrem Auftreten ein wenig an die drei Stooges, lösen ihre Querelen aber gewaltfrei. Und modern wie die heiligen drei Könige sind, holen sie ihre Geschenke für ein Kind natürlich im Spielzeugladen. Das Schmunzeln wächst beim Betrachten der Bilder von Seite zu Seite. Mit dem Aha-Effekt (ich hab’s ohne Worte verstanden!) kommt das Lachen.
Joseph wird ungewollt Vater und sucht den Notausgang. Ein Engel hält ihn auf. Zur rechten Zeit, denn ansonsten wäre die Geschichte allzu früh vorbei und der Spaß zu kurz. Frank Flöthmann hat einen schönen Weg gefunden, die Geschichte zur STILLEN NACHT neu zu erzählen. Zeitlos lustig mit zeitloser Botschaft! 🙂
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