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Comic Blog


Sonntag, 24. August 2014

Sechs aus 49 – Band 2 – Camille

Filed under: Biographie — Michael um 19:40

Sechs aus 49 - Band 2 - CamilleDer Umstand, keine Wahl zu haben, zwingt einen Menschen zum Handeln. Die Wahl zu haben, so scheint es, macht orientierungslos und bringt manches Gemüt dazu, mit dem eigenen Schicksal zu hadern, aus der Spur zu geraten. Der Autor Thomas Cadene lässt seine ursprüngliche Kernfigur Mathilde, die in die glückliche Lage versetzt wurde, die Hälfte eines Multimillionengewinns zu erhalten, immer weiter aus ihrem ursprünglichen Leben abdriften.

Was wichtig war, ist zur Gänze in Frage gestellt. Was bleibt: nichts. So scheint es. Mathilde scheut es, mit ihrem Gewinn ein Ziel zu finden. Selbst ein Urlaub scheint nicht planbar. Ein Mann ist nur zum Sex gut. Dem anderen Mann, derjenige, den das Herz begehrt, will sie nicht über den Weg trauen. Langsam erwachen die inneren Dämonen hinter den geistigen Mauern zu Leben und beginnen mit ihren Einflüsterungen, wer und was gut für sie ist, nämlich nichts und niemand. Mathilde zieht sich immer weiter zurück.

Thomas Cadene lässt seine Mathilde nicht im Stich, versetzt sie aber zusehends an den Rand, denn im Kielwasser der Ereignisse um den Millionengewinn sind noch andere Situationen und Konstellationen entstanden, abseits von Gedanken ans liebe Geld. Eine der einprägsamsten, auch ausdrucksstärksten ist die Geschichte um Hippolyt und Faustine. Hier wird Müßiggang und Ziellosigkeit groß geschrieben. Der Lebensinhalt besteht in der Verdammung der anderen, gerne auch der eigenen Familie. Faustine ist langsam genervt vom Verhalten ihres Mannes. Ein einschneidendes Erlebnis (nennen wir es so, ohne zu viel verraten zu wollen) zwingt zur Verhaltensänderung und zum Umdenken.

Auch andere Charaktere erhalten einen derartigen Anstoß in ihrem Leben, weniger drastisch und dramatisch. Manchmal ist es nur ein kleiner Schubs, beim nächsten ein gemeiner Rempler. Wie sich das Leben, genauer das Zusammenleben von Mathildes Eltern verändert, ist anfangs nur ein schleichender Prozess gewesen, der nun deutlich an Fahrt gewinnt. Irene, die Mutter, ist in diesem Prozess diejenige, die sich vom Rest der Familie abnabelt, mit deutlichen Worten sogar. Und, aus Sicht des Lesers, aus mehr als einem verständlichem Grund. Es gibt also auch Sympathien zu verteilen.

Auch im zweiten Band hat sich eine Vielzahl von Zeichnern zusammengefunden, um das umfangreiche Projekt von Thomas Cadene zu unterstützen. Diesmal sind es sage und schreibe 18 Künstler. In der Bandbreite von Minimalismus über Skizze, verschiedenen Techniken mit Aquarell und Tusche, Buntstiftarbeiten und Graustufenabbildungen und anderen experimentierfreudigen Grafiken ragen ein paar Comic-Künstler heraus. Es sind jene, die dem eigentlichen Szenario, der Geschichte wie auch dem gesprochenen Text durch die bloße Inszenierung weitere Informationen mit scheinbar leichter Hand hinzufügen.

Philippe Scoffoni ist ein solcher Zeichner. Von ihm stammt auch das Titelbild des vorliegenden Bandes. Seine Episode birgt zwei Schlüsselszenen, besondere Begegnungen, mal heimlich, mal offen und direkt. Scoffoni gelingt es auf sehr intuitive Weise, die Gefühle seiner Figuren einzufangen. So wirkt es jedenfalls. Wie viel Arbeit und auch Testen nötig ist, wie lang der Weg zu diesem Ergebnis ist, lässt sich schlecht sagen. Eindringlicher gerät die Episode, die Manu-xyz gestaltet, reduzierter, mehr auf Karikatur hin ausgerichtet als bei Scoffoni, verspielter in den Graustufen. Ihre Bilder stützen die Tragik der Situation, die für den Leser nicht vorhersehbar war und einer Handlungslinie eine völlig neue Richtung geben.

Vincent Sorels Buntstiftbilder sind einfach knuffig zu nennen und es ist durchaus mutig von Thomas Cadene derart muntere, strahlende Grafiken den zuweilen düster anzuschauenden Passagen von Künstlerkollegen einander gegenüberzustellen. Tanxx zum Beispiel tuscht in harten Strichen und macht aus den Akteuren so etwas wie Verdächtige. Bandini taucht mit weichen Aquarellfarben alles in ein helles Licht, in eine dauerhafte Morgendämmerung. Die Bilder strahlen gleich viel mehr Hoffnung aus. Jemand wie The Black Frog meißelt die Szenen in harten Kontrasten auf das Papier, leuchtend zwar, aber streng konstruiert.

Es wird trauriger, noch ernsthafter. Thomas Cadene beschert seinen Figuren einige Schicksalsschläge unterschiedlicher Härte, von jedem anders getragen. Die Interpretationen der Comic-Künstler halten das Projekt frisch und optisch spannend. 🙂

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