Die Menschheit ist vergangen. Niemand kann diese Flut überlebt haben. Die Wasser bedecken die Erde bis zum Horizont und darüber hinaus, Tag um Tag. Als der Regen endet, wächst die Hoffnung. Doch Noah, dem eine Neuigkeit zuteil wurde, versinkt in bitteren Grimm, denn sein Weg ist noch nicht bis zum Ende beschritten. Der steinigste Pfad lieg noch vor ihm. Kann der Gott, der ihm auftrug, eine Arche zu bauen, gewollt haben, aus der Familie Noahs ein neues Menschengeschlecht hervorzubringen? Ein besseres? Oder liegt nicht auch in ihnen der Keim für all die Vernichtung, die mit jener vergangenen und durch den Herrn ausgerotteten Menschenart einher ging?
Noah denkt logisch und Logik steht hier dem Gefühl, noch schlimmer, der Vernunft entgegen. Warum sollten sie nun am Leben bleiben, wenn es bei der Flut um einen Neuanfang ging? Einzig steht ihnen ein normaler Tod, ein simples Aussterben zu. Vor diesen Gedanken ist die Schwangerschaft seiner Schwiegertochter ein Widerstand gegen Gott. Nach all den Vorbereitungen zum Untergang, nach dem verzweifelten Kampf der Menschen um Rettung auf der Arche, der Hilfe durch die gefallenen und wieder aufgefahrenen Engel, der eigentlichen Flut, einer letzten Auseinandersetzung auf der Arche selbst, könnte nun alles gut werden. Aber weit gefehlt. Das Drama holt zum letzten Schlag aus. Und Noah kann eben nicht mehr genau vorhersagen, was sein Schöpfer von ihm verlangt.
Niko Henrichon darf sich in der vierten und abschließenden Episode zur Saga über NOAH ganz auf den interfamiliären Konflikt konzentrieren, aber auch hier gibt es wieder Abweichungen zur Verfilmung, die von den beiden Autoren Darren Aronofsky (Black Swan) und Ari Handel gleichermaßen geschrieben wurde. Warum es in der vierten Folge zu dieser Abweichung kommt, lässt sich nicht sagen, denn die Tricktechnik, das beweist der Film, hätte es möglich gemacht. Allzu viel soll zu dieser größten Abweichung auch nicht gesagt werden, um die Spannung nicht zu schmälern, auf jeden Fall ist es eine Interpretation der biblischen Geschehnisse, die nachdenkenswert ist. Einen Hinweis, so viel sei gesagt, gibt das großartige Titelbild, auf dem NOAH selbst inmitten all der Kreaturen der Erde von einst steht.
Nach der höchst dichten Dramatik bis zu diesem Punkt, da Noah alleine gegen seine Familie steht, ist die folgende Sequenz nur folgerichtig und reißt das Szenario auch aus der Kammerspieltheatralik heraus, wo der Konflikt aus Noahs Schlussfolgerung heraus nur ins Verderben führen kann. Mit jener Szene, die wieder Breitwandpotential aufweist, scheint dieser Punkt auch erreicht. Wie es allen Comic-Beteiligten noch gelingt, auf diese Spitze noch einen draufzusetzen, ist glänzend erzählt und besitzt auch abseits der Kinoleinwand die Kraft, den Leser einmal (oder mehrmals) durchatmen und schlucken zu lassen.
Im sehr inspirierten Strich von Niko Henrichon findet sich jede Phase der einzelnen Charaktere schön gespiegelt. Die Schockstarre, die Panik, Erkenntnisse, Noahs innerer Kampf gegen seine widerstreitenden Gefühle, zwischen der Liebe seiner Familie gegenüber und der Pflicht und dem Gehorsam, die er seinem Gott zu schulden glaubt.
Ein toller vierter Akt innerhalb eines großartigen Vierteilers, der alles hat, was eine fantastische Geschichte (lässt man den biblischen Aspekt beiseite) über Menschen in einer schicksalshaften Zeit braucht. Das ist insgesamt mit der nötigen Geduld und Zeit erzählt und von einem spitz zulaufenden Ende gekrönt. Niko Henrichon empfiehlt sich mit diesem Projekte für noch viele weitere, mit starkem Strich hat er einen sehr individuellen Stil herausgearbeitet. Sehr gut. 🙂
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