Lebensmüde? Aber dann bitte nicht in diesem Vergnügungspark! Hier soll der Schrecken Spaß machen, aber doch nicht echt sein! Also, wer sich das Leben nehmen will, sollte draußen bleiben. Das Mädchen auf dem Riesenrad, mutterseelenallein in der Gondel an ihrem höchsten Punkt, ist lebensmüde genug, um diese insgeheimen Vorschriften nicht zu beachten. Wie gut, dass Gretchen ein Auge auf sie hat und so wird der Lebensmüden in der letzten Sekunde geholfen, damit sie, so wenig ihr das auch gefällt, am Leben bleibt. Vorläufig. Denn auch Regeln können sich ändern und eine neue Geschäftsleitung hat andere Ansichten über die Bedeutung von Schrecken im Zusammenhang mit Spaß.
Neue Besen kehren gut? Bohemond Jaggar De Rochambeau, der Vampir, der dem bisherigen Geschäftsführer Francis van Bloodt vor die nase gesetzt wird, hat seine ganz eigenen Auffassungen von der Führung eines Vergnügungsparks, der sich die Themen Horror und Grusel auf die Fahne geschrieben hat. Ein solcher Park könnte (und als Leser wunderte man sich fast, warum das bisher noch nicht so gewesen ist) auch eine ideale Futterquelle sein. Vorsichtig angezapft hält sie nicht unbedingt ewig, also eine Lebensdauer, die jeder Mitarbeiter von Zombillennium besitzt, aber mindestens so lange, wie die modische Strömung und die Gier nach Horrorunterhaltung es erlaubt.
Im dritten Band von Zombillennium verlässt Arthur De Pins die vergleichsweise harmlosen Parkregeln. Menschen sollten Spaß am Besuch haben, soll heißen, nach dem Gruseln sollen sie lebendig (und mit heiler Haut) wieder nach Hause fahren können. Der Wechsel in der Geschäftspolitik führt zu größerem Nervenkitzel beim Leser und einer keimenden Revolte innerhalb der Mitarbeiterriege, die sich gewaschen hat. Die neue Figur (siehe Titelbild) ist in vielerlei Hinsicht ein Blutsauger. Einerseits ist sie ein klassischer Vampir, andererseits erfüllt sie die Klischees eines ebenso klassischen und durchtriebenen Geschäftsmanns, der für das Erreichen seiner Ziele über Leichen geht.
Arthur De Pins vermischt Komödie und Satire miteinander und schafft über eine Optik, die ein deutliches Erkennungszeichen geworden ist, ein kunterbuntes Kaleidoskop an Horrorfiguren von klassisch bis modern. Inmitten des Humors, der seine Figuren, wie es sich auch in der Komödie gehört, ernst nimmt, wirkt ein Spaß, den zum Beispiel ein Mel Brooks aus dem FF beherrscht. Häufig etwas aufgeregt, am Rande der Hysterie, kurz vor dem Nervenzusammenbruch, dann wieder auf der Pirsch zu nächsten, richtig krachenden Höhepunkt.
Die randlosen Figuren und Hintergrundkulissen imitieren einen dreidimensionalen Effekt, der umso stärker ins Auge fällt, da die Farben vielfältig, aber auch abgesoftet eingesetzt werden. Die Verschleierung und Unschärfe fernster Hintergründe, in der dritten Ebene sozusagen, sorgen für die Tiefe der Bilder. Die Zeichentrickoptik, wie sie der Leser von modernen Filmen her kennen mag, unterstreicht die Mixtur der Charaktere, angesiedelt zwischen Karikatur und Knuffigkeit. Gebündelt finden sich diese Ansichten in der Figur eines jungen Mannes, der sich (zu recht) um seine Freundin große Sorgen macht. Wer genau hinschaut, wird hier Sylvester Stallone entdecken, wie er bärtig in Nachtfalken aussah. Arthur De Pins geht nicht gerade sanft mit Stallone um.
Liebe in Zeiten der Gefahr. Wenn um Liebende herum alles zusammenbricht, der Leser sehen darf, wie es in einer Monsterkantine zu sich geht, eine Mumie auf Travolta macht und aus gefährlichen Vampiren putzige Fledermäuse werden, dann kann es sein, dass, im ersten Fall, die Liebenden noch enger zusammenhalten als zuvor. Für das äußerlich sehr gegensätzliche Pärchen aus Hexe und rotem geflügeltem Dämon brechen kuriose Zeiten an, in denen sie die Machenschaften ihres neuen Chefs zu unterwandern suchen. Es sind solche Ideen und zig andere, die Arthur De Pins zur fortlaufenden Belustigung aus dem Ärmel zaubert. Gleichzeitig werden die Charaktere vielseitiger und emotional tiefer beschrieben. Einige können einem echt ans Herz wachsen, weshalb ein paar Verluste für den Leser sehr bedauerlich, aber dramaturgisch äußerst geschickt sind und an die Dramaschraube bis zum Anschlag drehen.
Weiterhin innovativ erzählt, wunderbar illustriert, humorvoll in Konzept, Text und Bild: Zombillennium hat Vorbildfunktion in jeder Hinsicht. Erste Klasse! 🙂
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