Wo ist Peter Parker? Eine Frage, auf die unterschiedliche Menschen sehr unterschiedliche Antworten geben würden. Peter Parker befindet sich als Geist in eine Lage gebracht, in der er nicht ins Geschehen eingreifen kann. Aber Peter Parker ist nicht tot. Wer ist dann jener Parker, der als Spider-Man durch New York schwingt? Wer ist jener Parker, der sich, dank modernster Technik, die ihm vieles abnimmt, sogar Zeit für ein Privatleben gönnt? Es hat ein Körpertausch stattgefunden, einer, der dem alten Parker nicht schmecken will, der dem neuen Parker aber immer mehr Spaß bereitet. Denn der Steuermann in Peter Parkers Körper ist niemand anderes als Dr. Octopus und der hat sich dazu entschlossen, der beste Spider-Man aller Zeiten zu werden.
Dan Slott schickt im neuen MARVEL-NOW!-Handlungsstrang einen Spider-Man auf das Parkett, wie ihn das Marvel-Universum noch nicht gesehen hat. Und das Marvel-Universum hat viele Spider-Men gesehen! Neuer Insasse: Mit der in diesem Universum nicht unwahrscheinlichen Möglichkeit den Körper zu tauschen, sieht sich nun auch Peter Parker konfrontiert. Hatte schon Reed Richards das Pech mit seinem Erzfeind Dr. Doom die Körper zu tauschen und erwachte in letzterem auch ein gewisser Ehrgeiz, besser zu sein las das Original, wandelt sich auch Dr. Octopus in dieser Hinsicht. Hatte Peter Parker in der jüngeren Vergangenheit schon die Fertigkeiten seines zivilen Ichs genutzt, um Gutes zu tun, geht der Doc noch einen (gewaltigen) Schritt weiter.
Die ersten fünf Ausgaben der neuen Spider-Man-Reihe sind in dieser Sammelausgabe vereint: Im Körper des Feindes. Den Auftaktzeichner mit den ersten drei Geschichten macht Ryan Stegman, der einen lockeren wie kernigen Zeichenstil im Sinne von Kollegen wie Joe Madureira, J. Scott Campbell oder Humberto Ramos pflegt. Übersetzt könnte man von einem gewissen überdrehten Realismus sprechen. In der Rasanz kann er sich mit Greg Capullo (Spawn, Batman) vergleichen, allerdings bleibt die Seiteninszenierung luftig genug, ist nicht gedrängt, so dass eine gute Lesegeschwindigkeit im ersten Rutsch bleibt. Im zweiten Rutsch sollte den Bildern unbedingt ein genaues Augenmerk gegönnt werden.
Ryan Stegman schaffte den Sprung vom Titelbildzeichner zum Serienillustrator. Ebenso wie Giuseppe Camuncoli war er bei mehreren Marvel-Helden (und Bösewichtern) im Einsatz. Camuncoli illustriert die hier eingebundenen Geschichte Nummer 4 und 5. Er reiht sich gut ein, ist stilistisch mangaesker, nicht ganz ein Pat Lee, sondern auch mit Spuren eines John Cassaday, beides Marvel-Veteranen. Mit der Ablösung von Stegman durch Camuncoli wird auch die Handlung härter, im Stile moderner Thriller. Der Gegner ist ein durchgeknallter Psychopath, wie er sich auch in Saw oder an der Seite von Hannibal Lecter wohl fühlen würde.
Massacre ist nicht nur eine Figur, die das Fürchten lehrt, Dan Slott hat sich im Rahmen einer sehr medial ausgerichteten Kultur auch etwas ganz besonderes einfallen lassen. Warum sollte ein Massenmörder nicht auch Werbung machen? Das ist in jeder Hinsicht ein grauenvolles Konzept und gehört zu den spannendsten wie auch satirischsten Spider-Man-Folgen seit langem. Dr. Octopus im Körper seines Feindes schlägt sich entsprechend überragend und hat spätestens jetzt einen großen Teil seiner neuen Rolle mit Bravour angenommen, setzt aber auch deutlich eigene Akzente.
Ein Spider-Man-Kracher: sicherlich gewöhnungsbedürftig durch den Körpertausch, andererseits nutzt Dan Slott die sich hieraus ergebenen Möglichkeiten weidlich aus. Fein gezeichnet und koloriert. Bestens! 🙂
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