Eine Leichenhalle. Eine Einäscherung gerät außer Kontrolle, als der Leichnam in der Verbrennungskammer zum Leben erwacht, ein kleines Mädchen plötzlich von den Toten aufersteht und nach seiner Mutter verlangt. Überall im kleinen Städtchen Wausau im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin melden sich bereits Verstorbene ins Leben zurück. Der Überraschung folgt die Freude, dann ein Stirnrunzeln, ein Rätselraten, landesweit mit darauffolgender Quarantäne des gesamten Bundesstaates. Tote, die ins Leben zurückkehren, können ansteckend sein. Oder zur religiösen Pilgerei einladen. Während die Bundesbehörden sich die Haare raufen, sind die Probleme in der Kleinstadt Wausau längst viel handfester.
Manchmal kommen sie wieder! Wer die Reihe Hack / Slash von Tim Seeley auch nur zeitweilig verfolgt hat, wird sehr schnell erkannt haben, wie gut der Autor sein Genre kennt. Zahlreiche Anspielungen, Verweise, sogar Auftritte von Originalhorrorfiguren (Chucky) haben einen Eindruck vermittelt, wie sehr Tim Seeley im Thema verwurzelt ist. Wer nun REVIVAL zum ersten Mal aufschlägt und zu den Lesern gehört, die ihren Stephen King öfters mal aufgeschlagen haben, wird in der Konzeption auch Parallelen zum Meister des Horrors entdecken.
Eine nordamerikanische Kleinstadt wird zum Schauplatz eines Ereignisses, das die ganze Welt interessiert. So betrachtet ist es nicht verkehrt, REVIVAL eine Art Mischung zwischen Under The Dome und Friedhof der Kuscheltiere zu nennen. Den eingangs zitierten Titel einer Kingschen Kurzgeschichte nicht zu vergessen. Aber Tim Seeley wäre nicht der Autor, zu dem er sich in der Vergangenheit gesteigert hat, würde er nicht mittels eigener wie auch ungewöhnlicher Ideen neue Akzente setzen. Die Toten kehren zurück, sie wissen, dass sie tot waren und beileibe nicht jeder kommt optimal zurecht mit diesem Zustand.
Hier beginnt das großartige Spiel von TimSeeley, einerseits mit den sich bietenden Möglichkeiten, die von den Charakteren erkannt werden, andererseits mit der Qual jener Personen, die sich trotz allem nichts sehnlicher wünschen, als dieser Welt den Rücken zu kehren und endlich an der Seite des Herrn in seinem Himmelreich zu sitzen. Dank Zeichner Mike Norton sind beide Richtungen grafisch ebenso gut abgedeckt wie das Kleinstadtgeflecht, das die Geschichte Zug um Zug aufdeckt. Gleichzeitig loten Seeley und Norton auch die Bedürfnisse moderner Menschen aus, indem sie einen selbst ernannten Teufelsaustreiber auf die Pirsch schicken und zeigen, wie im Jahre X nach Der Exorzist mit Besessenen umgegangen wird.
Optisch stehen die leisen Momente gegen die rasant dramatischen Anteile. Beide geht mit Mike Norton mit der selben sauberen, experimentfreien Technik an, ähnlich wie es auch Seeley selbst macht, wenn er zeichnet. Der Realismus stützt den Horror sehr gut, auch mal drastisch, wenn die Oma auf dem Seziertisch zum zweiten Mal von den Toten zurückkehrt oder ein besonderer Körpereinsatz schließlich zum Ziel führt. Zum Thema Tod darf der Leser auch Geister erwarten, die ihn in ihrer Schlichtheit optisch bestimmt überraschen und wie ein Fremdkörper neben den klaren Linien wirken. Hier wird das Rätsel um ihre Existenz durch die Äußerlichkeit verstärkt und auch bislang nicht gelöst.
Ein schöner dichter Auftakt, in dem Tim Seeley weiblichen Hauptfiguren einmal mehr den Vortritt lässt. Gegensätzlich positioniert raufen sie sich in einer amerikanischen Kleinstadt zusammen, weil große und kleine Rätsel sie dazu zwingen. Für eine weiterhin spannende Fortsetzung ist mit dem Ende Tür und Tor geöffnet und es wird bestimmt interessant, wie Seeley den mythischen Aspekt der Handlung verfolgen wird. Gut schaut es, auch eben dank des künstlerischen Duos Mike Norton und Mark Englert, bisher aus. 🙂
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Link: timseeleyart.blogspot.de (Blog von Tim Seeley)