Die Stadt ist leergefegt. Mit diesem Szenario hatte das Team um Bruno Brazil nicht gerechnet. Langsam tasten sie sich an die Lösung des Rätsels heran. Plötzlich werden sie entdeckt und stecken bis zum Hals in Schwierigkeiten. Dabei hatte alles mit einer gepflegten Angelpartie begonnen. Irgendetwas muss man ja tun, wenn der Chef zu spät zum Treffen erscheint. Die eigentliche Aufgabe, eine Inspektion eines Bunkers, in der eine höchst geheime Verteidigungszentrale untergebracht ist, ist ungewöhnlich, erweist sich jedoch schnell als Routine. Bis dieses seltsame Gefühl in den Ohren einsetzt und alle schmerzhaft in die Knie zwingt.
Ein Geheimagent ohne Majestät, aber nicht weniger effektiv. Michael Greg und William Vance brachten 1967 den neuen Agenten BRUNO BRAZIL in die Comic-Szene ein. Kurz darauf konnte er bereits mit einer albenlangen Geschichte seine Geburt untermauern und den Riecher der beiden Comic-Künstler stärken. Mit Der Hai, der zweimal starb schickten die beiden ihren BRUNO BRAZIL auf die Jagd nach einem versteckten Nazischatz, einem Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs. Die Parallelen zu einem James-Bond-Abenteuer sind offensichtlich. Aufgrund der Spannung, einem eigenständigen Flair ist diese Ähnlichkeit allerdings egal. Hinzu kommt, dass die Comic-Reihe wegen ihres Zeitkolorits aus heutiger Sicht eine feine Rückschau, auch damaliger Unterhaltungsinteressen erlaubt.
Damalige Unterhaltungsinteressen? Betrachtet man die hier in der ersten Gesamtausgabe vier abgedruckten Alben, Der Hai, der zweimla starb, Kommando Kaiman, Die teuflischen Augen und Die versteinerte Stadt wird schnell deutlich, wie wenig sich an den Unterhaltungskonzepten geändert hat. Bereits mit Kommando Kaiman rückt BRUNO BRAZIL weg von Bond hin zu Mission Impossible. Aus einer One-Man-Show wird ein Team.
Um im Vergleich mit Mission Impossible zu bleiben: das Kommando Kaiman rund um BRUNO BRAZIL hat deutlich mehr Ecken und Kanten als ihre Kinonachfolger. Allein die Namen der Beteiligten der Spezialeinheit bleibt im Ohr und sind Garantien für einen schönen Agentenspaß. Neben Brazils kleinem Bruder finden sich Texas Bronco, Whip Rafale, Gaucho Morales (ewig rauchend) und Big Boy Lafayette. Jeder hat hier seine Talente, die er (oder sie) für den jeweiligen Auftrag erfolgversprechend einbringt.
Kommando Kaiman. Es gab Zeiten, in denen man sich sogar im Comic mit dem Thema unterbewusster Manipulation auseinandersetzte. Das Fernsehprogramm mit seinen schnellen Bildwechseln, der Möglichkeit, Einzelbilder unerkannt unterzumogeln und dennoch eine Effekt auf das menschliche Gehirn zu verursachen, schien den Thrillerautoren außerordentlich reizvoll zu sein. Die Gang um BRUNO BRAZIL muss sich erst zusammenraufen, bevor sie zum Einsatz kommt, ist aber schon in der Folge der nächsten beiden Abenteuer zusammengeschweißter denn je.
William Vance zeichnet in seiner kantig, realistischen Art eine Gruppe von Draufgängern, dessen Männern durchaus differenziert sind, dessen Frauen aber stets auf einen Typus zurückgehen. Das ist seine kleine Unart, die man als Comic-Freund und Vance-Fan gerne übersieht, denn ansonsten verfügt der Comic-Künstler über ein breites Spektrum. Wer alte Gangster-Filme aus Frankreich kennt, dem werden die besonderen Visagen aufgefallen sein, die es dort in den Hochzeiten des französischen Kinos zu sehen gab. Ähnlich ausgefallen, mit allerlei Spielarten präsentieren sich auch hier die guten wie auch bösen Buben.
Die Bilder konzentrieren sich auf die Figuren. Das Umfeld, die Kulisse rückt die Szene meist zuerst ins rechte Licht, gibt dem Leser Anhaltspunkte zum Ort und Geschehen und folgt hier den Regeln einer Fernsehserie, weniger eines Kinofilms. Das stört zu keinem Zeitpunkt, da die Handlungsideen ausgefallen sind und dem Teamzusammenspiel viel Raum zur Entfaltung geben.
Greg und William Vance haben einen Klassiker des Comic-Thrillers geschaffen. Nach Jahrzehnten immer noch unterhaltsam und spannend, arbeiteten die beiden Comic-Macher damals schon mit Mechanismen, die heute noch zünden. Die Zeichentechnik von Vance ist nach wie vor vorbildhaft für eine neue Zeichnergeneration. 🙂
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