Eine Ermittlung in den Straßen von Whitechapel läuft aus der Bahn. Getarnt als Prostituierte wollte Inspektor Frederick Abberline seine Ermittlungen vorantreiben, stattdessen muss er sich wie ein unfähiger Beamter von einem Straßenpolizisten helfen lassen. Abberline, der im Viertel als Uhrmacher vor seiner kriminalistischen Laufbahn gearbeitet hat, erhält nicht viel Zeit, um die eigene Unfähigkeit gegenüber dem Watchman zu entschuldigen. Die beiden Männer stolpern im wahrsten Sinne des Wortes über eine Frauenleiche: das nächste Opfer von JACK THE RIPPER.
Frederick Abberline beschreibt es eindeutig. Whitechapel ist ein Labyrinth und mit dem unbekannten Mörder, den alle Welt nur noch Jack the Ripper nennt, hat ein Minotaurus Einzug gehalten. Das Monster in Menschengestalt begeht Taten, wie sie furchtbarer und abstoßender in dieser eher zivilisierten Epoche kaum sein können. Selbst dort, wo sich der Bodensatz der Gesellschaft trifft, auf den die Polizisten abschätzig herunterschauen, ist solch eine Brutalität ein nie dagewesenes Grauen.
Francois Debois vermischt Fakten und Fiktion miteinander und verschafft dem Leser ein dunkles Erlebnis in den Straßen des viktorianischen Englands und eines aufstrebenden Paris. Die wahrhafte Lösung des Falles kann Francois Debois natürlich nicht bieten, aber dafür eine umso unterhaltsamere und überaus spannende. Der Charakter des Frederick Abberline, in der wirklichen Historie eine zentrale Figur innerhalb der Ermittlungen rund um die Ripper-Morde, wird hier noch weitaus stärker einbezogen, als es in Wahrheit der Fall war. Denn letztlich dreht es sich immer um die Frage: Wer war Jack the Ripper? Die angebotene Antwort ist interessant, natürlich ein wenig reißerisch, aber in ihrer grundlegenden Konzeption auch nicht von der Hand zu weisen.
Die Darstellung der Geschichte ist lebhaft und folgt laut den Worten des Zeichners Jean-Charles Poupard auch den visuellen Beispielen populärer Filmumsetzungen, die sich dieser Epoche bedienen. Allen voran natürlich filmische Varianten des Ripper-Themas wie auch Geschichten über Sherlock Holmes. Poupard zeichnet beeindruckend realistisch und ordnet sich mit seiner Arbeit in die technische Klasse eines Mathieu Lauffrey (Prophet), Dimitri Armand (Angor) oder Ralph Meyer (Asgard). Getuscht wirkt der Strich härter, als er zuvor in den Skizzen erkennen lässt. Ein schöner Anhang mit Entwicklungsbildern von Poupard lässt derlei Vergleiche zu.
Jean-Charles Poupard gehört mit seiner Stilistik zu einer Gruppe von Zeichnern, die mit ihrem Strich auf den Punkt treffen. Gerade bei der harten Tuschearbeit gehen manchen Zeichnern Eindrücke einer hervorragend mit Bleistift skizzierten Grafik verloren. Poupard geschieht das nicht. Sicherlich stellt sich auch hier ein gemeißelter Eindruck ein, die Gesamtkonzeption der Vorzeichnung, die genauen Perspektiven in jeder Figur, ob organisch oder nicht, bleibt stets erhalten. Zusammen mit einer tollen Herausarbeitung atmosphärischer Details entsteht so eine tolle Comic-Arbeit gerade für Fans historischer Szenarien.
Jean-Charles Poupard empfiehlt sich als Zeichner (gerne auch im Zusammenspiel mit Guillaume Lopez als Kolorist) für historische Themen in dieser hier zusammengefassten Doppelausgabe. Die Ansichten machen von A-Z Lust auf mehr Grafiken und andere Szenarios von ihm. Autor Francois Debois kann dem Mythos um Jack the Ripper neue, eigene Seiten abgewinnen, auch mit neuen Schauplätzen und natürlich Untaten (sowie Mördern!). Insgesamt eine spannend erzählte Variante, die selbst nach Kenntnis anderer Geschichten um diesen weltbekannten Mörder sehr gut funktioniert. 🙂
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Link: jc-leblog.blogspot.de (Blog von Jean-Charles Poupard)
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