London Daily Universal Register, ein klangvoller Name für eine Zeitung, der bald in einen noch bedeutungsvolleren Namen übergehen und zu einer Weltberühmtheit werden sollte: Times. Der Journalist liegt verwundet auf dem Deck eines Segelschiffes. Es sind die Sekunden, in denen kurz aufblitzt, wie der Reporter an diesen Ort kam und auch warum. Ein französischer Freibeuter hat sich für die stolze englische Marine zu einer Bedrohung entwickelt, wie sie lange nicht mehr von den Schiffen Ihrer Majestät gefürchtet wurde. Und das Verhängnis hat einen Namen: Surcouf!
Ein Freibeuter ist kein Pirat. Ein Freibeuter kämpft für sein Land und greift nur jene Schiffe an, die mit seinem Land im Krieg liegen. Mittels Kaperbrief, einer offiziellen Genehmigung für dieses Unterfangen, brechen sie in die Schifffahrtsrouten des Gegners ein. Plötzlich taucht einer unter diesen Freibeutern auf, der verwegener als alle anderen ist, mit einem kleinen Schiff das Wagnis eingeht und ein viel größeres, englisches Schiff angreift. Woher kommt dieser Surcouf? Was hat ihn zu diesem Naturtalent gemacht? Und damit nicht genug. Surcouf liebt nicht nur das Risiko. Er hat auch noch riesiges Glück und springt dem Tod durch puren Zufall von der Schippe.
Arnaud Delalande und Erik Surcouf gehen nach einer Einführung über die Künste dieses Freibeuters weit in die Vergangenheit zurück, hinein in die Kindheit jenes immer noch jungen Mannes und zeigen, wie das Kind sich zu diesem Kämpfer mausern konnte. An der Seite eines Reporters, des Jonas Erasmus Wiggs, geht die Reise in jene Teile der Welt, in die sich ein Engländer tunlichst nicht wagen sollte, will er seine Reise heil überstehen. Die Geschichte, die er erfährt, schildert einen unbeugsamen, rastlosen Geist, der leicht provoziert werden kann, der die Freiheit liebt und Loyalität gegenüber seinen Freunden für eine Tugend hält.
Guy Michel, assistiert von Steven Cabrol, zeichnet die Jugendjahre kurz nach dem Auftakt, der Surcouf bei einem seiner großen Erfolge zeigt. In der Jugend ist er zunächst ein Junge wie alle anderen. Kaum größer oder stärker, aber immer darauf aus, sich zu beweisen, gar nicht einmal vor anderen, aber immer vor sich selbst. Ein Wagnis ist stets die Sprosse zum nächsten Risiko. Guy Michels Beginn, die Jagd auf das englische Schiff Triton, ist klassisches Piratenabenteuer (jagen, stellen, entern). Sorgsam getuscht und koloriert (von Simon Quemener), nimmt es den Leser mitten hinein in den Kampf, präsentiert auch die beiden längsseits liegenden Schiffe aus der Vogelperspektive.
Gerade in solchen Szenen finden sich die Stärken des ersten Bandes von Surcouf, mit dem Untertitel Die Geburt einer Legende. Zu Piraten, Freibeutern, Meeresabenteuern gehören die Segelschiffe. Mit ihrer vernünftigen, fachgerechten Abbildung steht und fällt ein derartiges Comic-Abenteuer. Guy Michel liefert genau jene Ansichten zur besten Zufriedenheit des Lesers, die ein solches Abenteuer erst lebendig und auch realistisch erscheinen lassen. Gerade ein Segelschiff mit seinen Krümmungen vor der Perspektive, seiner Takelage, seinen Details gehört zu den Herausforderungen eines Zeichners.
Daneben überzeugen die Charakterzeichnungen, die Einzelheiten eines ausgehenden 18. Jahrhunderts, mit seiner Vielfalt der Schauplätze, der Stürme und Schönwetterlagen, der Kämpfe, der Beschreibung des Lebens in den Häfen und auf den Schiffen. Durch die Vorgaben der beiden Autoren kann Guy Michel jede Seite abwechslungsreich Neues zeigen. Zwar gibt es langsamere Szenen, einen Stillstand oder eine Ruhepause gibt es aber nicht.
Ein solides Abenteuer auf den Meeren mit einem starken Hauptcharakter, schönen Zeichnungen des Lebens zu Lande und vor allem zu Wasser. Für Freunde des klassischen Piratenabenteuers ohne moderne Mätzchen sehr zu empfehlen. 🙂
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