Lieber arm dran als Arm ab. Dieser Spruch war selten besser zutreffend, als auf jene Situation, in der der kleine Sohn, Fidel, von Troll und Kobold seinen Arm während des Kampftrainings verliert. Durch einen Unfall selbstverständlich. Doch das Resultat bleibt auch. Leider. Denn der Junge hat nicht die Selbstheilungsfähigkeiten seiner Eltern geerbt und so wächst der Arm nicht nach. In einem magischen Zeitalter können vielleicht andere Möglichkeiten auch zu neuen Gliedmaßen verhelfen. Entsprechende Läden gibt es. Nur gibt es auch die Händler, die einen Hilflosen gerne übers Ohr hauen, wenn auch nicht wörtlich. Das Geld ist am Ende jedenfalls weg. Und ein Ersatzarm ist immer noch nicht in Sicht.
Doch Hilfe naht, wie stets unerwartet und auch nicht ganz so, wie die kleine Familie es gerne hätte. Der neue Arm hat einen gewissen Pinocchio-Effekt, der sich später, wider aller Erwartungen, noch als nützlich erweisen wird. Obwohl dazu gesagt sei, dass selbst im Kreise der engsten Familie die ungewöhnliche Verwendung des Arms und seiner Eigenschaften auf Unverständnis stößt. Nun wenigstens ist das Ziel im Sinne der Familie erstrebenswert, nämlich die Zusammenführung aller Familienmitglieder.
Jean David Morvan und Joann Sfar kreieren mal eben so auf ihre ganz eigene Weise eine neue Schöpfungsgeschichte, wie es nur das Fantasy-Genre kann. Die Geschichte aus der ersten Gesamtausgabe wird hier von Ihnen zu einem feinen Abschluss gebracht, dem mit einem Zeichnerwechsel, von Olivier Boiscommun zu Thomas Labourot, auch ein neues Design folgt. In Tausendundeine schlaflose Nacht arbeitet Boiscommun noch mit seiner fein ausschauenden Mischtechnik, die gerade durch den organischen Farbauftrag enorm gewinnt und sehr gut zur grafischen Darstellung von Fantasy-Atmosphären taugt. Lasierende Farben, aquarellartig und mit Buntstiften aufgetragen, mit wenig Tusche, erzeugen märchenhaft aussehende Seiten.
Mit Thomas Labourot und dem Abenteuer Von Würmern und anderen Schwierigkeiten wird es poppiger, die Figuren ändern sich etwas, obwohl immer noch an das Original-Design von Boiscommun angelehnt, der Farbauftrag wird per Computer deutlich leuchtender, knalliger erledigt. Kolorist Christian Lerolle schwelgt dafür aber auch lieber in einem Grundambiente, setzt eine primäre Farbe (oder Leuchtquelle) und lässt den Rest der Szene von ihr tragen. Olivier Boiscommun, der seine Zeichnungen auch kolorierte, mochte es deutlich abwechslungsreicher, auch natürlicher. Das Duo Laourot und Lerolle orientieren sich mehr an einer kinoartigen Ausleuchtung. Echtes Tageslicht, allerdings auch die passende Szene dafür, findet sich hier bei ihnen selten.
In der zweiten Geschichte der vorliegenden zweiten Gesamtausgabe ist Zeit vergangen. Die beiden Geschwister (und in dieser Welt äußerst seltenen Menschen), Larve und Fidel, sind inzwischen erwachsen geworden. Eine ehemalige große Liebe von Larve, der Halblöwe, hängt immer noch an ihr. Deutlich fülliger geworden muss er sich jedoch im Hintergrund halten. Aus dem Kobold, einem Teil der Elternschaft, ist ein elffacher Opa geworden. Und Ansichten haben sich ebenfalls geändert. Wenn ein Troll verkündet, Gewalt sei keine Lösung, sollte sich die Fantasy-Welt Gedanken machen.
In eine Zeit der Fehltritte hinein entwickelt sich ein neues Abenteuer, in dem auch eine neue Generation verstärkt ins Zentrum der Handlung tritt. Neben einer mittelalterlichen Gesellschaftsstruktur und ebensolcher Technik bestechen Morvans und Sfars fantastische Einfälle, teilweise bombastisch und mit einem wunderbaren Geschick, die Geschichte von einer Seite auf die nächste in einer unvorhergesehene Richtung kippen zu lassen.
Prall, praller, am prallsten, das ist die Weilt um den Troll und den Kobold und nun auch ihre Kinder. Jean David Morvan und Joann Sfar erzählen mit teils trockenem Humor, aber stets originellen Einfällen, wie es um diese ungewöhnlichen Helden hier weitergeht. Für Fantasy-Fans uneingeschränkt empfehlenswert. 🙂
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