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Comic Blog


Donnerstag, 24. Oktober 2013

FRATERNITY 2

Filed under: Mystery — Michael um 17:39

FRATERNITY 2Nun was ist es, das dort wie gekreuzigt zwischen den Holzbalken hängt? Ist es wirklich eine dämonische Kreatur, wie die Dorfbewohner glauben? Oder ist es nur ein Tier, ein unbekanntes, das in den Wäldern haust und nur zufällig den Weg der Menschen streifte? Wie es dort hängt, wird es von allen Seiten bestaunt, scheint es in seiner Bewusstlosigkeit doch harmlos zu sein. Was soll man mit ihm machen? Die Männer des Dorfes, die Oberen sind nicht einer Meinung, wie mit diesem Wesen verfahren werden soll? Töten? Einen Pfarrer holen? Als gäbe es im Dorf nicht schon genug Probleme weltlicher Natur, die einer Lösung bedürfen.

Wenn der Hunger quält, geht die Zivilisation endgültig zum Teufel und alle Versprechungen spielen keine Rolle mehr. In der kleinen Gemeinde werden die Rationen knapp. Der Bürgerkrieg, auch zur Abschaffung der Sklaverei geführt, weckt auch im Norden wieder den genauen Blick auf die Hautfarben. Das Monster, gefangen genommen und gut verwahrt, ruft alten Aberglauben hervor, schürt die Ängste, weil es vor Augen führt, dass es noch mehr gibt, jenseits dessen, was die Menschen zu wissen glauben. Juan Diaz Canales lässt seine Charaktere einen Traum versuchen zu leben und lässt sie kläglich scheitern, aus mehr als nur einem Grund. Hierarchien, Schuldzuweisungen, Wertigkeiten, Versagen, Wut, Eifersucht, Neid und der schlichte Grund, nicht sterben zu wollen und dafür notfalls über die Leichen anderer zu gehen, kochen als Zutaten auf diesem Herd der brodelnden Gefühle hoch und reißen schließlich alles in den Abgrund, der doch so mühevoll vermieden werden sollte.

Der Eindruck eines Theaterstücks in Comic-Form verdichtet sich in der zweiten und abschließenden Episode von FRATERNITY. Allein die Beziehungen der Menschen untereinander, eine sehr stark dialoglastig ausgeführte Handlung, immer auf den Punkt gebracht, treiben nicht nur die Geschichte voran, sie zeichnen auch ein sehr dunkles Bild des menschlichen Geistes, des Gemüts und der Seele. So endet FRATERNITY zwangsläufig auch in einer kleinen Hommage, in einem Feuer, wenn auch nicht mehr verraten werden soll. Das Monster hingegen, wortlos, nur durch Taten und Augenblicke kommunizierend, ist der Beschützer, auf den am Ende Verlass ist, während der kleine Junge Emilio, ebenfalls wortlos die ganze Zeit über, nur bei ihm wahre Geborgenheit findet.

Juan Diaz Canales schreibt die Bilder, die Jose Luis Munuera in seiner leicht disneyesken und auch märchenhaften Art sehr treffend umsetzt. Der amerikanische Bürgerkrieg, so scheint es, ist hier nur vorgeschoben, die Epoche ist zu diesem Zeitpunkt austauschbar, zu fernab hat sich diese Siedlung entwickelt, zu sehr hat sie sich von allem (auch bewusst) abgeschottet. Dem Ort, so (alp)traumhaft er wirkt, schließt sich ein Labyrinth an, eher an griechische Sagen erinnernd, den Munuera als kalten, kargen Ort gestaltet, mit meterhohen steinernen Wänden und in ihm, wie auf einem Altar aufgebahrt, sind die Waffen der Siedlung versteckt, weil sie dort keinen Schaden anrichten können. Es sei denn, jemand holt sie heraus und findet den Weg.

Jose Luis Munuera trifft die düster gespenstische Atmosphäre mit einem leichten Strich, karikierend und weit in den Raum greifend. Seine Figuren sind grazil, auch puppenhaft zuweilen. Das Monster ist eine sehr ungewöhnliche Kreation, indianisch zu nennen und sehr eigen. Durch Sedyas erhalten die Bilder nicht nur dämmriges, nächtliches Ambiente, auch Tagszenen sind in die Farben alter Fotografien, bräunlich, getaucht und suggerieren die lang vergangene Zeit noch deutlicher als es die Zeichnungen selbst vermögen.

Action, wenig zwar, die in Form von Kämpfen auftaucht, beschönigt nichts. Wer hier stirbt, stirbt nicht leicht, allenfalls schnell. Das Monster beweist es, aber auch die Männer des Ortes treten gegeneinander an. Die Frauen, bis auf eine, nämlich jene, die sich um den kleinen Emilio sorgt, bleiben in der zweiten Reihe und so gut wie unsichtbar. Chaos bestimmt das Drama von Seite zu Seite mehr. Aus der allgemeinen Tragödie des Ortes wird schließlich ein sehr spezieller Untergang. Hier könnte Inspiration in Geschichten wie Das Dorf gefunden worden sein.

Im Halbdunkel erfüllt sich das Schicksal von Fraternity. Ein düsteres Märchen, vielleicht auch ein Gleichnis, unabhängig von der Zeit, in der es handelt, suchen die Menschen ihr Heil in einer Enklave und scheitern kläglich. Juan Diaz Canales beantwortet nicht das Warum, das schafft der Leser sehr gut allein, er beschreibt nur das Wie und dies mit Bravour. 🙂

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