Die Venus, unendliche Weiten voller Lebewesen. Und alle darf man abschießen. Na, vielleicht darf man nicht, aber das kümmert einen Lord Cockswain, einen selbsternannten Entdecker und Abenteurer, wenig. Ob sie nun Pflanzenfresser oder Raubtiere sind, groß oder klein, es gibt keinen Kopf, der nicht an die Wand des Jagdzimmers in Lord Cockswains Zuhause passt. Und geht ihm doch mal ein Tierchen durch die Lappen, kann er sich am Ende noch auf seinen Eingeborenen verlassen, der ihm als Führer durch die fremden Dschungel dient und dessen Verstand zwar klein ist, dessen Gewissen hingegen bald schon durch die riesige Belastung zu platzen droht.
Hätten sich die Truppe Monty Python und jemand wie Robert A. Heinlein einmal getroffen und eine gemeinsame Begeisterung für Steampunk entwickelt, hätte so etwas dabei entstehen können, wie es Greg Boradmore eindrucksvoll präsentiert. Ein Blick auf eine Welt, in der Strahlenwaffen noch Strahlenwaffen sind, in der in bester julevernescher Manier zu den Planeten des Sonnensystems geflogen wird und selbst mit Atemglocke auf dem Kopf noch ein Pfeifchen geschmaucht werden kann. Wer ist denn nun dieser Dr. Grordbort, werden sich einige fragen. Nun, der gute Doktor selbst bleibt ziemlich im Hintergrund, seine technischen Errungenschaften hingegen sind eine wahre Fundgrube für alle, die gegen Feinde von der Venus oder dem Mond ins Feld ziehen möchten.
Krieg und Jagd sind des Mannes wahre Beschäftigung. Glaubt man den Abenteuern von Lord Cockswain, trifft genau das zu. Dieser Mann britischen Adels, eine Mischung aus Albert Schweitzer und Ernest Hemingway, empfindet einen Ausflug ins All als Sonntagnachmittagvergnügen, eine kleine Jagd mit gesammelten Trophäen und einigen hin gemetzelten Einheimischen inbegriffen. Greg Broadmore kreiert neben diesen sehr satirischen wie auch sarkastischen eine komplette Welt mit einer Waffenpalette für alle Lebenslagen, Hintergrundinformationen und Charakteren, die, wären sie nicht in dieser Steampunk-Geschichte, ins Irrenhaus eines wahnwitzigen Mörderfilms gehörten.
Greg Broadmore schreibt dieses Buch nicht nur mit einer humorvollen, teils auch brachialen Eleganz, die an Größen wie Terry Pratchett erinnert, er bringt auch exzellente Illustrationen zu Papier, die in verschiedene Kategorien einzuordnen sind. Neben den Portraits bestechen selbstverständlich die technischen Illustrationen, die auch in jedem Begleitband zu einem Rollenspiel perfekt wären. Die Strahlenkanonen liegen hier wie griffbereit gestaltet. Die Möglichkeiten computergestützter Illustration wurden hier voll ausgeschöpft. Hier findet sich Liebe zum Detail und die Unterhaltung in den begleitenden Texten, werbend angelegt. Einseitig oder auch doppelseitig angelegte Grafiken bewerben außerdem die großen, teils sehr großen Waffen. Gemeint sind Panzer, fahrende Festungen, Geher, wie sie ein Sternenkrieg noch nie gesehen hat (allenfalls ein Sky Captain).
Eindrucksvoller noch sind die Werbeanzeigen, die den Leser in Filme wie 20,000 Screams Under The Sea oder Devil Beasts From Venus locken wollen. Manchmal finden sich auch Werbungen, die sogar nach einer längeren Umsetzung schreien. So wäre eine Geschichte um das Autorennen, das Lord Cockswain in Fast Track To Phobos absolvieren muss, bestimmt sehr sehenswert. In einer grafischen Ausführung, die handwerklich mit kaum weniger (eher mehr) Arbeit entstanden ist als es das Titelbild bereits zeigt, werden für den Steampunk-Fan hier Träume war. Und dies betrifft ganz besonders die Abenteuer von Lord Cockswain, der alles andere als zimperlich in fremde Welten einbricht und lakonisch von seinen Abenteuern in Wort und Bild berichtet.
Diese Abenteuer sind so verdammt böse. Nicht allein die Jagden und kriegerischen Fehden machen hier Spaß (jawohl!). Wenn Lord Cockswain sich als Befreier von Kinderarbeitern präsentiert, die Fabrik, die er besichtigt, auch von den Erbauern von Castle Grayskull hätte entworfen werden können (vorausgesetzt, sie hätten zuvor etwas zu viel Kuiper Kola getrunken), dann bleibt kein Auge trocken. Ob es nun das Außendesign ist, der gute Lord selbst, dem das Pfeifchen niemals flöten geht oder die sehr, sehr gelungenen außerirdischen Spezies, auf jeder Seite eigentlich dürften selbst dem verwöhnten Comic-Fan die Augen übergehen.
Ein grafischer Knaller, mit Humor in Wort und Bild, schwarz und schwärzer, vielleicht nicht für jedermann, doch wer englischen Humor mag, der wird hier fündig. Steampunk-Freunde werden sich hier wiederfinden und wer mit dem Genre bislang nichts anfangen konnte, sollte einen sehr, sehr langen Blick riskieren. Denn vielleicht wird er sich von der detailverliebten Arbeit eines Greg Broadmore einfangen lassen. Zu wünschen wäre es. 🙂
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