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Comic Blog


Mittwoch, 09. Oktober 2013

Das Klagelied des Meeres

Filed under: Mystery — Michael um 9:35

Das Klagelied des MeeresZachary muss den qualvollen Tod seines Vaters an Bord des Segelschiffes miterleben. Die Pest hat auch diese Menschen erreicht. Entgegen der Warnungen der Mannschaft will sich Zachary zunächst nicht vom Leichnam seines Vaters trennen. Das denkbar böse Ende folgt bald. Auch Zachary entdeckt bei sich die Anzeichen der tödlichen Krankheit. Doch er will sich nicht dem Siechtum hingeben und nimmt seinen Tod selbst in die Hand. Zachary, der in die Tiefe sinkt, entfacht die Neugier einer ungewöhnlichen Kreatur. Eine Meerjungfrau entdeckt den jungen Mann und rettet den Menschen ans Ufer. Und noch mehr als Neugier entsteht. Die Meerjungfrau fühlt sich zu ihm hingezogen. Zuerst vermag Zachary diesem Begehren noch zu widerstehen, doch langsam entwickelt er Gefühle, die er vor kurzem noch für unmöglich gehalten hätte.

Die kleine Meerjungfrau, so wie sie der Schriftsteller Hans Christian Andersen beschrieb, diente der Autorin und Illustratorin Victoria Frances als Inspiration für ihre Hommage an jenes berühmte Märchen. Aber sie geht auch einen Schritt weiter, indem sie die Traurigkeit des Originals noch mehr verdüstert und eine Alternative schafft, einerseits durchaus hoffnungsvoll, andererseits sehr tragisch. Der Tod steht der Liebe wieder gegenüber, das sehnsuchtsvolle Schmachten nach dem anderen, dem zuerst Verschmähten, dem später über die Maßen Verlangten. Victoria Frances, die mit ihren Arbeiten aus dem Bereich des Gothic Horrors seit Jahren nicht mehr wegzudenken ist, verfährt hier etwas sanfter als sonst.

Der Tod und schöne, junge Frauen haben sich schon früh getroffen und werden sich, weil magisch voneinander angezogen, immer wieder begegnen. Ob es Dracula ist, der ihnen nachjagt, oder ein Joe Black, der sich von ihnen angezogen fühlt, so mag es auch nicht ungewöhnlich sein, dass der Tod als unsichtbare Verbindung zwischen zwei Königskindern, die nicht zueinander finden dürfen, herhalten muss. Die Beschreibung, wie aus Abneigung einerseits, größte Liebe andererseits wird, die nur im Tod ihre ewige Erfüllung findet, ist klassisch beschrieben, rührt an, sollte aber nicht an dunklen Wintertagen gelesen werden. Wo ein Hans Christian Andersen Hoffnung in einer neuen Existenz verheißt, ist es bei Victoria Frances zu Ende, wenn es zu Ende ist.

Die Bilder von Victioria Frances sind in diesem Band begleitend zur Erzählung angelegt, finden sich immer auf der rechten Seite, das Blatt ausfüllend. Sie wendet zur Illustration zwei Techniken an. Einmal werden die Grafiken in ihrem hinreißenden und deshalb so erfolgreichen seidenweichen Stil ausgeführt, in einer Mischung aus Fotorealismus und träumerischer Stilistik. Zum Anderen arbeitet sie bei jeder zweiten Abbildung mit der nicht zu Ende geführten Skizze, in denen auch noch Hilfslinien zu sehen sind, die aber dennoch nichts von ihrer Faszination verlieren.

Die Konzentration der Bilder liegt auf den beiden Liebenden und weicht ihnen, bis auf wenige Ausnahmen, kaum von der Seite. Victoria Frances vermag in diese Gesichter, die reale Vorbilder haben mögen, vieles an ebenso echten Gefühlen hineinzulegen. So wird aus dem Märchen ein begreifbares Liebesdrama, mit Charakteren, die vom Leser nicht so weit weg sind wie bei einem Hans Christian Andersen.

Eine dunkel romantische Geschichte, ein Märchen für den leuchtenden Herbst, nicht für den Winter, grazil illustriert, fein erzählt. Einfach schön. 🙂

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