Vietnam, 1970. Als Frischling in diesen so fremden Krieg zu kommen, der mit nichts vergleichbar ist, das sich die Vereinigten Staaten von Amerika zuvor aufgebürdet haben, ist wie ein Trip in einen schlechten Traum. Dschungel, schlecht gelaunte Kameraden, die einem Frischling das Leben zur Hölle machen und ein unsichtbarer Feind machen das Soldatenleben zu einer Belastung, die 24 Stunden am Tag andauert. Längst sind sich die Spitzen in der amerikanischen Führung bewusst, wie wertvoll der Mensch ist und wie ratsam es wäre, den amerikanischen Nachwuchs zu schonen und andere Mittel und Weg der Kriegsführung zu finden. Jemand anderes soll für die Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Kommunismus Krieg führen. Jemand, der entbehrlich ist.
GUERILLAS entführt den Leser in einen Tier-Thriller der besonderen Art. Experimente mit Tieren, auch Primaten, wurden schon thematisiert, doch noch nicht im Einklang mit der amerikanischen Geschichte, wie es hier geschieht. Leider verrät das Titelbild (so gut es auch ausschaut) schon den Kern der Handlung, wenngleich natürlich die Einzelheiten der Geschichte noch tiefer reichen. Brahm Revel, aus der Animationsbranche kommend, hat mit GUERILLAS einen Comic geschaffen, der sich nicht nur mit einem amerikanischen Alptraum befasst, sondern gleichzeitig auch die Mythen unverständlicher Experimente einfügt, von der Sorte, die zum Beispiel ein Mike Mignola in das Deutsche Reich verfrachtete. Aber so ist es auch kein Wunder, dass die maßgeblich am Experiment beteiligten Wissenschaftler Deutsche sind.
Grafisch schwankt Brahm Revel, der hier nicht nur schreibt, sondern auch zeichnet, zwischen einem Darwyn Cooke, einem Charlie Adlard und einem John Buscema. Nimmt er sich anfangs in dem aus drei Kapiteln bestehenden Dschungeldrama noch zurück, wird er im Verlauf deutlicher, ausgefeilter und zeigt seinen eindeutigen Schwerpunkt der Geschichte: die Schimpansen. Stilistisch wirkt die Arbeit von Brahm Revel bis zum Erscheinen der Affen wie eine europäische Graphic Novel. Die Ernsthaftigkeit hat beinahe einen dokumentarischen Charakter. Mit den Schimpansen ändert sich alles.
Von da an ist die Handlung nicht nur fantastischer, sie weiß auch durch den ersten Erzählstrang um die Affensoldaten zu begeistern, die den Neuen erst einmal in ihrer Gruppe aufnehmen und in die Schranken weisen. Brahm Revel verwendet starke, zuweilen dicke schwarze Striche, zielsicher aufgebracht und nur einen einzigen Grauton zur Schattierung. Aber mehr braucht es nicht. Jedes Gesicht ist individuell, jedes Bild komponiert, der passende Anblick herausgerissen. Markant ist seine Darstellung von Dynamik, schnellen Bewegungen und Action. Hier gibt es Parallelen zu moderneren Zeichentrickbildern, die Revels Vergangenheit im Animationsbereich geschuldet sein können.
Eine Art Negativ-Tarzan: wenn der Held der Geschichte gezwungen ist, mit den Schimpansen zu kooperieren, werden natürlich Erinnerungen an den Affenmenschen wach. Das ist eine Erzählung, die auch einem Edgar Rice Burroughs eingefallen sein könnte. Sie hat etwas Fantastisches, sie weist Horrorelemente auf, Science Fiction, Thriller und Kriegsdrama. Das ist eine Mischung, die stets das präsent hat, was gerade benötigt wird, um die Handlung weiterzubefördern. Und mit den Schimpansen allein ist es nicht getan. Brahm Revel baut auch noch einen Jagdhund ein, einen weiteren Primaten, der auf seine Art für Spannung sorgt.
Mal ein ganz anderes Konzept, neu und sicherlich auch mutig, einen solchen Comic anzugehen und gerade deshalb mehr als nur interessant. Angelegt auf drei Bände verspricht der Auftaktband noch sehr viel mehr. Schön stimmungsvoll gezeichnet in Schwarzweiß und Graustufe. 🙂
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Link: www.elrevel.com (Link zur Homepage von Brahm Revel)