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Comic Blog


Samstag, 14. September 2013

URBAN 1 – Die Spielregeln

Filed under: SciFi — Michael um 19:19

URBAN 1 - Die SpielregelnNeu in der Stadt, in der es nur um das Vergnügen geht? Wenn man wie Zach vom Land kommt, vorher sein Erleben aus Fernsehshows gezogen hat, dann kommt die Ankunft in Myjoy einem Kulturschock gleich. Aber Zach muss sich eingewöhnen, auch zügig, denn er ist nicht zum Spaß hier, sondern für die Arbeit. Mit seiner bulligen Statur, den riesigen Muskelpaketen ist er für die Tätigkeit als Polizist wie gemacht. Auch genießen die Gesetzeshüter in dieser Stadt ein gewisses Ansehen, sind sie doch gleichermaßen für Sicherheit und Unterhaltung von Nutzen. Zach muss sich zwar erst einarbeiten und leicht wird es für ihn auch nicht, aber vielleicht hat er ja seinen Platz gefunden?

Nicht oft gelingt es auf derart eindrucksvolle Weise in einem Comic-Roman eine neue Welt zu schaffen, die eine solche Komplexität ausstrahlt. Mit URBAN ist Luc Brunschwig (Autor) und Roberto Ricci (Grafik) dieses Kuststück gelungen. An der Seite des etwas unbedarften, weil weit weg allem aufgewachsenem Zach erlebt der Leser den Eintritt in die Welt von Myjoy, dem letzten Platz auf Erden, auf dem man sich noch amüsieren kann. Doch dieses Bild ist nur vorgeschoben. Kein Spaß ohne Arbeit, kein Spaß ohne Geld. Es gibt genügend Menschen, die nicht genug Geld hatten oder haben werden und diese sind zu lebenslanger Lohnsklaverei in Myjoy verdammt.

Hintergründige Kritik an bestehenden Systemen, Lohn-Dumping, Vergnügungsparks und eigentlich Ausbeutung aller Art wird hier von Luc Brunschwig mit ausgesuchter Finesse auf die Spitze getrieben. Das ist bissig, ironisch, nah an seinen Figuren und überbreit die Spaßgesellschaft auf eine Art, wie sie nur sehr gute Satire zu bieten hat. Oder gute Science Fiction. Zach, der hier zum Sicherheitsbeamten ausgebildet wird, hat gleichzeitig eine unterhaltende Funktion. Denn eine Jagd auf Schwerverbrecher wird gerne innerhalb des Vergnügungsparks als Happening zelebriert. Da wird auch der Tod eines Gesetzeshüters in Kauf genommen.

Luc Brunschwig kehrt mit URBAN auf vertrautes Territorium zurück, beschäftigte er sich doch schon vor mehreren Jahren mit den Urban Games. Hier fühlt sich das Szenario echter an, durchdachter und bewegt sich in einer Welt, die optisch auch einen Blade Runner enthalten könnte. Der Killer, der sich in diesem Szenario so elegant gegen die Verfolgung in Myjoy wehrt, führt dem Leser eine ungewöhnliche Variante eines Guy Fawkes vor. Roberto Ricci, verantwortlich für die Zeichnungen und die Kolorierung, inszeniert seine Figuren, höchst individuell und weiß auch bei seinen Zeichenstilen auf höchst interessante Weise umzuschalten.

Realismus mit einer Spur Karikatur ist in der Haupthandlungsschiene Trumpf. Eine weiche Kolorierung, an einen Farbauftrag mit Aquarellfarben oder Gouache erinnernd, mit feinen Tuschelinien macht aus jeder Seite ein kleines Kunstwerk. Aber Roberto Ricci kann auch anders, wie er mit einem Ausflug in eine Cartoon-Show beweist, wenn der Held aus Zachs Jugendtagen auftritt und zeigt, wie mit Verbrechern zu verfahren ist. Nicht umsonst ist dieser ganz besondere Held, Overtime mit Namen, im Gewand eines Totengräbers unterwegs und könnte auch eine sehr, sehr alte Version eines Clint Eastwood sein. Im dritten Schritt erlebt der Leser die Action außerdem auf dem Bildschirm, von HD und Konsorten weit entfernt, jedoch effektiv in der optischen Umsetzung.

Allein aus diesen grafischen Stilen heraus, auch einer Art Wimmelbildeffekt, betrachtet man das bunte Treiben auf den Straßen von Myjoy, gibt es für das Auge eine Menge zu entdecken, auch zusätzlich zu lesen, denn Luc Brunschwig versteckt hier noch manche kleine Anmerkung nebenbei. Man betrachte sich nur die tätowierte Werbung auf den freizügig zur Schau gestellten Frauenkörpern. So manche Marke wird gleich wiedererkannt werden und es ist erstaunlich, diese Marken so wiederzuentdecken, weil auch auf diese Weise eine Aussage über sie getroffen wird und nicht zum besten.

Ein sehr gutes, technisch versiertes, aber noch besser sich anfühlendes Science-Fiction-Erlebnis. Es ist doppelbödig, ist spannend erzählt, auch auf mehreren Ebenen und ist dank Roberto Ricci zweifellos ein optischer Höhepunkt des Genres. So darf die Trilogie weitergehen. 🙂

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