Für die kleine Kolonie New Fraternity und ihre Bewohner ist es schwierig, sich aus dem Bürgerkrieg herauszuhalten und neutral zu bleiben. Innerhalb der Gruppe schwelt der Konflikt. Ganz besonders die Ausrichtung der Kolonie, ihre Organisation und Arbeitsverteilung bereitet große Probleme. Es sollte ursprünglich ein neuer Weg gefunden werden, ohne die Welt da draußen zurecht zu kommen. Doch es will nicht gelingen. Kompromisse werden gefunden, bittere Zugeständnisse, die trotz der misslichen Lage nicht wenigen aufstoßen. Der kleine Junge Emilio ist in dieser Gruppe dieser Gruppe ein Außenseiter. Verwildert und wortlos macht er sich zwar nützlich, aber gelitten ist er auch nur bei den wenigsten. Da lernt Emilio einen Freund kennen, mit dem niemand gerechnet hat.
Der amerikanische Bundesstaat Indiana im Jahre 1863. In der abgeschiedenen Welt wollen sich nahezu alle Einwohner der Realität verweigern, sich ihr verschließen können sie dennoch nicht. Der Krieg gelangt auch bis an ihre Türen. Autor Juan Diaz Canales beschreibt in seiner Ausgangssituation keine ungewöhnliche, aber heutzutage eher seltene Enklave in den Vereinigten Staaten. Der Wille, sich abzuschotten und innerhalb des Landes der Freien etwas ganz Eigenes zu versuchen, wohnt manchem Amerikaner immer noch inne. Umso verständlicher mutet dieses Szenario immer noch an, obwohl es sich in der noch jungen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewegt. Das Faszinierende ist der Umstand, dass der Leser an der Seite des kleinen Emilio die Geschichte erlebt. Da Emilio stumm ist, seine Ansichten erst durch sein Verhalten deutlich werden, ist der Leser mehr gefordert aus den Mimiken und der Situation zu lesen. Dank eines Künstlers wie Jose Luis Munuera gelingt das hervorragend.
Emilio wird in den Wäldern gefunden, nackt, verwildert, wie ein Tier lebend. Die Jäger, die ihn aufspüren, machen sich diesen Umstand, es handele sich um kleinen Jungen kaum bewusst. Sie wollen Rache für die Hühner, die er bei ihnen gewildert hat. Immerhin beweist einer Güte und Menschlichkeit und reicht dem verlorenen Kind die Hand. Allein die Auftaktsequenz ist ein kleines Comic-Juwel in der von Munuera zeichentrickartigen Technik. Die Farben von Sedya nehmen sich sehr zurück. Als läge ein industrieller Schleier über den Bildern, so taucht diese Welt aus den Seiten auf. Es sind die Farben früher Fotografien, die hier Alter und Vergangenheit vortäuschen und durch die Reduzierung den Blick enorm konzentrieren.
Die luftigen, sehr raumgreifenden Figuren und Gesichter, die Munuera entwirft, brauchen jede Aufmerksamkeit, die sie bekommen können, liegt doch allein in der äußeren Erscheinung einer jeden vorkommenden Figur eine Geschichte verborgen. Nur wird leider nicht jede erzählt. Die gezeigte Umgebung wird so sehr lebendig. Am Beispiel der vier schwarzen Deserteure der Unionstruppen zeigen sich die von Munuera herausgearbeiteten Unterschiede sehr schön. Er zeichnet bei weitem nicht derartig cartoonartig wie ein Willy Lambil, erreicht aber hier auch nicht die Disney-Optik. Technisch ist er dazwischen angesiedelt, mit sehr vielen Alleinstellungsmerkmalen, die ihn stilistisch sofort erkennbar werden lassen.
Während vordergründig die Menschen agieren, gibt es im Hintergrund einen heimlichen Star der Geschichte, der, wie es sich für ein geheimnisvolles Wesen gehört, nur sehr verhalten eingeführt wird. Umso beeindruckender ist das Design des Wesens, dessen Schädelform deutlich von anderen Monstern abweicht. Munuera hat sich keine Fleischfresser zum Vorbild genommen. Das Wesen ist richtig merkwürdig gelungen, wie es nur selten in vergleichbaren Comics mit Monsterthematik zu finden ist.
Der erste Band von zweien, ungewöhnlich erzählt und bebildert, auf jeder Seite eigen, fesselnd, etwas märchenhaft auch, mit Mythologien spielend. Munuera etabliert sich als der Künstler für den feinen Zwischenton. Sehr schön. 🙂
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