Die Göttinen machen keine halben Sachen. Hekate, Hera, Artemis und Aphrodite wollen das kleine Mädchen nicht so einfach seinem Schicksal überlassen. Da auch niemand hinter der anderen Göttin zurückstehen will, sind ihre Gaben, die sie dem Kind überlassen, über die Maßen großzügig für eine Sterbliche. Atalante ist ein aufgewecktes Kind, wird umsorgt und hat, nach einer Begegnung aus der Ferne, nur einen bedeutenden Wunsch: sie will sich dem Volk der Amazonen anschließen. Eine stolze Kriegerin zu sein, erscheint ihr erstrebenswert. Doch zuvor, endlich erwachsen geworden, wartet das Abenteuer auf die junge Frau, die sich erst einmal vor gestandenen Männern behaupten muss. Die Zentauren sind in Aufruhr und sie lassen sich nicht durch die Schönheit Atalantes verwirren. Hier zählen nur Taten.
Wenn Didier Crisse zeichnet, gestaltet und erzählt, dann bleibt kein Aspekt der griechischen Mythologie unberührt. Und er macht es in einer so liebevollen wie auch sehr dichten Art und Weise, dass es für den Leser auf jeder Seite Neues zu entdecken gibt. Der Lebenslauf von ATALANTE beginnt bereits spannend, da kann sie noch nicht einmal laufen. Der Vater will sie nicht, die Mutter kann sie nicht retten. Die Götter hingegen haben ein Auge auf den Säugling. Und schon werden die Karten neu gemischt und Atalante landet wenig später in Gefilden, in denen Menschen keine gern gesehenen Gäste sind. In der Kindheit entfalten sich die ersten besonderen Fertigkeiten, die später, um im Bereich der klassischen Sagen zu bleiben, an der Seite von Jason und seinen Argonauten so richtig zum Tragen kommen.
Die grafische Pracht, wie sie bislang ähnlich in Canari oder Ishanti geboten wurde, das Verspielte, wie es der verwöhnte Fantasy-Leser von SinBad oder Belladonna her kennt, findet sich hier ebenso wie die technische Perfektion, die der Fan von sehr fantasievollen Themen eher aus der Schmiede Hollywoods im Stile von Disney oder DreamWorks gewöhnt ist. Anspielungen wird der Leser auf die Traumfabrik in jedem Fall finden. Die Harpyien, mit denen Atalante in jungen Jahren in Kontakt kommt, sind eine direkte Verbeugung vor den Geiern aus dem Dschungelbuch aus dem Hause Disney, wie auch die tolle Kolorierung von Fred Besson eine konsequente Umsetzung des Zeichentrickkonzepts auf Papier darstellt.
Die Stärke von Didier Crisse liegt in seinen Knuffelfiguren, von denen es in der näheren Umgebung von Atalante eine Menge gibt. Fast möchte man sogar die gefährlichen Kreaturen knuffeln, die einen ähnlichen Charme versprühen wie allseits beliebten Hexen aus der Disney-Schmiede oder jene Bösewichter, die uns der deutsche Zeichner in Hollywood, Andreas Deja, uns auf der Leinwand (Dschafar, Scar) bescherte. Didier Crisse allerdings muss sich nicht wie ein Hollywood-Zeichner mit einer Figur aufhalten. Er kreiert, und sagen wir es direkt ein wenig größer, gleich ein ganzes Universum.
Jede Figur besitzt eine derart liebevolle Gestaltung, als habe sich jeweils nur ein Zeichner auf diese Figur konzentrieren können. Zu den Höhepunkten zählen sicherlich die Göttinnen wie auch die Zentauren. Im redaktionellen Anhang finden sich Skizzen, Entwürfe, auch fertige Zeichnungen von Figuren, wie sie diese Geschichte noch nicht zu bieten hat. In der Vergrößerung verlieren diese Charaktere nichts von ihrer Wirkung, eher sind sie noch eindrucksvoller in ihrer Verspieltheit. Didier Crisse erfährt durch Fred Besson, den Koloristen, großartige Unterstützung, denn in teils realistisch angelegten Hintergründen (Natur) und weich eingefärbten Figuren ist die Wirkung tatsächlich jene von Zeichentrickbildern, die einem Film entnommen worden sein könnten.
Ein toller Einstand einer Reihe, gerade für jene, die das Leichte, Verspielte, Kindlichere in einer Fantasy-Erzählung mögen. Aufregend erzählt, perfekt koloriert, Seite für Seite ein Page-Turner. Klasse. 🙂
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